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Tragend mit Lehm

26.04.20195 Min. Kommentar schreiben

Mit sehr großem Interesse habe ich Ihr Interview zum modernen Lehmbau gelesen. Ich finde es überaus positiv, dass sich der Fachbereich Tragwerksplanung der TU Dresden unter der Leitung von Prof. Dr. Wolfram Jäger der technischen Forschung am tragenden Lehmmauerwerksbau widmet. Es ist auch sehr zu begrüßen, dass es der TU Dresden gelungen ist, beim Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat Gelder für die Forschungen am Tragverhalten, Brand-/ Wärme- und Schallschutz des tragenden Lehmmauerwerksbau einzuwerben. Etwas überrascht hat mich lediglich die Bezeichnung Musterbau bzw. Pilotprojekt in Ihrem Artikel. Dies könnte beim Leser ein wenig den Eindruck hinterlassen, als wären bisher noch keine tragenden Lehmmauerwerksbauten realisiert worden.

Im Zeitraum von 1996 bis 2000 habe ich als Architekt im Planungsbüro Discher und Partner Magdeburg mit dem Kindergartenanbau in Gnadau, einem Wohnhaus in Frankfurt und einem Einfamilienhaus in Glindenberg, drei Projekte in tragender Lehmmauerwerksbauweise realisiert, die bis zum heutigen Tage ihre Praxistauglichkeit nachhaltig unter Beweis gestellt haben. Nach meinem Kenntnisstand bin ich der einzige Architekt in Deutschland, der in den letzten Jahrzehnten Gebäude in dieser Bauart geplant und errichtet hat.

Unter den Projekten befindet sich ein im Jahre 1998 in Frankfurt-Schwanheim erbautes zweigeschossiges Wohnhaus mit einer Giebelhöhe von fast 11 m. Dieses Gebäude ist damit ein praktischer Beleg für die in Ihrem Artikel getroffene Aussage, dass mehrgeschossige tragende Lehmmauerwerksbauten der Gebäudeklasse 4 bis zu einer Höhe von 13 m möglich sind. Beim Schwanheimer Lehmhaus sind alle Außen- und Innenwände statisch belastet und sorgen im Verbund mit Brettstapeldecken für das statische Gefüge im Gebäude. Die Innenseiten der Lehmwände des Schwanheimer Lehmhauses sind mit einem zweilagigen Lehmputz und die Außenseiten mit einem zweilagigen Marmorkalkputz belegt worden. Das 36 cm mächtige Lehmmauerwerk reichte aus, um die damaligen Anforderungen im Wärmeschutz zu erfüllen. Dieses, wie auch die beiden anderen tragenden Lehmmauerwerksbauten, die ich entworfen habe, sind mit industriell gefertigten Hochloch- und Massivlehmsteinen und Lehmmörtel der Firma eiwa Lehmbaustoffe in Biesterschied gebaut worden. Entwickler der Lehmsteine ist Waldemar Eider, der bereits 1996 den Umweltpreis und 1998 und 1999 den Innovationspreis für seine Baustoffentwicklungen im Lehmbau erhielt. Waldemar Eider konnte, mit im Forschungs- und Prüfinstitut Steine und Erden in Karlsruhe durchgeführten Druckfestigkeitsprüfungen die Tragfähigkeit seiner Lehmsteine bereits 1995/96 nachweisen.

Das Schwanheimer Lehmhaus wurde 2000/2001 von Günter zu Nieden und Christof Ziegert in ihrem Buch „Neue Lehmhäuser International“ Projektbeispiele auf Seite 115 veröffentlicht. Prof. Dr. Ziegert, heute Honorarprofessor an der FH Potsdam und Geschäftsführer der ZRS Architekten und Ingenieure Berlin, hat das Projekt während seiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Berlin im Fachbereich Architektur, Tragwerksplanung und Baukonstruktion unter der Leitung von Prof. Dr. Klaus Dierks begleitet und weitere Eignungsprüfungen an den Lehmsteinen der Firma eiwa durchführen lassen. Im Rahmen einer Vorlesungsreihe zum Lehmbau gaben mir Prof. Dr. Klaus Dierks und Prof. Dr. Christof Ziegert die Gelegenheit 1999 das Projekt Schwanheimer Lehmhaus und den Kindergartenanbau Gnadau ca. 300 Studenten an der TU Berlin vorzustellen.

Für die Tragwerksplanung aller drei von mir entworfenen Lehmmauerwerksbauten konnte ich Matthias Brickert als damaligen Mitarbeiter der KGS Ingenieure Hildesheim unter der Anleitung des Büroinhabers Prof. Dr.-Ing. Martin Kessels gewinnen. Die Architektur- und Tragwerksplanung stütze sich bei meinen Projekten auf die für den Lehmbau von 1947 bis 1955 vom Deutschen Normenausschuss erlassenen DIN-Normen (siehe Anlage). Diese Normen wurden zwar alle 1971 vom Deutschen Normenausschuss zurück gezogen, galten aber nach wie vor als Stand der Technik. Insofern bedurfte es für meine Lehmmauerwerksbauten bei den bauordnungsrechtlichen Genehmigungsverfahren keiner Zustimmung im Einzelfall durch die oberste Bauaufsicht.

Bei meinem ersten im Jahre 1996 umgesetzten Lehmmauerwerksbau in Gnadau bei Schönebeck, war die Sächsische Herrnhuter Brüderunität der Bauherr. Es handelt sich um einen zweigeschossigen Kindergartenanbau. Das tragende Lehmaussenmauerwerk aus 24 bzw. 36 cm starken Hochlochlehmsteinen wird dabei von einem Tonnendach aus Leimbindern überspannt. Die architektonische Idee, dem Baukörper die Gestalt eines Güterwagons zu geben, der auf einem Abstellgleis im Innenhof der Gnadauer Anstalten steht, entstand daraus, dass Gnadau zu den ältesten Eisenbahnhaltepunkten in Deutschland gehört. Das nahm Bezug auf die Tatsache, dass Gnadau einst noch größere Bedeutung im Eisenbahnfernverkehr hatte. Das Lehmmauerwerk wurde innenseitig mit Lehmputz belegt und auf der Außenseite mit einer Lärchenholzschalung verkleidet. Für das Anbringen der Unterkonstruktion der Lärchenholzschalung wurden Einklebedübel verwendet, deren Belastungsfähigkeit zuvor über Ausreißversuche, getestet wurden.

1999/2000 habe ich mir und meiner Familie dann schließlich selbst ein Einfamilienhaus in Lehmmauerwerksbauweise errichtet, in welchem ich auch wohne. Bei diesem Projekt wurden dann Massivlehmsteine der Firma eiwa für das tragenden Innen- und Außenmauerwerk verwendet und mit Trasskalkmörtel vermauert. Die Außenfassade erhielt ein Wärmedämmverbundsystem aus Schilfrohrplatten und Trasskalkputz.

Abschließend möchte ich mich bei Ihnen bedanken, dass Sie mit Ihrem Artikel zum tragenden Lehmmauerwerksbau dem Leser eine altbewährte Bauweise der Deutschen Architektenschaft näher gebracht haben. Das war auch vor 20 Jahren mein Grundanliegen und meine Motivation, die benannten Lehmbauprojekte zu entwickeln. Mein beruflicher Werdegang hat mich dann allerdings 2001 zum Hochbauamt der Landeshauptstadt Magdeburg geführt, wo ich am Aufbau eines Kommunales Gebäudemanagements mitgewirkt habe. Seit 2004 bin Geschäftsbereichsleiter für das Technische Gebäudemanagement im Eigenbetrieb Kommunales Gebäudemanagement.

Thomas Schlenker ist Architekt und Baubiologe in Magdeburg

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