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FAQ zum HOAI-Urteil des EuGH

Der Europäische Gerichtshof hält die in der Praxis erprobten verbindlichen Mindest- und Höchstsätze der HOAI für EU-rechtswidrig. Die Antworten der Bundesarchitektenkammer auf die wichtigsten Fragen

04.07.201910 Min. Kommentar schreiben

1. Was genau hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) zur HOAI eigentlich entschieden?

Der EuGH hat lediglich festgestellt, dass das Verbot, die Mindest- und Höchstsätze der HOAI zu unter- beziehungsweise zu überschreiten, mit EU-Recht nicht vereinbar ist. Mehr nicht. Im Übrigen wird die HOAI nicht beanstandet. Weder die Leistungsbilder noch die Honorartabellen als solche stehen zur Diskussion. Im Gegenteil: Preisorientierungen beziehungsweise staatliche Richtpreise werden durchaus für sinnvoll gehalten. Aus EU-rechtlicher Sicht kann die HOAI somit im Grundsatz unverändert erhalten bleiben. Eine Modifikation ist ausschließlich dahingehend erforderlich, dass die Verpflichtung abgeschafft werden muss, Honorare zwischen den Mindest- und Höchstsätzen zu vereinbaren. Unterschreitungen, ebenso aber auch Überschreitungen, sind damit zukünftig zulässig.

Trotz dieses Ergebnisses ist anzumerken, dass der EuGH die Eignung der verbindlichen HOAI-Mindestsätze als Beitrag zur Qualitätssicherung und zum Verbraucherschutz grundsätzlich anerkannt hat. Das deutsche System sei aber nicht in sich stimmig, da Planungsleistungen auch von Personen erbracht werden dürfen, die nicht einem reglementierten Beruf unterliegen und keine fachliche Eignung nachweisen müssen.

2. Betrifft das Urteil des EuGH nur grenzüberschreitende Fälle?

Im Rahmen eines anderen Verfahrens hat der EuGH im Januar 2018 klargestellt, dass die europäischen Regelungen der Dienstleistungsrichtlinie zu Mindest- und Höchsttarifen auch auf Fälle anwendbar sind, bei denen alle Vertragspartner im Inland ansässig sind (Urteil vom 30. Januar 2018, Az.: Rs. C-31/16). Auch im Rahmen des HOAI-Vertragsverletzungsverfahrens ist der EuGH nicht zu einer anderen Entscheidung gelangt.

3. Tritt die Verbindlichkeit der HOAI-Mindest- und Höchstsätze nach dem EuGH-Urteil sofort außer Kraft oder gilt sie noch, solange die HOAI in ihrer jetzigen Fassung fortbesteht?

Aufgrund des EuGH Urteils hat Deutschland die Pflicht, das Verbot der Unterschreitung der Mindestsätze beziehungsweise Überschreitung der Höchstsätze so schnell wie möglich aufzuheben. Üblicherweise kann dies bis zu einem Jahr dauern. Die Frage, ob bis dahin noch eine Berufung auf die Mindest und Höchstsätze möglich ist, wird bislang unterschiedlich beurteilt: Während einerseits vertreten wird, das EuGH-Urteil habe ohne gesetzliche Umsetzung keine Auswirkungen auf die nationale Rechtslage, weshalb das zwingende Preisrecht zunächst fortbestehe und anzuwenden sei (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 23. Juli 2019, Az.: 21 U 24/18), argumentieren andere, der Anwendungsvorrang des Unionsrechts verbiete es den Gerichten, die als unionsrechtswidrig erkannte Regelung noch weiter zur Entscheidungsfindung heranzuziehen (vgl. OLG Celle, Urteile vom 17. Juli 2019, Az.: 14 U 188/18 und vom 23. Juli 2019, Az.: 14 U 182/18). Insoweit bleibt eine höchstrichterliche Klärung abzuwarten; entsprechende Honorarprozesse sind daher aktuell zumindest mit erheblichen Unwägbarkeiten behaftet.

4. Was passiert mit einem vor der EuGH-Entscheidung abgeschlossenen Vertrag, bei dem ein Honorar unterhalb der Mindest- oder oberhalb der Höchstsätze vereinbart wurde?

Zunächst ist festzuhalten, dass der Vertrag wirksam und hinsichtlich der Hauptleistungs- und Nebenpflichten unberührt bleibt. Einem Vertrag, bei dem die Honorarvereinbarung zu einer Unter- oder Überschreitung der HOAI-Mindest- beziehungsweise -Höchstsätze führt, wird eine bezifferte oder bezifferbare Vergütung zugrunde liegen. Hier sind im Wesentlichen folgende Fälle denkbar:

  • Architekt und Auftraggeber haben ein konkret beziffertes oder bezifferbares Honorar vereinbart (zum Beispiel Festpreis oder Stundensatz), das unterhalb der HOAI-Mindestsätze liegt. Beruft sich der Architekt auf die Mindestsätze, besteht das Risiko, dass ein Gericht die Klage unter Hinweis auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts beziehungsweise das Prinzip unionsrechtskonformer Auslegung der nationalen Gesetze (s.o. OLG Celle) abweist. Es würde dann also der Grundsatz greifen: Vertrag ist Vertrag. Das entsprechende Risiko besteht auch bei noch nicht endgültig wirksam abgerechneten Stufen im Rahmen eines Stufenvertrages.
  • Gleiches dürfte für den Fall einer Höchstsatzüberschreitung gelten, auf die der Auftraggeber sich beruft. Auch hier wird ein Gericht womöglich keine Reduzierung des Honorars vornehmen.

5. Was passiert mit einem vor der EuGH-Entscheidung abgeschlossenen Vertrag, bei dem mündlich oder formunwirksam ein Honorar innerhalb oder außerhalb der Mindest- und Höchstsätze vereinbart wurde?

Der EuGH hat lediglich festgestellt, dass das Verbot, die Mindest- und Höchstsätze der HOAI zu unter- beziehungsweise zu überschreiten, mit EU-Recht nicht vereinbar ist. Dass eine wirksame Honorarvereinbarung dem Schriftformerfordernis nach § 126 BGB unterliegt, wurde insoweit nicht beanstandet. Sofern bei Auftragserteilung keine schriftliche Vereinbarung getroffen wird, wird allerdings vielfach die Auffassung vertreten, dass weiterhin der Mindestsatz geltend gemacht werden kann, da die Mindestsatzfiktion des § 7 Abs. 5 HOAI bei formunwirksamen Honorarvereinbarungen von der EuGH-Entscheidung unberührt bleiben dürfte; auch dies ist allerdings – wie viele Details rund um die Auswirkungen der EuGH-Entscheidung – juristisch umstritten (vgl. Fuchs, IBR 2019, 436 sowie Scharfenberg, IBR 2019, 437 einerseits (§ 7 Abs. 5 HOAI gilt weiterhin) und OLG Celle, Urteil vom 23. Juli 2019, Az.: 14 U 182/18 andererseits (§ 7 Abs. 5 HOAI ist europarechtswidrig)).

Jedenfalls würden ansonsten bis zu einer etwaigen Neuregelung in der HOAI die §§ 650q Abs. 1, 632 Abs. 2 BGB gelten, wonach beim Bestehen einer Taxe (hier eine Honorarordnung) auf die taxmäßige Vergütung abgestellt wird, anderenfalls auf eine „übliche“ Vergütung, wenn die Vertragsparteien die Höhe der Vergütung nicht selbst bestimmt haben. Es ist davon auszugehen, dass die Gerichte bei Heranziehung dieser Vorschrift wiederum auf die HOAI zurückgreifen werden (vgl. LG Hamburg, Urteil vom 23. Mai 2019, Az.: 321 O 288/17).

6. Was passiert mit einem vor der EuGH-Entscheidung abgeschlossenen Vertrag, bei dem die Honorierung innerhalb des Honorarrahmens der HOAI liegt, weil zum Beispiel eine Vergütung nach den Orientierungshilfen der Architektenkammern vereinbart wurde? Kann der Auftraggeber jetzt eine Herabsetzung des Honorars unter die Mindestsätze verlangen?

Zunächst ist davon auszugehen, dass die öffentlichen Auftraggeber diese Möglichkeit nicht in Betracht ziehen werden. Bei privaten Auftraggebern ist hingegen nicht ganz auszuschließen, dass sie unter Bezugnahme auf das EuGH-Urteil eine Herabsetzung der Vergütung verlangen. Lassen Sie sich hierauf nicht ein! Das EuGH-Urteil hat keine unmittelbare Rechtswirkung auf abgeschlossene Verträge, und vor allen Dingen war es zulässig und wird es weiterhin zulässig sein, Honorare im Rahmen der Honorarsätze der HOAI zu vereinbaren. Unzulässig ist ausschließlich eine staatliche Regelung, die den Auftragnehmer verpflichtet, bestimmte Mindest- und Höchstsätze zu beachten.

Bei bereits abgeschlossenen Verträgen könnte ein Auftraggeber zwar auf den Gedanken kommen, sich auf eine sogenannte Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) zu berufen, indem er geltend macht, ohne die verpflichtende Beachtung der HOAI-Mindestsätze nur zur Zahlung einer geringeren Vergütung bereit gewesen zu sein. Es ist aber davon auszugehen, dass eine solche Argumentation – auch bei noch nicht endgültig wirksam abgerechneten Stufen im Rahmen eines Stufenvertrages – bei den Gerichten in aller Regel nicht durchdringen wird. Mit dieser Argumentation ein Honorar über den Höchstsätzen einzufordern, dürfte ähnlich schwierig werden. Beides setzt voraus, dass einem Vertragspartner ein Festhalten am Vertrag nicht zugemutet werden kann. Gerade bei Vergütungen, die innerhalb der Honorarsätze der HOAI liegen, wird dies aber in aller Regel nicht der Fall sein.

7. Was sollte ich bei zukünftigen Honorarvereinbarungen beachten?

Entscheidend ist vor allen Dingen, dass Sie eine Honorarvereinbarung treffen! Insoweit gilt nichts anderes als in der Vergangenheit. Im Hinblick auf die Fortgeltung der Formvorschriften des § 7 Abs. 5 HOAI gelten die Ausführungen zur Frage 5.


Unabhängig davon empfehlen wir dringend:

Schließen Sie frühzeitig schriftliche Verträge ab, in denen die Vergütungshöhe eindeutig geregelt ist. Hierbei können Sie auch weiterhin Bezug auf die HOAI nehmen, wobei Sie dann ausdrücklich festlegen sollten, ob die Mittel-, Höchst- oder Mindestsätze zugrunde gelegt werden. Nutzen Sie die aktualisierte Orientierungshilfe Ihrer Länderarchitektenkammer!


8. Wie kann ich meine Zeithonorare kalkulieren, wenn ich nicht auf die bisherige HOAI oder eine dann möglicherweise modifizierte HOAI Bezug nehmen möchte?  

Schon mit der HOAI 2009 konnten Architekten Grundleistungen und Besondere Leistungen auf Zeithonorarbasis abrechnen. Die Höhe der jeweiligen Stundensätze war frei verhandelbar. Lediglich im verpreisten Bereich war die Kontrollüberlegung vorzunehmen, ob das nach Zeitaufwand berechnete Gesamthonorar mit den Mindest- und Höchstsätzen der HOAI vereinbar war. Insofern ist das Thema „Kalkulation von Zeithonoraren“ dem Berufsstand schon seit Langem gut bekannt. Die hierzu von einigen Länderarchitektenkammern veröffentlichten Praxishinweise sind weiterhin aktuell. Sie geben Hilfestellungen, wie der jeweilige Stundensatz büro- oder mitarbeiterbezogen berechnet werden kann, oder führen konkrete Stundensätze auf (Links zu Praxishinweisen am Textende).

9. Bleibt es auch nach der EuGH-Entscheidung beim Prinzip des Leistungswettbewerbs bei der Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen?

Ja! Architekten- und Ingenieurleistungen sind im Leistungswettbewerb zu vergeben. So ist es wörtlich in § 76 Abs. 1 Satz 1 Vergabeverordnung (VgV) bestimmt. Das Prinzip des Leistungswettbewerbs besagt, dass insbesondere die Qualität der angebotenen Lösung beziehungsweise Leistung das wesentliche Zuschlagskriterium sein soll. In Abgrenzung dazu gibt es den Preiswettbewerb, bei dem der Preis in der Regel zwar nicht das einzige, aber das maßgebliche Zuschlagskriterium ist. Auch nach der EuGH-Entscheidung ist es für öffentliche Auftraggeber ausgeschlossen, den Preis als alleiniges Zuschlagskriterium bei der Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen festzulegen.

Wegen des qualitativen Elementes von Planungsleistungen ist der Preis als wesentliches oder gar alleiniges Zuschlagskriterium ungeeignet, weil eine am Preis ausgerichtete Wertung der Angebote qualitative Elemente von Planungsleistungen nicht berücksichtigt (vgl. schon OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.12.2013 – Verg 22/13, VergabeR 2014, 401). Nach dem Wegfall des zwingenden Preisrechts wird es sich für viele öffentliche Auftraggeber anbieten, verstärkt die Möglichkeit der Festpreisvergabe zu nutzen, § 58 Abs. 2 Satz 3 VgV. Wenn der öffentliche Auftraggeber den Preis vorgibt, wird das wirtschaftlichste Angebot ausschließlich nach qualitativen Zuschlagskriterien bestimmt.

Das Gesagte gilt auch für Beschaffungen nach der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO). Denn grundlegende vergaberechtliche Wertungen – wie der Leistungswettbewerb bei Planungsleistungen – sollen auch für Vergaben auf Basis von § 50 UVgO (Sonderregelung zur Vergabe von freiberuflichen Leistungen) gelten (vgl. Budde, in: Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, 3. Aufl. 2019, UVgO § 50, Rn. 52). Alles andere würde der ursprünglichen Intention der UVgO widersprechen, ein Abbild der VgV zu sein, damit für alle Rechtsanwender ein Gleichklang der Vorschriften unter- wie oberhalb der EU-Schwelle ermöglicht wird.

10. Hat die EuGH-Entscheidung Auswirkungen auf die Anwendung der RPW 2013?

Nein! Zwar nimmt die RPW 2013 an manchen Stellen Bezug auf die HOAI, nicht aber auf die Mindest- und Höchstsätze. In § 7 Abs. 2 RPW 2013 ist bestimmt, dass die Höhe der Wettbewerbssumme in der Regel mindestens dem Honorar der Vorplanung nach der jeweils geltenden Honorarordnung entspricht. Da der EuGH „lediglich“ das zwingende Preisrecht für europarechtswidrig erklärt hat, bleibt es ansonsten bei den Regelungen der derzeit geltenden HOAI, also auch bei den Bestimmungen zur Ermittlung eines Vorplanungshonorars. Entsprechendes gilt für die Angabe der Honorarzone in der Auslobung, Anlage I Nr. 23 RPW 2013, und die konkrete Ermittlung der Wettbewerbssumme, Anlage II RPW 2013.

11. Wie geht es mit der HOAI weiter? Gibt es einen „Plan B“?

Die Bundesarchitektenkammer (BAK), die Bundesingenieurkammer (BIngK) und der Ausschuss der Verbände und Kammern der Ingenieure und Architekten für die Honorarordnung e.V. (AHO) haben sich seit Langem auf den Fall vorbereitet, dass der EuGH die Verbindlichkeit der Mindest- und Höchstsätze der HOAI für unzulässig erklären sollte. Dies wurde aus politischen Gründen jedoch nicht öffentlich kommuniziert. Hauptziel ist es, die HOAI wie bisher als Rechtsverordnung zu erhalten, um sowohl Ihnen als auch den Auftraggebern den gewohnten und bewährten Rechtsrahmen zur Verfügung zu stellen. Nach intensiven Gesprächen hat die Bundesregierung dies zugesichert.

Als wesentliche Elemente einer modifizierten HOAI schlagen BAK, BIngK und AHO vor:

  • Sofern nicht ausdrücklich eine andere Vereinbarung getroffen wird, wird vermutet, dass die Mittelsätze vereinbart sind.
  • Sofern eine andere Vereinbarung getroffen wird, muss die Höhe der Vergütung nach Art und Umfang der Aufgabe sowie nach Leistung des Architekten angemessen sein.

Damit wird einerseits der Verhandlungsspielraum der Vertragsparteien im Sinne des EU-Rechts vergrößert, zum anderen aber gewährleistet, dass in der Regel weiterhin ausgewogene, qualitätssichernde Honorargestaltungen erfolgen.

 

Praxishinweise zu Stundenhonoraren

der Architektenkammer Baden-Württemberg

der Bayerischen Architektenkammer

 

Weitere wichtige Informationen rund um das Urteil des EuGH finden Sie hier
sowie auf
der Seite der BAK, dort auch das Urteil im Original

 

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