Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Handarbeit“ im Deutschen Architektenblatt 06.2018 erschienen.
Von Dagmar Hoetzel
Was bedeutet nachhaltiges Planen und Bauen? Wie sollten die Rahmenbedingungen aussehen, die Nutzung, die Produktion, das Material, das Verhältnis zwischen Bauherrn, Planer und Nutzer? Ein kleines Projekt in Sri Lanka vereint im kleinen Maßstab beispielhaft viele Facetten, die zu einem nachhaltigen Gebäude führen können.
Initiator des Gebäudes ist der Greifswalder Psychologiestudent Vincen Francis Jesudasan. Seit er 2004 den Tsunami in seiner Heimat Sri Lanka nur aufgrund eines glücklichen Zufalls überlebte und eine ebenfalls überlebende deutsche Familie ihm Ausbildung und Studium in Deutschland ermöglichte, setzt er sich dafür ein, auch anderen Kindern und Jugendlichen in seiner Heimat eine Chance auf Bildung zu bieten. Zusammen mit Kommilitonen gründete er den Verein S.T.E.P.S. of forgiveness (dies steht für: „Zwischen Singhalesen und Tamilen durch Bildung zum nachhaltigen Frieden in Sri Lanka beitragen“). Mithilfe von Spenden werden seit 2010 in 17 Dörfern viele Kinder kostenlos unterrichtet. 2013 erhielt Jesudasan die Zusage für ein Grundstück auf Sri Lanka und wendete sich mit der Idee, dort ein größeres Bildungszentrum zu bauen, an die befreundeten Planer von feat.collective, einer Gruppe junger Architekten, Designer und Politikwissenschaftler aus Stuttgart, München und Zürich.
Das Kollektiv stürzte sich in die Recherche. Mithilfe des Instituts für Raumkonzeptionen und Grundlagen des Entwerfens der TU Stuttgart ermittelten sie Bedarf und Möglichkeiten. Was wird gebraucht? Wie wird gebaut, welche Materialien sind verfügbar? Die Architekten und die Studenten führten einen Workshop vor Ort gemeinsam mit Bewohnern, Kindern, Jugendlichen, Priestern und Lehrern sowie S.T.E.P.S. e. V. und dessen sri-lankischer Partnerorganisation, der People Helping People Foundation, durch. Neben dem besonderen Bedarf an Aus- und Weiterbildung – vom Englischkurs bis zur Tischlerlehre – kristallisierte sich heraus, dass ein Ort gebraucht wird, an dem benachteiligte Kinder und Jugendliche verschiedener ethnischer und religiöser Zugehörigkeit zusammenkommen.
Mit lokalen Mitteln
Das Gebäudeensemble liegt etwa zwei Kilometer von der Küste entfernt in Nachbarschaft eines Dorfes mit lose angeordneten Hütten auf einer Lichtung, die von Bäumen und Baumgruppen – als Schattenspender sehr wichtig – umstanden ist. Ein runder, offener Platz für Versammlung, Kommunikation und Spiel bildet das Zentrum der nach innen orientierten Anlage. Fünf Pavillonbauten (Administration, Küche mit Kantine, zwei Unterrichtsräume, eine Werkstatt) sind darum herum angeordnet und durch eine Mauer verbunden.
Die Gebäude basieren auf einem multiplizierbaren Raster, Flexibilität und Erweiterbarkeit sind mitgedacht: eine robuste Planung, die auf spezifische Bedingungen und Bauweisen vor Ort reagieren kann, und einfache Zeichnungen, manchmal auch nur Skizzen im Sand.
Architektin Noemi Ott, die während der Bauphase mit wechselnden Kollegen für einige Monate vor Ort war, beschreibt ihre Aufgabe in erster Linie als Kommunikation: Wie lässt sich der Entwurf mit den lokalen Mitteln und Bauweisen umsetzen? Da Zement teuer ist, wurde so wenig Beton wie möglich verbaut. Eine Betonskelett-Konstruktion mit umlaufendem Ringanker bildet den sicheren Rahmen für Mauer und Pavillons und gewährleistet die notwendige Erdbebensicherheit. Die Wandfelder wurden in unterschiedlichen Strukturen ausgefacht mit Lehmziegeln, die lokal von verschiedenen Familien von Hand geformt und in kleinen Öfen gebrannt wurden – und alle unterschiedliche Formate haben.
Zum Hof hin gibt es Holzfalttüren mit Lamelleneinsatz, die pultförmigen Dächer sind mit silber-weißen Trapezblechen gedeckt, die die Hitze eher reflektieren, als sie aufzunehmen. Um eine natürliche Belüftung und Kühlung durch Luftzirkulation zu erreichen, wurden die Dächer so weit wie möglich über den Außenwänden aufgebracht und die Wände porös gestaltet (es gibt kein einziges Glasfenster in der Anlage), die großen Dachüberstände bieten größtmögliche Verschattung. Den Architekten war es ein Anliegen, dass die Bauarbeiter die Prinzipien der Konstruktion und Gestaltung verstehen, sodass diese ohne weitere Anleitung Teile selbst reparieren oder austauschen können – zusammen mit langlebigen, lokal verfügbaren Baumaterialien ein wichtiger Beitrag zu einer nachhaltig nutzbaren Anlage, die keine großen Folgekosten verursacht.
Gemeinsame Handschrift
Seit eineinhalb Jahren ist das Zentrum in Betrieb; ausgelastet ist es noch nicht, zum Teil fehlt noch die nötige Ausstattung für bestimmte Kurse. Zwar sind es weiterhin hauptsächlich Spenden, die es ermöglichen, das Bildungsprogramm umzusetzen, aber durch den Verkauf von Produkten, die in den Ausbildungskursen hergestellt werden, wird versucht, langfristig unabhängiger zu werden.
Die Architekten, deren Engagement ehrenamtlich war, hat es gereizt, den Prozess unmittelbar zu begleiten, die Wünsche der Nutzer direkt zu erfahren und zusammen mit ihnen Ideen und Vorstellungen zu entwickeln. Sie wollten dem Projekt weder ihren Stempel noch ihre Handschrift aufdrücken – und haben so etwas geschaffen, mit dem sich alle identifizieren können und das die Gemeinschaft stärkt.
Mehr Informationen und Artikel zum Thema finden Sie in unserem Schwerpunkt nachhaltig.
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