Von Heiko Haberle
Es ist 25 Jahre her, dass der Wettbewerb für die Instandsetzung des neuen Museums und seine Ergänzung am Kupfergraben entschieden wurde. David Chipperfield war damals übrigens nur Zweitplatzierter hinter Giorgio Grassi. Nach jahrelangen Runden von Nachbearbeitungen, Diskussionen und Verhandlungen wurde doch David Chipperfield beauftragt, der mit dem 2009 wiedereröffneten Neuen Museum schließlich Maßstäbe für den Umgang mit historischer Bausubstanz setzte.
Komplett neuer Entwurf wird Unesco gerecht
Die angedachten Erweiterungen am Kupfergraben waren gedanklich inzwischen zum zentralen Empfangsgebäude für die gesamte Museumsinsel gereift, die als Unesco-Weltkulturerbe immer mehr Besucher anzog. Auch hierfür sollte David Chipperfield zum Zuge kommen, doch als es konkret werden sollte, stieß seine Aneinanderreihung diffus-matt-gläserner Quader in Medien und Bürgerschaft auf Kritik. Mit einem komplett neuen Entwurf konnte Chipperfield 2007 die Wogen glätten – ja plötzlich sogar mit den bloßen Visualisierungen die Betrachter in den Bann ziehen.
Probleme mit der Baugrube: Verzögerungen und Mehrkosten
2009 begannen die Arbeiten an der Baugrube, die aber wegen Problemen mit der Gründung direkt am Spreekanal zu Verzögerungen und Mehrkosten führten. Erst 2014 konnte wirklich mit dem Rohbau begonnen werden. Dass 10 Jahre Bauzeit und 134 Millionen Euro (statt geplanter 71) weit mehr als die „teuerste Garderobe der Welt“ – wie sie bereits betitelt wird – hervorgebracht haben, dürfte das gebaute Ergebnis aber schnell belegen.
Umstrittene Tempelhaftigkeit
Die James-Simon-Galerie fasziniert schon alleine deswegen, weil sie dem von den Visualisierungen bekannten Image gleichkommt, ja es in ihrer Bildhaftigkeit sogar übertrifft. Durchaus angebrachte Kritik, ob es nicht etwas weniger tempelhaft gegangen wäre, wird von der Passgenauigkeit des Baukörpers, von den neu entstandenen Blickbezügen auf den Bestand, den reduziert fortgeführten historischen Kolonnaden, der hohen Ausführungs- und Materialqualität (extrem schlanke Stützen aus hellen Betonwerksteinen, denen Natursteinzuschläge und anschließendes Sandstrahlen eine kristalline Struktur verleihen) und der gestalterischen Integration funktionaler Elemente (Regenrohre, Sprinkler, …) sogleich weggewischt.
James-Simon-Galerie überzeugt funktional
Vor allem aber überrascht mit breiten Treppen und hohen Räumen die Großzügigkeit im Inneren, die man angesichts des außen beengt wirkenden Bauplatzes nicht vermutet. Verbindungen zwischen den Ebenen sind genau dort, wo man sie braucht und führen eigentlich von überall nach überall hin, teilweise sogar auf unterschiedlichen Wegen. Oberirdisch geht es direkt ins Pergamonmuseum, unterirdisch ins Neue Museum. Auch weil neben den obligatorischen Funktionen Kasse, Museumsshop, Café (mit Aussicht auf den Spreekanal) und Garderoben noch ein großer Saal für Wechselausstellungen und unter der Freitreppe ein Auditorium für 300 Personen eingepasst werden konnten, ist die James-Simon-Galerie nicht nur ein ästhetisches, sondern als Alleskönner auch ein funktionales Kunststück.
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