Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Schattenspender & Stromerzeuger“ im Deutschen Architektenblatt 06.2019 erschienen.
Von Manfred Starlinger
Photovoltaik wandelt Sonnenstrahlung direkt, lautlos und vollkommen emissionsfrei in elektrischen Strom um. Ein großartiger Zusatzeffekt ist die Skalierbarkeit dieser Technik. Während herkömmliche Standardmodule wenig ansprechend wirken, birgt die Bauwerkintegrierte Photovoltaik – kurz BIPV – ein hohes gestalterisches Potenzial, das zur dauerhaften Visitenkarte eines Gebäudes werden kann. Die Produkte haben ihre Langlebigkeit längst unter Beweis gestellt. Zwar verlieren die Module im Lauf der Zeit an Leistung, aber die Hersteller garantieren nach 20 Jahren immer noch 80 Prozent. Zukunftsorientierte Anwendungen erfordern, das PV-Modul als Bauelement zu begreifen, das mit der gleichen Selbstverständlichkeit wie traditionelle Baumaterialien eingesetzt wird. Zeitgemäße BIPV übernimmt zudem Zusatzaufgaben. Ein prominentes Beispiel ist die Anwendung als vorgehängte, hinterlüftete Fassade. Aber auch im Zusammenspiel mit anderen Funktionen, wie dem Sonnenschutz, sind spannende Lösungen möglich.
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Was BIPV-Module heute leisten
Für Fassaden finden fast ausschließlich Spezialmodule Verwendung, die in Größe, Design und Aufbau flexibel sind. Kristalline Technik, mono- oder polykristallin, dominiert. Gängige Zellgrößen mit 156 Millimetern Kantenlänge werden zu Modullayouts laminiert und bilden als Glas-Folien- oder Glas-Glas-Modul gut handhabbare Elemente. Während Glas-Folien-Module zum Teil leicht milchig erscheinen, sind Glas-Glas-Module vollkommen klar und durchsichtig. Deshalb werden sie auch am häufigsten eingesetzt. Außerdem erfüllen sie aufgrund des VSG-Verbundes die baurechtlichen Anforderungen für den Einsatz an Fassaden besser (abZ, ZiE, Resttragverhalten, Brandschutzvorschriften etc.). Von Vorteil ist auch die witterungsgeschützte Lage der Solarzellen, deren ohnehin hohe Lebensdauer sich so noch verlängert. Eisenarme und gehärtete Frontgläser erhöhen zudem die Stabilität und Transparenz und somit auch die Stromausbeute. Perforierte Solarzellen ermöglichen Durchsicht und dämpfen die Schlagschattenwirkung, verbessern also deutlich den visuellen Komfort.
Solarzellen in verschiedenen Farben
Außerdem können die Solarzellen in verschiedenen Farben hergestellt werden; Farbfolieneinlagen oder bedruckte Gläser vergrößern den gestalterischen Spielraum zusätzlich. Der oftmals als Nachteil empfundenen dunklen Optik kristalliner Solarmodule versucht man aktuell durch sehr dünne Farbaufträge im Sieb- oder Digitaldruck auf dem Frontglas zu begegnen. Diese Farbschichten kaschieren die Solarzellen. Je nach Farbwahl und Schichtstärke reduziert sich der Wirkungsgrad um zehn bis 30 Prozent, allerdings zugunsten neuer gestalterischer Spielräume.
Technologien bei der Photovoltaik
Neben der kristallinen Zelltechnik etablierte sich in den vergangenen Jahren die Dünnschicht-Technologie. Diese zeichnet sich durch ein homogenes optisches Erscheinungsbild aus. Bei der Wahl der Solarmodule ist zu berücksichtigen: Während die kristalline Technik Wirkungsgrade von bis zu 20 Prozent erzielt, erreichen selbst leistungsstarke Dünnschichtmodule (CIS, CIGS) nur etwa 13 Prozent. Ihre Herstellung erfordert im Vergleich zur kristallinen Technik jedoch deutlich weniger Material. Weiterhin zeichnet sich die Technologie durch leichte Applizierbarkeit auf diversen Trägermaterialien, geringes Gewicht, bessere Verwertung von diffusem Licht und Erzielung von Teiltransparenzen aus. Solche Eigenschaften besitzen auch Solarzellen, die aus organischen Materialien (OPV) bestehen – eine weitere vielversprechende Technologie. Zurzeit werden Wirkungsgrade von jedoch nur drei bis maximal fünf Prozent erreicht.
Verschattung, Kabelführung, Blitzschutz
Allen BIPV-Fassadenlösungen ist gemein, dass sich Abmessungen am Gebäuderaster orientieren und damit Spezialmodule erfordern. Diese werden in der Regel rahmenlos hergestellt und über filigrane Metall-Unterkonstruktionen aufgenommen. Bei der Planung sind die Ertragseinbußen durch Modulverschattungen zu berücksichtigen. Sie sollten entweder vermieden oder durch ein optimiertes elektrisches Konzept auf ein Minimum reduziert werden. Beispielsweise ist darauf zu achten, dass nicht verschattete Module miteinander verschaltet werden. Außerdem sind mittlerweile Leistungsoptimierer verfügbar, die Verschattungen bereits auf Modulebene entgegenwirken. Weiterhin sind verdeckte Kabelführungen ebenso zu bedenken wie die Einbindung des Blitzschutzes sowie ein leichter Zugang zu allen Wartungskomponenten.
Starre oder bewegliche Photovoltaik-Anlagen
Im Vorfeld ist zu überlegen, ob die Anlage starr oder beweglich installiert werden soll. Starre Anlagen können nicht auf wechselnde Himmelszustände reagieren und sind daher immer ein Kompromiss zwischen mäßigem Sonnenschutz, verminderter PV-Stromgewinnung und einer unbefriedigenden Tageslichtregulierung. Bewegliche Anlagen folgen dagegen dem Sonnenstand. Dafür sorgen fassadentaugliche, langlebige Motoren, kombiniert mit parametrierbaren Steuerungen. So werden Energie- und Lichtflüsse nutzergerecht gesteuert. Für eine gelungene Solararchitektur, die die Handschrift des Architekten nicht verwässert, empfiehlt es sich, frühzeitig Fachplaner und Modulhersteller zu konsultieren. Interessenten finden zum Beispiel über die „Allianz BIPV“ einen breit aufgestellten Kreis von Fachplanern, einschlägigen Instituten und Herstellern.
Photovoltaik-Lösungen mit kombiniertem Sonnenschutz
In Warmfassaden integriert
Die Frontscheibe einer gängigen Wärmeschutzverglasung wird hier durch einen VSG-Verbund ersetzt, der im laminierten Bereich die Solarzelle aufnimmt. Die Handhabung dieser sogenannten PV-ISO-Gläser ist vergleichbar mit einer normalen Verglasung, die Wirkung ähnelt der einer Sonnenschutzverglasung. Es sind bis zu 5,4 mal 2,4 Meter große Formate möglich. Eingesetzt werden in der Regel kristalline Module, da die Abstände zwischen den quadratischen Zellen flexibel gestaltbar sind. Die Größe und Ausprägung der Zellenzwischenräume, transparent oder transluzent, bestimmt die mögliche Tagesbelichtung. Diese ist nicht steuerbar. Da die Leistung der Solarzellen mit steigender Temperatur sinkt, liegt die Effizienz der PV-ISO-Gläser einige Prozentpunkte hinter frei belüfteten Konstruktionen. Die erforderlichen Anschlussleitungen werden üblicherweise verdeckt in der Pfosten-Riegel-Fassade geführt.
Als Vordachkonstruktionen
Diese können starr sein oder beweglich dem Sonnenstand nachgeführt. Bei beweglichen Konstruktionen rotiert entweder das gesamte Modul oder das Vordach selbst ist in einzelne drehbare Lamellen unterteilt. Bei beiden Varianten bestimmt auch hier wieder die Anordnung der Solarzellen die Belichtung und PV-Leistung, die aufgrund der stets gegebenen Hinterlüftung respektabel ist. Je nach Standort und Ausrichtung ermöglichen nachgeführte PV-Vordachlösungen Mehrerträge von bis zu 20 Prozent.
Als Schiebeladen
Diese etagenhohen und parallel zur Fassade ausgerichteten Elemente sind in der Regel auf der Rückseite mit Farbfolien oder einer Siebbedruckung ausgestattet. Das ermöglicht eine projektbezogene Gestaltung und Einstellung von Strahlungs- und Lichtdurchgang. Mehrlagige Schiebeladensysteme zeigen ein aktives Frontmodul und energetisch passive Zusatzpaneele. Im „Parkzustand“ – bei diffusem Himmel – ist das Frontpaneel immer noch dem Himmel zugewandt, während die anderen Paneele voll verschattet hinter diesem geparkt sind. Die vertikale Position führt im Vergleich zu horizontal angewinkelten PV-Elementen zu Ertragseinbußen von bis zu 30 Prozent, die sich aber aufgrund der Hinterlüftung wieder etwas reduzieren.
Als nachgeführtes Segment
Glasfassaden runder Gebäude müssten eigentlich auch rundherum beschattet werden, da die Sonne ihre Bahn von Nordost über den Süden nach Nordwest zieht. Statt dieser materialintensiven Lösung besteht alternativ die Möglichkeit, nur ein Kreissegment zu beschatten, das der Sonne folgt. Vorbildlich realisiert wurde dieses Konzept als Low-Budget-Option erstmals an der EWE-Arena in Oldenburg. Hier wurde ein sechs Meter hoher und 39 Meter langer Wandschirm im oberen Teil mit acht PV-Modulen bestückt. Auf Stahlschienen gelagert, folgt die Anlage dem Sonnenstand und bewegt sich im halbstündlichen Rhythmus schrittweise um 7,5 Grad entlang der südlichen Hallenhälfte. Neben der Stromerzeugung von knapp 22.000 Kilowattstunden jährlich, wird zugleich das dahinterliegende Foyer weitgehend blendfrei beschattet. Tagsüber herrschen hier ausgeglichene Lichtverhältnisse durch natürliches Tageslicht. Bei der elektrischen Verschaltung segmentartig angeordneter Module ist unbedingt deren variierende Sonnenbestrahlung zu berücksichtigen, um Mindererträgen vorzubeugen. Ein Folgeprojekt konnte an einer Schule in Doha mit schuppenartig angeordneten Modulen realisiert werden. Wichtig war hier die Vermeidung von Teilverschattungen.
Als Lamellensystem
Der weitaus größte Teil realisierter BIPV-Lösungen in Verbindung mit Sonnenschutz wurde bis dato mittels Lamellensystemen umgesetzt. Den effektivsten Sonnenschutz mit hohen Stromerträgen bieten hier horizontale PV-Lamellen. Eingesetzt werden vornehmlich kristalline Module in gängiger Glas-Glas-Technik. Ein typisches Layout weist in etwa zwei Dritteln Zellenbelegung auf. Das obere Drittel einer horizontalen Lamelle wird dabei entweder gezielt transparent oder transluzent (siebbedruckt) gehalten. Dies dient einerseits der Tageslichtzufuhr bei geschlossenem System und wirkt andererseits der Eigenbeschattung der Solarzellen entgegen, was der schuppenförmigen Anordnung speziell bei höherem Sonnenstand geschuldet ist.
Ing. Dipl.-Phys. Manfred Starlinger ist Inhaber des Planungsbüros für energetisch aktive und passive (Sekundär-) Fassaden ims Ingenieurleistungen und Mitglied der Allianz BIPV