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Zurück Big Data im Büro

Mit Algorithmus und Concierge

Die Digitalisierung macht ihn möglich: den perfekten Arbeitsplatz für jede Tätigkeit, inklusive individuell geregelter Luftfeuchtigkeit.

27.09.20185 Min. Kommentar schreiben

Von Lars Klaaßen

Ein Bürogebäude, das die Gewohnheiten aller darin arbeitenden Angestellten registriert, dadurch ihre persönlichen Vorlieben in unterschiedlichen Situationen kennenlernt und deren Umgebung dementsprechend individuell einrichtet: Was nach Science-Fiction klingt, ist für Dennis Stolze Arbeitsalltag. Der Leiter des Teams Cognitive Environments im Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO entwickelt solche Umgebungen – und verbringt dann auch gleich seinen Arbeitsalltag darin. „Wir sind hier in Stuttgart quasi unsere eigenen Versuchskaninchen“, sagt der Wissenschaftler. Digitalisierung hat schon längst in den Arbeitsräumen vieler Unternehmen Einzug gehalten. An verschiedenen Stellen werden Daten erhoben, damit sich die Raumumgebung an die aktuelle Situation anpasst: von Rollos, die bei Sonneneinstrahlung selbsttätig herunter fahren über Innenbeleuchtung, die sich an wechselnde Lichtverhältnisse automatisch anpasst. Die Forschungsteams des Fraunhofer IAO gehen in ihrer Arbeit aber noch einige Schritte weiter.

Stolze untersucht mit seinem Team auch ganz grundsätzliche Umwelteinflüsse, wie etwa Temperatur und Luftfeuchtigkeit. „Wir greifen bei unserer Arbeit teils auf wissenschaftliche Erkenntnisse zurück, die schon länger bekannt sind“, erläutert der Projektleiter. So wissen die Forscher etwa, dass Menschen, die analytische Aufgaben lösen, es in der Regel etwas heller und kühler mögen. Wer kreativ arbeitet, bevorzugt meist eine wärmere und dunklere Umgebung. Andere Erkenntnisse wurden am Fraunhofer IAO in eigenen Studien erhoben: etwa, inwiefern trockene Luft einen Störfaktor in Bürowelten darstellen kann. All das ist aber nur die Ausgangsbasis der eigentlichen Arbeit. Stolzes Team entwickelt Arbeitsumgebungen, die durch Sensoren erheben, wer gerade welcher Tätigkeit nachgeht, um sich darauf einzurichten. Daten über Gesichtserkennung, Leitfähigkeit der Haut und den Puls könnten die dafür nötigen Informationen liefern. „Jeder Mitarbeiter unterscheidet sich in seinen Arbeitsweisen und seinen Bedürfnissen von anderen“, so Stolze. „Deshalb gibt es keine einheitliche Lösung für die Bürogestaltung.“ Die optimale Arbeitsumgebung werde mit Blick auf unterschiedliche Arbeitstypen entwickelt.

Wie groß der Handlungsbedarf ist, haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler  des Fraunhofer IAO ebenfalls erhoben: Lediglich 54 Prozent der von ihnen befragten Personen sind im Großen und Ganzen zufrieden mit ihrer Büroumgebung. 18 Prozent sind gar nicht zufrieden, während 28 Prozent nur teilweise zufrieden sind. Unternehmen, die qualifizierte Mitarbeitende an sich binden und ihre Attraktivität als Arbeitgeber erhöhen wollen, können dort punkten. Bis die an persönliche Vorlieben angepasste Luftfeuchtigkeit für die gerade anstehende Tätigkeit im Büro selbstverständlich ist, wird es sicher noch einige Jahre dauern. In anderen Bereichen wird der maßgeschneiderte Arbeitsplatz bereits im Alltag realisiert: Ruhezonen für konzentrierte Einzelarbeit, Räume für Teambesprechungen, eine Sitzecke mit Kaffeemaschine für den informellen Austausch. Damit das zonierte Büro funktioniert, müssen die Mitarbeitenden erst einmal den für sie gerade passenden Platz finden. Auch hier ist Datenmanagement gefragt.

Datenschutz rückt in den Vordergrund

Bislang kann es Angestellten bei der Suche nach dem passenden Arbeitsplatz ergehen, wie auf einen großen Parkplatz: Es gibt mindestens noch einen freien Stellplatz – aber wo? Um im Büro Abhilfe zu schaffen, haben Designer des Büromöbel-Herstellers Steelcase zur Analyse und Steuerung von Raumbelegungen zwei Instrumente entwickelt: Workplace Advisor und Personal Assistant. „Workplace Advisor liefert Daten und Einblicke, die Unternehmen eine ganzheitliche Betrachtung ihrer Räume ermöglichen – zudem trägt es dazu bei, intelligente, vernetzte Arbeitsplätze zu schaffen“, erläutert Steelcase CEO Jim Keane. Das Instrument basiert auf einer Microsoft-Plattform. Seine Sensoren verfolgen die Raumnutzung in Echtzeit. Über Displays an den Zugängen zu einzelnen Räumen, sogenannten Gateways, sieht man, wer diesen Bereich wann reserviert hat und kann dies darüber auch selbst tun. So lassen sich etwa ungenutzte von reservierten, aber leerstehenden Räumen unterscheiden. Neu entwickelte Sensoren in jedem Arbeitsbereich ermöglichen Workplace Advisor eine hohe Genauigkeit. Hinzu kommen proprietäre Algorithmen, die das Wissen von Steelcase über die Arbeit, die Mitarbeiter und den Arbeitsplatz anwenden, um die Daten zu bewerten und in Echtzeit mit einer Benutzeroberfläche zugänglich zu machen.

Laut einer Steelcase-Erhebung bleiben in einem durchschnittlichen Büro 46 Prozent der Flächen ungenutzt. Workplace Advisor soll hier für deutlich höhere Effizienz sorgen. Damit das im Alltag funktioniert, erhält jeder Mitarbeiter einen Personal Assistant. Diese Smartphone-App funktioniert wie ein Concierge am Arbeitsplatz – und nutzt dafür die Informationen von Workplace Advisor. Die Nutzer können damit den für sie geeigneten Arbeitsplatz finden: Sie geben die Tätigkeit ein, die Anzahl der beteiligten Personen, die erforderlichen Tools und Technologien sowie die Raumausstattung.

„Mit den wachsenden Möglichkeiten, so Stolze, „rücken aber auch Fragen nach dem Datenschutz in den Vordergrund: Welche Informationen dürfen Unternehmen über ihre Mitarbeiter sammeln und in welcher Form auswerten?“ Was bei der Nutzung digitaler Services im privaten Bereich bereits diskutiert wird, rückt nun auch arbeitsrechtlich immer stärker in den Fokus: Bequemlichkeit und Effizienz machen den Einzelnen zunehmend zum gläsernen Menschen. Im Verhältnis des Arbeitnehmers zu seinem Arbeitgeber ist dies besonders sensibel.

Lars Klaaßen ist freiberuflicher Journalist in Berlin.


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