Von Stefan Kreitewolf
Höher, bunter und prächtiger als alle bisher von Menschenhand erbauten Gebäude sollten sie werden. Die Geschichte ist voll von Bauwerken, die nie errichtet wurden. Dennoch überlebten die Ideen ihre Planer, Sie zeugen bis heute von hochfliegenden Träumen, die von der Realität der Baustoffe und Statik eingeholt wurden. Wer die Grenzen des Vorstellbaren verschieben will, stellt die Machbarkeit in den Hintergrund, so wie die porträtierten Planer im „Atlas der nie gebauten Bauwerke“. Und das ist mitunter faszinierend anzusehen.
Die Zeichnungen, Modelle und Skizzen in dem Bildband lassen der Gestaltungsfreude freien Raum und zeigen der Realisierbarkeit den architektonischen Mittelfinger, wie ein Elefant auf der Pariser Champs Élysées beweist.
Ein Elefant am Champs Élysées
Autor Philip Wilkinson beleuchtet den Entwurf aus dem 18.Jahrhundert in Paris am Ende der Champs-Elysées: Anstelle des Triumphbogens sollte ihm zufolge ein begehbarer, mehrere Stockwerke großer Dickhäuter erbaut werden. Dem in Stein zu meißelnden Größenwahn gab Planer Charles François Ribart de Chamoustden den Arbeitstitel „Grand Kiosque à la Gloire du Roi“. Im Inneren des Elefanten wollte der Architekt einen Speisesaal und einen Ballsaal errichten. Die Pläne kamen über die Zeichnung allerdings nicht hinaus.
Auch die 49 weiteren im Buch enthaltenen Entwürfe zeugen von einer bestimmten Geistershaltung. Sie lautet: Alles ist möglich. Nicht anders sind riesenhafte Glaskuppeln über Manhattan, ein 120.000 Menschen fassendes Hyperbuilding oder eine futuristische Unterwassersiedlung zu erklären. Was als „Think Big“ mittlerweile mehr als abgedroschen klingt, wünschen sich Architekten damals wie heute: ihrer Zeit voraus zu sein.
Philip Wilkinson: „Atlas der niegebauten Bauwerke. Eine Geschichte großer Visionen“, dtv Verlagsgesellschaft; 256 Seiten; 30,00 Euro, ISBN 978-3-42-328-9764.
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