Um seine Arbeit als Lichtplaner auf der Berliner Museumsinsel zu überprüfen, fährt Helmut Angerer gern auf den nahen Fernsehturm. Keine Lichtkegel sind zu sehen, keine Fehlstrahlung, keine Lichtverschmutzung. „Die Licht-Schatten-Kanten wurden exakt auf die Fassadengeometrie abgestimmt“, erläutert der Planer, der mit seinem Büro Conceptlicht in Traunreut schon viele prominente Bauten ins rechte Licht gerückt hat. „Für ein stimmiges Gesamtbild ist es entscheidend, dass die Strahlungswinkel auf die Geometrie der Architektur abgestimmt sind“, beschreibt er den Umgang mit dem Berliner Bode-Museum und dem Neuen Museum, wo er unter anderem mit Heinz Tesar und David Chipperfield zusammenarbeitete. So sei es wichtig, dass die Sockelzonen als verbindendes Element dunkel blieben. Um zu verhindern, dass die Steinfassaden nachts flach und blass wirken, erfolgt die Beleuchtung in neutralweißer Lichtfarbe mit hoher Farbwiedergabequalität. Da diese Beleuchtung dem Mondlicht am ähnlichsten ist, wirkt das Licht so natürlich wie möglich. Akzentuierungen erfolgen mit warmer Lichtfarbe, zum Beispiel an den Figuren oberhalb des Eingangsportals und den beiden Kuppeln.
Warmes Licht prägt auch den Kolonnadenhof vor dem Neuen Museum. Durch speziell für diese Anlage entwickelte Leuchten, welche als schmale Bänder innen, parallel zum Architrav, verlaufen, wird eine sehr gleichmäßige, homogene Ausleuchtung erreicht. Diese Lösung konnte der Lichtplaner erst mithilfe einer aufwendigen Bemusterung durchsetzen. Am Ende waren aber Architekt wie Bauherr sehr angetan, und es gab einen Lichtdesignpreis.
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Unabhängige Lichtplanung statt Overdesign
„Ich verstehe bis heute nicht, dass Licht bei den Architekten als visuell geschulten Leuten eine so geringe Rolle spielt“, sagt der 63 Jahre alte gebürtige Österreicher, der selbst – wie die meisten Lichtplaner – Elektrotechnik studiert hat. „Ohne Licht ist Architektur nichts. Viele Projekte hätten besseres Licht verdient“, betont Angerer, der zuvor lange für das „Lichtlabor“ von Christian Bartenbach gearbeitet hat. Sein oberstes Gebot ist visuelle Klarheit und ein Vermitteln der Bedeutungshierarchien, also ein Lesbarmachen von Architektur durch Licht.
In aller Regel überließen Architekten aber die Lichtplanung immer noch der Leuchtenindustrie. „Damit macht man den Bock zum Gärtner“, meint Angerer, denn so sei eine Über-Instrumentierung vorprogrammiert. Leuchten seien aber nur Mittel zum Zweck, und oft müssten Standardmodelle modifiziert werden, um die gewünschte Lichtwirkung zu erreichen. Wer in Angerers Projekten die Lichtquellen finden will, muss oft lange suchen, denn dem Planer geht es nicht um die Selbstinszenierung von Design-Objekten.
Auch bei Stadtraumgestaltungen, wie er sie zuletzt in Straubing und Fürth geplant hat, lehnt er visuellen „Schnickschnack“ ab, der nur auf Effekt setzt. „Wir planen nicht für die Touristen oder die Architekturzeitschriften, sondern für die, die dort leben.“ Ein manipulativer Einsatz von Licht, der seit einiger Zeit in Innenräumen als „human centric lighting“ (siehe DAB 10.2016, „Der richtige Rhythmus fürs Auge“) diskutiert wird, liegt ihm fern. Dass Leuchten interaktiv auf Passanten reagieren, hält er allenfalls in abgelegenen Gebieten für sinnvoll. Allein ein Dimmen der Beleuchtung kommt für ihn infrage. Allerdings hat Angerer mit seinen dezenten Lichtkonzepten die Erfahrung gemacht, dass eine meist viel hellere Werbebeleuchtung im Stadtraum dann erst recht stört: „Die Sensibilität, etwa für Blendungen, steigt.“ Hier gibt es Abstimmungsbedarf. Bezeichnend sei aber, dass im Bundesimmissionsschutzgesetz öffentliche Verkehrswege von einer Regulierung störender Einflüsse ausgenommen werden.
Und was denkt der Lichtplaner über die Dunkelheit? Für Helmut Angerer ist das ein schwieriges Thema. Stelle man flächendeckend die in der Norm vorgeschriebene Mindesthelligkeit bereit, sei das „tödlich für jedwede Atmosphäre“. Wer die Vorschrift ignoriere, stehe indes mit einem Fuß im Gefängnis.
Plädoyer für mehr Dunkelheit
Auch Andreas Schulz, Lichtplaner aus Bonn und hierzulande seit 2002 erster Professor für Lighting Design, plädiert für Abrüstung im Lichterwettbewerb. „Investoren meinen, sie müssten sich über Licht definieren.“ Doch das ist zu kurz gedacht. Mit dem 30-Mann-Büro „Licht Kunst Licht“ – derzeit das größte Lichtplanungsbüro Deutschlands – bleibt Schulz, 59, erfrischend unabhängig.
Beteiligt an der Planung des Berliner House of One (siehe DAB 12.2016, „Drei-Einigkeit“), eines interreligiösen Modellprojekts, sagt er: „Man kann es nur falsch beleuchten.“ Er möchte die Architektur von Kuehn Malvezzi „in angemessener Stille stehen lassen“ und gar nicht beleuchten. Berlin sei ohnehin noch relativ dunkel. Nach EU-Norm müsste es eigentlich doppelt so hell strahlen. Doch Schulz sitzt im Lichtbeirat von Senatsbaudirektorin Regula Lüscher und setzt sich dafür ein, dass die Stimmung in der Stadt gedämpft bleibt.
Vor zwanzig Jahren belichtete er mit Axel Schultes und Stephan Braunfels das „Band des Bundes“. Gestand er dem medial präsenten Bundeskanzleramt mit Spotlights an der geschwungenen Untersicht der zentralen Dachfläche eine poetische Leuchtkraft zu – mit dem Bezug zu Schinkels Sternenhimmel-Szenografie zur Zauberflöte – , so verhinderte er, dass das „Band“ durch weitere Licht-Opulenz „zerfällt“. Die Gebäude sollen nicht angestrahlt werden, sondern von innen leuchten. „So gibt es eine Tagwirkung und eine Nachtwirkung.“
Diesem Prinzip bleibt Schulz treu: „Wir wehren das Anstrahlen häufig ab.“ Derzeit plant er mit Barkow Leibinger ein Gebäude an der Spree. Relativ niedrig, aber 130 Meter lang, besitzt es eine starke Präsenz im Landschaftsraum. Hier verwarf Schulz die vorhandene Idee der externen Total-Illumination und setzt ebenfalls auf ein Leuchten von innen. Indem die Betondecken diffus angestrahlt werden, breite sich innen wie außen ein angenehmes Licht aus. Notiz am Rande: Hier wird die Konzernzentrale der Deutschen Bahn einziehen, der es im Helmut-Jahn-Turm am Potsdamer Platz zu teuer geworden ist – auch wegen der immensen Nebenkosten für die üppige Beleuchtung des Gebäudes.
Anders handhabte es der Lichtplaner indes bei der Gestaltung des Richard-Wagner-Platzes in Leipzig. Hier war 2012 die charakteristische Fassade der „Blechbüchse“ (ehemals Konsument-Warenhaus) nach Bürgerprotesten rekonstruiert und als Signet eines neuen Einkaufszentrums verwendet worden. Von wenigen Lichtmasten aus tauchen Projektoren das stromlinienförmige Gebäude konturenscharf in „einen Hauch von Licht“ (Schulz).
Generell möchte Schulz heruntergehen mit den Leuchtstärken und der Farbtemperatur: „Bei der Umstellung herkömmlicher Beleuchtung auf LED-Technik sind ein paar Sachen verloren gegangen.“ Am Anfang waren die LED-Lampen „brutal weiß“ und „extrem kalt“, was nebenbei auch medizinische Implikationen für den Schlaf-wach-Rhythmus habe. Dies ändere sich nun langsam. Warmtonige Beleuchtung hält Schulz auch im Straßenraum für richtig. Und generell ist es zudem in Innenräumen oft zu hell: In einer Musterfiliale für einen Discounter erprobt das Büro gerade die Reduktion der Lichtpunkte um dreißig Prozent. Dies wird sich nicht nur in der Shop-Psychologie, sondern auch in den Energiekosten niederschlagen, die bei großen kommerziellen Gebäuden nicht zu vernachlässigen sind.
Honorarfrage ungeklärt
Beide Lichtplaner haben gut zu tun und sehen ihre Branche allgemein im Aufschwung. Während „die Sensibilität für Lichtfragen steigt“ (Angerer), handele es sich doch um „eine komische Zunft“ (Schulz): Da weder Honorare – sie liegen bei anspruchsvollen Gebäuden zwischen drei und zehn Prozent der Bausumme – noch Zuständigkeiten geregelt sind, gibt es eine „große Bandbreite“ (Angerer) in diesem „inflationär wachsenden Planungsmarkt“ (Schulz). Beide sehen sich in einer eher dienenden Funktion, die aber der Architektur mit einfachen Mitteln zu mehr Wirkung und dem Stadtraum zu mehr Atmosphäre verhelfen kann.
In einem Brief an die Bayerische Architektenkammer setzte sich Helmut Angerer kürzlich für mehr Lichtkompetenz bei Wettbewerben ein: „In den Protokollen der Preisgerichte findet das Licht keinen Niederschlag. So werden Arbeiten prämiert, die hinsichtlich der Lichtgestaltung jegliche Preiswürdigkeit vermissen lassen.“ Miserable Konzepte ließen sich als Visualisierung in verlockende Bilder verwandeln, und die Umsetzung obliege immer noch überwiegend den betreffenden Stadtwerken und Energieversorgern. „Der Schaden, der durch vermeintlich kostenlose Beratungen der Hersteller entsteht, lässt sich dann für die nächsten Jahrzehnte jede Nacht besichtigen.“
Christoph Gunßer ist freier Fachautor in Bartenstein (Baden-Württemberg)
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