Von Ulrich Sieberath und Jürgen Benitz-Wildenburg
Immobilien aller Art sind inzwischen mehr oder weniger digitalisiert. Angetrieben wird diese Entwicklung von den Vorteilen smarter Technologien: Energieeffizienz, Komfort und Sicherheit. Das wollen immer mehr potenzielle Auftraggeber von Architekten für ihre Bauwerke gewährleisten, bei Eigenheim, Hotel, Büro, Produktionsstätte oder beim mehrgeschossigen Wohnungsbau. Zeit also, sich mit dem Thema intensiver auseinanderzusetzen.
WUNSCHLISTE DER NUTZER
Ob im Wohnungsbau oder Gewerbe: Für Bauherren sind smarte Lösungen aus diesen Gründen interessant:
- Komfort – Bedienung von Licht, Multimedia-/Hausgeräten, Rollläden, Türen sowie Barrierefreihei
- Sicherheit – Einbruch, Überwachung, Rauch-/Brandmelder, Zutrittskontrolle, automatische Unfallmeldung, Wasserrohrbruch etc
- Gesundheit – Luftqualität, Barrierefreiheit, Assistenzsysteme für ältere Mensche
- Energieeffizienz – Regelung und Visualisierung der Heiz-/Kühlenergie und des Stroms
- Immobilienwert – Imageverbesserung und Werterhaltung des Gebäudes
- Kosteneffizienz – einfacheres Management von Wartung und Zutrittsmanagement
Für eine effiziente Planung müssen zunächst die Anforderungen von Bauherren und Nutzern im Gespräch analysiert werden. Hierfür eignen sich der Smart-Home-Taschenplaner und der Fragebogen des Instituts für Gebäudetechnologie (IGT). Diese kostenlosen Planungstools helfen dabei, kein wesentliches Kriterium zu vergessen. Mittlerweile gibt es auch eine große Auswahl an Anbietern und bewährte Systeme, mit denen Kundenwünsche in unterschiedlichen Preissegmenten erfüllt werden können. Ein guter Einstieg sind einfache Smart-Home-Lösungen, die auch lokal und ohne übergeordnetes „Netzwerk“ funktionieren, beispielsweise Fensterkontakte, Bewegungsmelder, Lichtsteuerung oder Kameras für innen und außen als Ergänzung zu einbruchhemmenden Türen oder Fenstern. Bei komplexen Systemen, die an übergeordnete Steuerungen und die Gebäudeautomation angebunden werden, beispielsweise die Kopplung von Fensterkontakten an die Haustechnik, sollte bei der Planung ein Systemintegrator helfen. Diese Dienstleistung wird inzwischen auch vom Elektro- oder Haustechnikplaner angeboten.
Elektronischer Manipulation vorbeugen
Wann immer es um digital vernetzte Lösungen geht, bereitet potenziellen Nutzern das Hacken solcher Systeme Sorge. Wie beim althergebrachten Einbruch dringen die Täter auch im digitalen Zeitalter gerne noch durch Fenster und Türen ins Haus ein. Statt mittels mechanischer Werkzeuge kann das Öffnen jetzt vom Laptop aus erfolgen – und zwar dann, wenn die Bauelemente mit elektromechanischen Verriegelungskomponenten und Berechtigungsmitteln, wie Zutrittskontrollen oder Schlüsselschaltern, ausgestattet sind. Beispiele aus der Autoindustrie zeigen jedoch, dass schlüssellose Systeme ohne Sicherheitssysteme leicht manipulierbar sind.
Doch wie lässt sich die Manipulation von Fenstern und Türen verhindern? Alle elektronischen Komponenten, wie das Lesegerät inklusive der Auswerteeinheit, die Berechtigungsmittel oder der „Chip“, müssen sowohl gegen eine mechanische Manipulation als auch gegen eine Decodierung der Funk- und Übertragungssignale geschützt werden. Die elektronische Verarbeitung der Signale muss deshalb innerhalb des Hauses erfolgen und ausreichend gesichert sein.
Da die Aktualisierung der „Einbruchnorm“ prEN 1627 noch ein bis zwei Jahre dauern wird, erarbeitet das ift Rosenheim gemeinsam mit der Holzforschung Austria (HFA) und Frei Securityzurzeit eine Richtlinie für die Bewertung von Berechtigungsmitteln, Zutrittsberechtigungen, Authentifizierung und Identifizierung (Biometrie). Hierbei werden folgende Funktionen und Bauteile geprüft beziehungsweise bewertet und können nach der ift-Richtlinie EL-02/1 „Bauelemente mit mechatronischen Bauteilen“ ausgeschrieben werden:
- Berechtigungsmittel (credential), wie mechanische und mechatronische Schlüssel sowie elektronische Komponenten (Chipkarte, Batch, Funkfernbedienung, Smartphone etc.), die die zur Freigabe notwendigen Codierungen enthalten
- Zutrittsberechtigung, die feststellen muss, wo und wann ein Erkennungsmerkmal zum Zutritt an Zutrittspunkten berechtigt
- Authentifizierung, bei der die Richtigkeit eines Erkennungsmerkmals bestätigt wird
- Identifizierung, bei der die Identität einer berechtigten Person erkannt wird
- Biometrie, bei der messbare, einzigartige physiologische Merkmale oder persönliche Eigenschaften überprüft und als Erkennungsmerkmal genutzt werden (Fingerabdruck, Hand- oder Gesichtsgeometrie, Retina/Auge, Gesicht, Stimme, Unterschrift- oder Tastaturdynamik usw.)
Um Datenmissbrauch vorzubeugen, ist außerdem der Ort der Datenspeicherung entscheidend. Die Daten sollten nicht an einen externen Server gesendet werden, wie bei Amazons Alexa und anderen Online-Anbietern üblich. Deutlich sicherer sind Systeme, bei denen die Intelligenz im hauseigenen Server oder Steuergerät integriert ist. Zur Datenübermittlung ist nicht zwingend eine Internetverbindung erforderlich. Deshalb ist genau zu überlegen, welches Gerät ins Netzwerk muss. Sinnvoll ist es zudem, das Netzwerk in Gruppen mit unterschiedlichen Rechten zu unterteilen. Gegen den unbefugten Zugriff von außen kann auch ein Virtual Private Network (VPN) schützen. Alle Daten müssen dann durch den „VPN-Tunnel“, auch die Signale von Smartphone oder Tablet, mit denen der Nutzer das Gebäude von unterwegs steuern will.
Neue Unfallgefahren
Durch den maschinellen Antrieb und die elektronischen Steuerungen entstehen zugleich auch neue Gefahren beim Öffnen und Schließen von Fenstern und Türen, wie Fingerquetschungen oder Stoßverletzungen, die baurechtlich bei der Planung und Ausführung zu beachten sind. Aufgrund der Gefahrenlage müssen Bauelemente mit elektrischem Antrieb neben den Anforderungen der Produktnorm auch die der Maschinenrichtlinie (MRL) 2006/42/EG (EN 16005) erfüllen, wobei die Nutzungssicherheit zu gewährleisten ist.
Unfälle können folgende Ursachen haben:
- Unzureichendes Gefahrenbewusstsein durch fehlende Informationen und Kennzeichnungen führt zur Fehlbedienung durch die Nutzer,
- unzulängliche Gefährdungsanalyse vor der Herstellung,
- Montage- und Wartungsfehler,
- zu geringe Fehlersicherheit der Schutzeinrichtungen und Sensoren
- mangelnde Wartung und fehlende Sachkunde bei der Überprüfung der Nutzungssicherheit durch Betreiber und Wartungspersonal.
Vor Inbetriebnahme muss deshalb der Hersteller eine Gefährdungsanalyse inklusive Risikobewertung erstellen, die Maßnahmen zur Verhinderung beziehungsweise Beseitigung von Gefahren enthält. Außerdem muss der Hersteller für die elektrischen Komponenten der Antriebe Nachweise erbringen. Dazu zählen die elektrische Sicherheit, um einen elektrischen Schlag, Brand und Verbrennungen zu vermeiden, sowie die funktionale Sicherheit. Letztere soll gegen ungewollten Betrieb infolge von Software- und Bauteilfehlern schützen. Außerdem sind Transformatoren, Netzteile, Antriebe und Sensoren hinsichtlich der elektromagnetischen Verträglichkeit, der IP-Schutzarten sowie der Wärme- und Feuerbeständigkeit zu prüfen.
Für gute Lösungen sollten beim Erstellen der Gefährdungsanalyse Architekten und Hersteller die notwendigen Schutzmaßnahmen, wie Abdeckung beweglicher Teile, Sensoren, Niedrigenergieantrieb etc., gemeinsam festlegen. Als Planungsgrundlage können Informationen der Antriebshersteller und die Merkblätter vom Verband Fenster und Fassade (VFF), des Zentralverbandes der Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) und des ift Rosenheim genutzt werden.
Hinweispflicht des Architekten
Der Architekt muss die Anforderungen an elektrische Bauelemente sowie die Übergabestellen und Schnittstellen zwischen den Gewerken vorgeben. Hierzu gehört auch die Abstimmung mit dem Auftraggeber, den Behörden oder der Unfallversicherung. In Ausschreibungen sollten folgende Punkte enthalten sein:
- Vorgaben zur Nutzung, zur Risikobewertung und Schutzmaßnahmen,
- Leistungsmerkmale und technische Anforderungen der Bauteile,
- Kabellängen und Verwendung von Leerrohren,
- Definition der Schnittstelle zum Anschlussgewerk „Elektro“,
- Position der Anschlussdose und der elektrischen Bauteile,
- elektrische Anschlusswerte
Dabei ist zwischen einer vollständigen beziehungsweise unvollständigen Maschine zu unterscheiden. Eine vollständige Maschine mit CE-Zeichen sind funktionsfähige Bauteile (Tür, Tor, Fenster mit Antrieb), Sensor und Steuerung im eingebauten Zustand oder ein einbaufertiger Bausatz, beispielsweise ein Fenster mit Antrieb, Sensoren und Steuereinrichtung. Eine unvollständige Maschine kann keine kraftbetätigte Funktion erfüllen, weil eine Komponente fehlt, beispielsweise ein Fenster mit Antrieb, aber ohne Steuerung. Zum Sicherheitskonzept gehört auch die Einweisung des Betreibers inklusive schriftlicher Bestätigung, mit der sich dieser zur Wartung und Instandhaltung verpflichtet.
Die CE-Kennzeichnung erfolgt durch denjenigen, der das kraftbetätigte Bauelement in Verkehr bringt. Dies gilt auch, wenn das vollständige Produkt aus Baugruppen (Tür-/Torfüllung, Rahmen, Antrieb etc.) erst an der Betriebsstelle zu einer funktionsfähigen Einheit zusammengefügt wird. Die Verantwortung für das Beibringen aller Dokumente liegt dann beim „Zusammenbauer“. Der Architekt hat als Beauftragter des Bauherrn eine wichtige Hinweis- und Kontrollfunktion und sollte bereits bei der Ausschreibung diese Zusammenhänge berücksichtigen.
Prof. Ulrich Sieberath ist Leiter des ift Rosenheim, Jürgen Benitz-Wildenburg leitet dort den Bereich Kommunikation
Einen Beitrag zur Sonderschau des ift Rosenheim auf der Messe BAU finden Sie in unserem DABthema BAU
Die Fachinformation FI EL-03/1 „Smart Home mit modernen Bauelementen“ beschreibt anschaulich und kompakt die technischen Grundlagen, den Nutzen und normative Anforderungen für die Planung und den Einsatz von Smart-Home-Systemen für Fenster und Türen. Zahlreiche Tabellen und Checklisten helfen bei der Auswahl geeigneter Systeme und den ersten Schritten in diesen lukrativen Markt.
Kostenvergleich von Smart-Home-Systemanbietern:
Matrix zur Planung und Ausschreibung eleltromechanischer Komponenten (Tabelle 6 aus ift-Richtlinie EL-01/1):
Liste von Smart-Home-Anbietern mit Kontaktdaten zum Download
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