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Bürohaus aus Lehm: Alnatura in Darmstadt

Dem Bauen mit Lehm haftet ein Öko-Image an, das viele nicht mit moderner Architektur in Einklang bekommen. Leuchtturmprojekte wie der Neubau für Alnatura in Darmstadt könnten dies ändern

Von: Rosa Grewe
Rosa Grewe begeistert sich besonders für Ideen, die in dichten...

30.04.20198 Min. Kommentar schreiben

Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Architektur aus Aushub“ im Deutschen Architektenblatt 05.2019 erschienen.

Von Rosa Grewe

Christoph Ziegert kommt gerade aus Warka (Uruk) im Irak. Dort hat der Berliner Bauingenieur Lehm konserviert. Eine diffizile Aufgabe, denn der Lehm ist Tausende Jahre alt und stammt von mesopotamischen Tempeln. Genau das ist das Kopfkino, wenn man von Lehm spricht: ein uralter Baustoff, historisch relevant, spirituell aufgeladen, exotisch oder ultra-öko – sicher nicht zeitgemäß. Aber als Vorstand des Dachverbandes Lehmbau kennt Ziegert die genauen Zahlen und widerspricht: „Seit Mitte der 1980er-Jahre verzeichnet die Lehmbauindustrie kontinuierliche Wachstumsraten von jährlich fünf bis zehn Prozent. In der sogenannten nachhaltigen Architektur und der Denkmalpflege ist Lehm als Baustoff wieder völlig normal.“

Mit dem Bewusstsein für Wohngesundheit fragen immer mehr private Bauherren nach Lehmbaustoffen für ihr Haus. Denn die Klimabilanz von Lehm überzeugt, wie Ziegert sagt: „Wir haben eine CO2-Äquivalenz von Lehm zu Kalk-Zement-Putz von fünf Prozent.“ Bei gleicher Menge produziert Lehm also nur einen Bruchteil der CO2-Menge anderer Baustoffe. Lehm ist damit der mit Abstand klimaneutralste Baustoff, bezogen auf den gesamten Lebenszyklus. Daher zog er längst wieder ein in den Wohnungsbau. Die Absatzrenner sind vor allem Lehmputze und Lehmbauplatten. Diese Lehmausbaustoffe sind zwar sehr klima-, aber wenig öffentlichkeitswirksam. Sie integrieren sich unauffällig in einen Neu- oder Sanierungsbau. Auch den mit Lehmsteinen gebauten und verputzten Gebäuden sieht man das Material selten an. Leuchtturmprojekte, die Lehm zum Architekturthema machen, gibt es in Deutschland nur wenige.

Eines davon ist der Neubau der Alnatura-Hauptzentrale in Darmstadt, bis 2018 von haas cook zemmrich STUDIO2050 gebaut. Der Bauherr wollte ein offenes, lichtes Bürogebäude, das „im Einklang mit den großen Fragen der Nachhaltigkeit“ steht. Entstanden ist eine dreigeschossige Halle in Ost-West-Ausrichtung mit einer Konstruktion aus Stahlbeton, Holzbindern und Stampflehmsteinen. Im Halleninneren verteilen sich 13.500 Quadratmeter Arbeitsfläche auf offene Galerien. Der Baustoff Lehm war nicht Entwurfsidee, sondern resultierte aus dem Wunsch nach nachhaltigen Baustoffen und einer Minimierung der Gebäudetechnik bei gleichzeitig sehr hohen akustischen und raumklimatischen Anforderungen. Außerdem ließ sich Lehm teilweise über den Aushub von Stuttgart 21 als Abfallprodukt beziehen. Dazu kommt, dass die Lehmfassade dem Öko-Image des Unternehmens entspricht.

Die Architekten holten sich für diese komplexe Bauaufgabe renommierte Fachplaner dazu, die Statiker von Knippers Helbig, die Klimaingenieure von Transsolar und den wohl bekanntesten Lehmbauexperten Europas, Martin Rauch, der mit zeitgenössischer Stampflehmarchitektur wie dem Ricola-Kräuterzentrum von Herzog & de Meuron auch international bekannt wurde.

Schicker Kompromiss: Um die gewünschte Außen- wie Innenwirkung zu erreichen, setzen die Architekten auf Lehm, Holz und Stahlbeton.

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