Von Nils Ballhausen
Wolfgang Bachmann hat sich etwas von der Seele geschrieben. Der ehemalige Bauwelt-Redakteur und spätere Chefredakteur des Baumeister hat über drei Jahrzehnte als Architekturkritiker gearbeitet. Oder sollte man besser sagen: Er hat diese Zeit erlitten? Bachmann gehört jedenfalls zu einer kleinen Gruppe Menschen, die die Innereien der deutschen Architekturfachpresse und ihre Verlagslandschaft sehr gut kennen. Als Autor gehört er zu den Originellen, Feinsinnigen, Kompetenten, Glaubwürdigen und Lustigen. Wenn so einer heute eine „fiktive Erzählung mit frei erfundener Handlung und frei erfundenen Charakteren“ schreibt, wie es juristisch wasserdicht vorangestellt ist, dann darf man getrost vermuten, dass alles mindestens genau so stattgefunden hat.
Worum geht es? Der Protagonist Jasper Hartmann ist Chefredakteur der Architekturzeitschrift BauWerk und hat einen neuen Verlagsleiter vorgesetzt bekommen. Die Zeiten sicherer Marktanteile und Anzeigenerlöse sind vorüber, es geht an die Existenz. „Kübler ist ein Arschloch“, lautet der erste Satz in dieser Farce. Weil Kübler, der alerte Verlagsleiter, keine Ahnung von Architektur hat. Weil Kübler weder Sinn noch Zweck fundierter Architekturkritik begreift. Weil in Küblers Schädel nur Bilanzen herumschwirren. Weil Kübler windige Unternehmensberater engagiert, die gestandenen Blattmachern mit Marketing-Phrasen erklären wollen, wie der „Content“ künftig auszusehen hat, damit er verkäuflicher wird. Als in einem Strategieseminar wieder einmal die Insolvenz verhindert werden soll, kommt es zum Showdown zwischen den beiden Welten: Hier die von der Relevanz ihrer Arbeit überzeugten Redakteure, dort die Betriebswirte, die glauben, ein Verlag sei auch nicht anders zu managen als eine Klopapierfabrik.
Die Figuren sind entweder als Knallchargen gezeichnet (Küblers Leute) oder als Urviecher mit gesundem Menschenverstand (die Redakteure); als Nebenfiguren tauchen ein paar wankelmütige Mitläufer auf, die Komplikationen verursachen. Innere Überzeugungen und Motive bekommen wir nur vom Protagonisten Hartmann geschildert, ansonsten bleibt das Personal skizzenhaft, schwarzweiß – und deswegen unterhaltsam wie ein gutes Bauerntheater.
Doch Bachmann geht es nicht um den Klamauk. Wer selbst die tiefgreifenden Veränderungen der Presselandschaft durch die digitalen Medien von innen erlebt hat, versteht seine Andeutungen und erkennt leicht die realen Typen. Und die Architektenschaft, die Zielgruppe, die Stützen des Geschäftsmodells Architekturfachzeitschrift? Ihnen öffnet der Autor ein Fenster, durch das sie einen Blick auf die aktuellen Konfliktlinien in Zeitschriftenverlagen werfen können, wo unternehmerische Panikreaktionen mitunter die letzten Reste journalistischen Anstands bedrohen und zwischen Journalismus und Anzeigenumfeld kaum mehr unterschieden wird. Wolfgang Bachmann spottet lieber statt zu klagen. Und das Ende? In diesem Buch ist es offen.
Wolfgang Bachmann
Alles Geier! Eine Farce über Architektur, eine Zeitschrift und einen Verlag
Av Edition, Stuttgart, 2019
159 Seiten, 19,00 Euro
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