Von Markus Prause
Auf der Baustelle führt der Bauunternehmer seine Leistungen gemäß den bauvertraglichen Vereinbarungen aus. Der Architekt überwacht die Arbeiten. Trotz dieses Vier-Augen-Prinzips kann es zu Mängeln bei der Bauausführung kommen.
Die Gesamtschuld
Der Architekt haftet dann wegen eines Überwachungsfehlers nach den allgemeinen werkvertraglichen Vorschriften (§ 650 q i. V. m. §§ 633 ff. BGB) und auch den Bauunternehmer trifft die werkvertragliche Haftung (§ 650 a i. V. m. §§ 633 ff. BGB). Dem Bauherrn stehen also Ansprüche gegen beide Verursacher zu – der Fall der Gesamtschuld. Wird nun einer der Gesamtschuldner in Anspruch genommen, hat dieser den Schaden zunächst zu hundert Prozent zu tragen und kann erst nach der Befriedigung der Ansprüche des Bauherrn intern beim anderen Beteiligten hinsichtlich dessen Verursachungsbeitrags Rückgriff nehmen (Innenregress). Der Bauherr konnte bislang frei wählen, gegen wen er vorgehen wollte. Allzu oft traf es den Architekten, weil der Bauherr von ihm beziehungsweise seiner Versicherung direkt Geld verlangen kann – auch ohne den Schaden zu beseitigen. Denn wenn eine Bauleistung wegen einer mangelhaften Objektüberwachung fehlerhaft ausgeführt wurde, ist eine Nacherfüllung durch den Architekten nicht möglich. Da der Architekt nicht die Bauleistung schuldet, hat er kein Recht, den Bauwerksmangel selbst zu beseitigen. Er haftet direkt auf Schadensersatz in Geld. Dem Bauunternehmer hingegen muss zunächst Gelegenheit gegeben werden, den Mangel selbst zu beseitigen. Erst wenn die Nacherfüllung scheitert, kann der Bauherr vom Unternehmer Geld verlangen.
Erleichterung bei Überwachungsfehlern
Diese Belastung für die Architekten minimiert nunmehr § 650 t BGB: Der Bauherr muss zunächst erfolglos den Bauunternehmer zur Nacherfüllung auffordern, bevor er die Kosten der Mangelbeseitigung vom Architekten verlangen kann. Der Architekt darf also die Zahlung von Schadensersatz verweigern, solange der Bauherr nicht den Versuch unternommen hat, den Bauunternehmer zur mangelfreien Herstellung der Bauleistung zu bewegen. Diese zur Leistungsverweigerung berechtigende Einrede steht ihm aber nur bei einem Überwachungsfehler und nicht bei Planungs- oder Ausschreibungsfehlern zu. Das Leistungsverweigerungsrecht endet, wenn der Bauherr dem Bauunternehmer einmal eine angemessene Frist zur Nachbesserung gesetzt hat und die Frist fruchtlos verstrichen ist. Einer Klage gegen den Bauunternehmer bedarf es nicht. Solange dem Architekten das Leistungsverweigerungsrecht aus § 650 t BGB zusteht, ist der Bauherr übrigens nicht berechtigt, der Honorarforderung des Architekten Schadensersatzansprüche entgegenzuhalten.
Regelungen im Architektenvertrag
Rein aus Klarstellungsgründen könnte die Regelung des § 650 t BGB in den Architektenvertrag aufgenommen und wie folgt formuliert werden: „Nimmt der Bauherr den Architekten wegen eines Überwachungsfehlers in Anspruch, der zu einem Mangel an dem Bauwerk geführt hat, kann der Architekt die Leistung verweigern, wenn auch der ausführende Bauunternehmer für den Mangel haftet, und der Bauherr diesem Unternehmer noch nicht erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung bestimmt hat.“ Versuche von Bauherren, das Recht aus § 650 t BGB im Architektenvertrag auszuschließen, werden aller Voraussicht nach scheitern. § 650 t BGB stellt ein neues gesetzliches Leitbild auf, das zumindest durch allgemeine Geschäftsbedingungen nicht ausgehebelt werden kann.
Praxishinweis
Wird der bauüberwachende Architekt mit Schadensersatzansprüchen konfrontiert, sollte er prüfen, ob dem Anspruch die Einrede aus § 650 t BGB entgegengehalten werden kann – auch, um den Blick des Bauherrn auf den Bauunternehmer zu lenken. Gleichzeitig sollte der Architekt in jedem Fall seine Berufshaftpflichtversicherung einschalten, um seiner Anzeigepflicht zu genügen und das weitere Vorgehen abzustimmen.
Markus Prause ist Syndikusrechtsanwalt und Justiziar der Architektenkammer Niedersachsen.
Mehr Informationen zum Thema Recht erhalten Sie hier
War dieser Artikel hilfreich?
Weitere Artikel zu: