Von Reinhard Eberl-Pacan
Holz ist zu einem beliebten Baustoff geworden – ressourcenschonend und mit einer vielversprechenden Zukunft. Durch die bereits durchgeführten und vorgesehenen Änderungen der Landesbauordnungen in fünf Bundesländern, sollen nun mehrgeschossige Gebäude in Holzbaueise der Gebäudeklasse 4 und 5 gefördert werden. Das ist ein Anfang, alle Hemmnisse sind damit aber noch nicht beseitigt.
Blick zurück
Seit ihrer ersten Veröffentlichung 1960 verknüpft die Musterbauordnung (MBO) – und damit auch die Landesbauordnungen − die Anforderungen an den Feuerwiderstand von Bauteilen mit den Anforderungen an die Brennbarkeit der verwendeten Baustoffe: Bauteile, die feuerbeständig (Feuerwiderstandsfähigkeit F 90) sein müssen, müssen zusätzlich „in den wesentlichen Teilen aus nichtbrennbaren Baustoffen bestehen“. Im Jahr 2002 wurde die MBO um hoch feuerhemmende Bauteile (F 60-B K260) ergänzt, „deren tragende und aussteifende Teile aus brennbaren Baustoffen bestehen (dürfen) und die allseitig eine brandschutztechnisch wirksame Bekleidung aus nichtbrennbaren Baustoffen (Brandschutzbekleidung) und Dämmstoffe aus nichtbrennbaren Baustoffen haben (müssen). Diese Regelungen schließen die Verwendung von Holz für feuerbeständige Bauteile aus und schränken sie für hochfeuerhemmende Bauteile stark ein, da sie gemäß Holzbaurichtlinie gekapselt (K260), das heißt mit Gipskarton- oder Faserzementplatten bekleidet werden müssen. Damit sind die Holzbauteile nicht mehr sichtbar.
Lockerungen in den Landesbauordnungen
Als erstes Bundesland lockerte Baden-Württemberg im März 2015 mit der novellierten „Landesbauordnung für Baden-Württemberg (LBO BW)“ diese enge Verknüpfung. Ein neuer Absatz 3 des § 26 lässt unter bestimmten Voraussetzungen die Verwendung von (sichtbaren) Holzbaustoffen für feuerbeständige und hoch feuerhemmende Bauteile zu (Wortlaut § siehe Infokasten). Damit wurde zugelassen, dass tragende, aussteifende oder raumabschließende Bauteile, wie Decken, Trennwände oder Stützen, die als hoch feuerhemmende Bauteile oder als feuerbeständige Bauteile ausgeführt werden müssen, aus brennbaren Baustoffen (zum Beispiel Holz) ohne (nichtbrennbare) Brandschutzbekleidung bestehen dürfen, soweit die erforderliche Feuerwiderstandsdauer von 60 beziehungsweise 90 Minuten tatsächlich erreicht wird und „Feuer und Rauch nicht über Grenzen von Brand- oder Rauchschutzbereichen, insbesondere Geschosstrennungen, hinweg übertragen werden können“. Dadurch wurde auch bei Gebäuden der Gebäudeklassen (GK) 4 und 5 (über 7 Meter Höhe des obersten Fußbodens) der Holzbau durchgängig ermöglicht.
Seit dem 20. April 2018 ist auch in Berlin im mehrgeschossigem Wohnungs- und Gewerbebau der Einsatz von Holz ohne Abweichung von Bauordnung möglich (Wortlaut § siehe Infokasten). Die Berliner Formulierung ist deutlich kürzer und präziser gefasst als die der vorhergehenden Fassung der Bauordnung. Sie hebt sich auch positiv von der Hamburger Bauordnung ab, die am 1. Mai 2018 in Kraft trat. Allerdings beschränkt der hier geltende Absatz 3 des § 24 die Größe der Nutzungseinheiten (zum Beispiel Wohnungen) und fokussiert stark auf die „massive Holzbauweise“ (Wortlaut § siehe Infokasten). Holzrahmen- oder Holzskelettbauweisen werden so bauordnungsrechtlich von der gewünschten Förderung des Holzbaus ausgeschlossen. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass diese Bauweisen bei sorgfältiger Planung und Ausführung, die vor allem gefährliche Hohlräume in den Holzbauteilen und ihren Anschlüssen vermeiden muss, brandschutztechnisch der Massivbauweise in nichts nachstehen. Hinzu kommt, dass gerade in den norddeutschen Bundesländern der Holzrahmen- und Holzskelettbau häufig bei Einfamilienhäusern und anderen niedrigen Gebäuden zum Einsatz kommt.
Am 7. Juni 2018 trat die Hessische Bauordnung in Kraft, die ebenfalls mit einem neuen Passus die Verwendung brennbarer Baustoffe für Bauteile, die hoch feuerhemmend oder feuerbeständig sein müssen, erleichtern soll (Wortlaut § siehe Infokasten). Der Passus in § 29 (1) Satz 6 verweist dabei auf die gleichzeitig eingeführten Hessische Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (H-VV TB), worin weitere Regelungen zum Holzbau enthalten sind. Nach längerem Hin und Her wird am 1. Januar 2019 nun auch die novellierte Bauordnung Nordrhein-Westfalen in Kraft treten. Sie enthält eine weitere Variante des Absatz 3 zur Erleichterung des Holzbaus, die stark an die Landesbauordnung Baden-Württemberg angelehnt ist (Wortlaut § siehe Infokasten).
Auswirkungen auf die Praxis
Es ist reiner Zufall, in welchem Bundesland gerade ein interessierter Bauherr bei Architekten und Ingenieuren einen mehrgeschossigen Holzbau in Auftrag gibt. An der Grenze zwischen Baden-Württemberg und Bayern können jedoch beispielsweise wenige hundert Meter über die baurechtliche Zulässigkeit eines Holzbaus entscheidend sein. Trotzdem wird jeder bestätigen, dass in Ulm und Neu-Ulm die gleichen Brandgefahren und -ursachen existieren.
Schon bisher hat bei einigen Holzbauprojekten in den „Nicht-Holzbau-Bundesländern“ ein Hinweis auf die bauordnungsrechtlichen Regelungen in Baden-Württemberg zu gewissen Fortschritten bei der Genehmigung von Abweichungen oder Erleichterungen geführt. Dies war insbesondere dann der Fall, wenn, wie in Berlin und in den neuen Bundesländern, für die Prüfung der Brandschutznachweise Prüfingenieure für Brandschutz zuständig waren, die über deutlich mehr Fachkompetenz als viele Mitarbeiter der Bauaufsichtsämter verfügen und damit auch aufgeschlossener sind für neue Ideen und Bauprodukte.
Einschränkungen durch Holzbaurichtlinie
Eine Herausforderung bei Holzbauten nach den Landesbauordnungen Baden-Württemberg, Hessen und künftig auch Nordrhein-Westfalen stellt die Umsetzung der zusätzlichen Anforderung zum Beispiel in der Landesbauordnung Baden-Württemberg § 26 (3), dass „die Bauteile so hergestellt und eingebaut werden (müssen), dass Feuer und Rauch nicht über Grenzen von Brand- oder Rauchschutzbereichen, insbesondere Geschosstrennungen, hinweg übertragen werden können.“ Diese Formulierung stammt ursprünglich aus der „Muster-Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an hoch feuerhemmende Bauteile in Holzbauweise“ (M-HFHHolzR) von 2004, besser bekannt als „Holzbaurichtlinie“. Durch die in der Richtlinie aufgeführten Anforderungen sollen nämlich
- „ein Brennen der tragenden und aussteifenden Holzkonstruktionen,
- die Einleitung von Feuer und Rauch in die Wand- und Deckenbauteile über Fugen, Installationen oder Einbauten sowie eine Brandausbreitung innerhalb dieser Bauteile und
- die Übertragung von Feuer und Rauch über Anschlussfugen von raumabschließenden Bauteilen in angrenzende Nutzungseinheiten oder Räume“
verhindert werden.
Das führt in der Praxis dazu, dass die Anforderung, eine Übertragung von Feuer und Rauch über Grenzen von Brand- oder Rauchschutzbereichen bei Holzbauten zu verhindern, nur durch die Anwendung der Holzbaurichtlinie sicher erfüllt werden kann. Holzbauten der GK 4 und 5 werden daher vielfach weiterhin auf Basis der Holzbaurichtlinie (GK 4) oder einer Erweiterung ihres Anwendungsbereichs auf GK 5 errichtet. Dadurch entfällt jedoch zum Beispiel auf Grund der erforderlichen Kapselung die Möglichkeit, Holzbauteile wie Wände oder Stützen sichtbar in Holz zu belassen.
Probleme mit Bauprodukten
Ein weiteres Hindernis bei der Bauausführung von Gebäuden in Holzbauweise stellen fehlende Übereinstimmungsnachweise und Zulassungen für Bauprodukte wie Türen, Brandschutzklappen oder Abschottungen dar. Für solche „ungeregelte“ Bauprodukte (Bauprodukte, für die es keine Technische Baubestimmung und keine allgemein anerkannte Regel der Technik gibt oder die von Technischen Baubestimmungen wesentlich abweichen) werden die für die Anwendung erforderlichen Übereinstimmungsnachweise (allgemeine bauaufsichtliche Zulassungen ‒ abZ ‒ oder allgemeine bauaufsichtliche Prüfzeugnisse ‒ abP) durch das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) in der Regel nur auf Basis der Musterbauordnung (MBO) erteilt. In der MBO sind allerdings nur feuerbeständige beziehungsweise hoch feuerhemmende Bauteile aus nicht brennbaren oder bekleideten (gekapselten) Baustoffen (beziehungsweise nichtbrennbar gekapselt) enthalten.
Die Zulassungen von Feuer- und Rauchschutzabschlüssen (Brand- oder Rauchschutztüren, Brandschutzklappen) oder Abschottungen für brennbare oder nichtbrennbare Leitungsanlagen (Elektrokabel oder Installationsrohre), die durchaus für den Einsatz in Holzbauteilen geeignet wären, enthalten daher Anforderungen an die umgebenden Bauteile (zum Beispiel Wand oder Decke), die von feuerbeständigen Bauteilen nach Lesart Landesbauordnung Baden-Württemberg nicht erfüllt werden können (zum Beispiel nichtbrennbar zu sein).
Manche Hersteller von Bauprodukten gehen ‒ soweit die Voraussetzungen nach der europäischen Bauproduktenverordnung vorliegen ‒ den Weg über europäische CE-Kennzeichnungen, die sie vorzugweise vom Österreichischen Institut für Bautechnik (ÖIB) ausstellen lassen. Basis einer CE-Kennzeichnung ist eine Europäische Technische Bewertung (European Technical Assessment – ETA), die entweder auf einer „harmonisierten Europäischen Norm“ (hEN) oder einem „Europäischen Bewertungsdokument“ (European Assessment Document – EAD) beruht. Für Bauprodukte, die die CE-Kennzeichnung auf Grund der Bauproduktenverordnung tragen, sind weitere Nachweise nicht mehr erforderlich.
Ein anderer Weg zur einer Erklärung des Anwenders („Herstellers“) eines Bauprodukts zu gelangen, dass er die maßgebenden technischen Regeln und die Anforderung in einer abZ oder in einem abP eingehalten hat (Übereinstimmungserklärung), ist die sogenannte „nichtwesentliche Abweichung“. „Als Übereinstimmung gilt auch eine Abweichung, die nicht wesentlich ist“ heißt es unter anderem im § 21 (1) der Landesbauordnung Baden-Württemberg. Der „Hersteller“ hat also durchaus die Möglichkeit, bei entsprechender Sachkunde und Erfahrung und in Rücksprache mit dem tatsächlichen Hersteller des Bauprodukts (baurechtlich oft „Systemgeber“ genannt) eine Übereinstimmungserklärung auszustellen, wenn nicht alle Vorgaben des Übereinstimmungsnachweises eingehalten sind und diese Abweichung „nicht wesentlich“, das heißt geringfügig ist.
Reinhard Eberl-Pacan ist Architekt und Brandschutzplaner in Berlin
Neue Holzbauregeln in den Bauordnungen der Länder
Mit den Änderungen der Landesbauordnungen soll das Bauen mehrgeschossiger Gebäude in Holzbauweise der Gebäudeklassen 4 und 5 gefördert werden. Wir geben einen Überblick:
Landesbauordnung Baden-Württemberg, in Kraft getreten am 21. November 2017
LBO BW § 26 (3): „Abweichend von Absatz 2 Satz 3 sind tragende oder aussteifende sowie raumabschließende Bauteile, die hoch feuerhemmend oder feuerbeständig sein müssen, aus brennbaren Baustoffen zulässig, wenn die geforderte Feuerwiderstandsdauer nachgewiesen wird und die Bauteile so hergestellt und eingebaut werden, dass Feuer und Rauch nicht über Grenzen von Brand- oder Rauchschutzbereichen, insbesondere Geschosstrennungen, hinweg übertragen werden können.“
Landesbauordnung Berlin, in Kraft getreten am 20. April 2018
BauO Bln § 26 (3): „Abweichend von Absatz 2 Satz 3 sind tragende oder aussteifende sowie raumabschließende Bauteile, die hoch feuerhemmend odermfeuerbeständig sein müssen, in Holzbauweise zulässig, wenn die erforderliche Feuerwiderstandsfähigkeit gewährleistet wird.“
Landesbauordnung Hamburg, in Kraft getreten am 1. Mai 2018
HBauO § 24 (3): „Bei Gebäuden mit einer Höhe nach § 2 Absatz 3 Satz 2 von bis zu 22 m und Nutzungseinheiten mit jeweils nicht mehr als 200 m² und Brandabschnitten von nicht mehr als 800 m² pro Geschoss sind abweichend von Absatz 2 Satz 3 tragende oder aussteifende sowie raumabschließende Bauteile, die hoch feuerhemmend oder feuerbeständig sein müssen, in massiver Holzbauweise zulässig, wenn die geforderte Feuerwiderstandsfähigkeit nachgewiesen wird.“
Landesbauordnung Hessen, in Kraft getreten am 7. Juni 2018
Satz 8: Satz 5 gilt nicht für Wände nach § 33 Abs. 3 Satz 1 (Brandwände) und
Wände nach § 38 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 (Wände von Treppenräumen).“Landesbauordnung Nordrhein-Westfalen, tritt am 1. Januar 2019 in Kraft
BauO NRW § 26 (3): „Abweichend von Absatz 2 Satz 3 sind tragende oder aussteifende sowie raumabschließende Bauteile, die hoch feuerhemmend oder feuerbeständig sein müssen, aus brennbaren Baustoffen zulässig, wenn die geforderte Feuerwiderstandsdauer nachgewiesen wird und die Bauteile so hergestellt und eingebaut werden, dass Feuer und Rauch nicht über Grenzen von Brand- oder Rauchabschnitten, insbesondere Geschosstrennungen, hinweg übertragen werden können.“
Regelwerke
Hessische Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (H-VV TB) (Umsetzung der Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen Ausgabe 2017/1) vom 13. Juni 2018 (StAnz. S. 831)
Verordnung (EU) Nr. 305/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2011 zur Festlegung harmonisierter Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten (EU-BauPVO)
Muster-Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an hochfeuerhemmende Bauteile in Holzbauweise – M-HFHHolzR (Fassung Juli 2004) 1
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