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Zurück Steigende Baukosten

Die Kunst der Prognose

Das Bauen boomt und die Kosten von Bauvorhaben steigen überproportional. Häufig werden Architekten dann als Schuldtragende dargestellt. Vorbeugen kann man mit verlässlichen Kostenprognosen, die eine zusätzliche Leistung darstellen. Wir stellen vertragsrechtliche Grundlagen, verfügbare Kostendaten und die Verfahren zum Erstellen von Prognosen vor.

01.08.20196 Min. Kommentar schreiben

Von Bert Bielefeld und Wolfdietrich Kalusche

Der Blick vom fertiggestellten Objekt zurück zum Beginn des Bauvorhabens und dessen anfänglich genannten Baukosten offenbart nicht selten eine deutliche Kostensteigerung. Solange die Entwicklung das Ergebnis nachvollziehbarer Entscheidungen ist, die Finanzierung gesichert werden kann und die Wirtschaftlichkeit nicht infrage gestellt werden muss, ist dies meist folgenlos. Gerade in aktuellen Zeiten eines boomenden Baumarktes steigen die Kosten von Bauvorhaben überproportional (siehe „Steigende Baukosten planen“). Häufig werden Architekten dann als Schuldtragende dargestellt – wie kann man als Planer dieser Situation begegnen?

Leistungspflichten von Architekten

Architekten sind in der Regel direkt über entsprechende vertragliche Vereinbarungen oder indirekt über die Refenzierung auf die HOAI verpflichtet, Kostenermittlungen nach DIN 276 – Kosten im Bauwesen vorzunehmen. Kostenermittlungen nach DIN 276 beziehen sich auf den Kostenstand zum Zeitpunkt der Ermittlung. Dabei werden zukünftige Entwicklungen nicht berücksichtigt. Architekten verhalten sich hierbei korrekt, wenn sie aktuelle Kostenkennwerte heranziehen und diese mit Regionafaktoren oder Ähnlichem auf die Rahmenbedingungen der eigenen Planung anpassen.

Kosten auf zukünftige Vergabeergebnisse bzw. voraussichtlich endgültige Abrechnungssummen zu prognostizieren, ist eine darüber hinausgehende Leistung des Architekten, die einer gesonderten Vereinarung bedarf. Die neue DIN 276:2018-12 definiert dazu in Abschnitt 4.2.13, dass diese dann gesondert ausgewiesen werden und die zugrunde liegenden Annahmen angegeben werden sollen. Ebenso werden risikobedingte Kosten in Abschnitt 4.2.14 definiert, zu denen auch Marktentwicklungen gehören können, die zu überdurchschnittlichen Preisen führen könnten. Grund hierfür können unzureichende Kapazitäten der ausführenden Unternehmen oder ungenügender Wettbewerb unter diesen sein. Auch eine diesbezügliche Risikobewertung liegt im Zuständigkeitsbereich des Auftraggebers, die Mitwirkung des Architekten ist regelungsbedürftig.

Was erwartet der Auftraggeber?

Auftraggeber möchten wissen, was sie am Ende des Projekts bezahlt haben werden. Sie stellen nach den Aussagen des Architekten Finanzierungs- und Wirtschaftlichkeitsüberlegungen auf. Die Prognose der Baukosten ist für den Bauherrn eine wesentliche Voraussetzung für die Kostensicherheit vom Anfang bis zum Abschluss. Die Bedeutung von Prognosen steigt zudem mit der Dauer eines Projekts an. Je weiter der Zeitpunkt der Prognose in der Zukunft liegt, desto größer ist die Unsicherheit der Prognose. Bei Bauprojekten können Prognosen über einen Zeitrahmen von zwei bis zehn Jahre erforderlich sein.

Stufen der Kostenermittlung und Kostenstand sowie Kostenprognose (Quelle: BKI)

Werden bereits für die Projektvorbereitung in nennenswertem Umfang Leistungen erbracht, dann stehen die Kosten hierfür bereits fest und brauchen nicht mehr fortgeschrieben zu werden. Sie werden als Ist-Kosten erfasst. Im Projektverlauf nehmen die Ist-Kosten bei der Beauftragung von Planungs- und Bauleistungen, der Beschaffung von Gütern oder der Bezahlung von Gebühren ständig zu. Damit wird auch die Kostensicherheit größer. Der Anteil der geplanten Kosten (Soll-Kosten) nimmt entsprechend ab.

Die Entwicklung der Kosten von ersten, oft unzureichenden Vorstellungen bis zur vollständigen Abrechnung aller Aufwendungen für das Bauprojekt muss nachvollziehbar sein. Das gelingt, wenn die Kosten regelmäßig überprüft und frühzeitig genug prognostiziert werden, sodass insbesondere der Bauherr noch rechtzeitig die notwendigen Entscheidungen treffen und vor allem die Kosten steuern kann.

Prognosen zur Entwicklung der Baupreise

Prognosen sind Vorhersagen auf Entwicklungen in der Zukunft, welche sich nur bedingt erfassen oder konkretisieren lassen. Sie basieren in der Regel auf statistisch erfassbaren Daten und versuchen anhand von messbaren und ggf. nicht quantifizierbaren Einflussfaktoren konkrete Werte abzuschätzen. Da Prognosen in der Regel einen hohen Anteil an projektspezifischen bzw. subjektiven Elementen enthalten, unterliegen sie immer einer hohen Fehleranfälligkeit.

Nun haben Architekten weder eine schwerpunktmäßig betriebswirtschaftliche noch eine statistische Ausbildung, sodass sich die Frage stellt, inwieweit sie überhaupt Prognosen erstellen können und sollen. Auf Grund der aktuellen Marktsituation und der gebotenen Aufmerksamkeit für die Belange des Auftraggebers stehen viele Architekten jedoch vor dieser Herausforderung.

Zu den ökonomischen Variablen zukünftiger Entwicklungen zählen im Zusammenhang mit der Kostenplanung im Bauwesen vor allem die Ereignisse auf folgenden (Teil-)Märkten

  • Angebot und Nachfrage auf dem Markt für Bauleistungen
  • Angebot und Nachfrage auf dem Immobilienmarkt
  • Angebot und Nachfrage auf dem Kapitalmarkt

Ändern sich die Verhältnisse auf nur einem dieser Märkte, können Preisentwicklungen verhältnismäßig leicht eingeschätzt werden. Treten Veränderungen auf mehreren Märkten gleichzeitig auf, wird die Einschätzung schwer und die Auswirkungen können ein ungeahntes Maß erreichen. Letzes ist seit einigen Jahren in Deutschland insbesondere in Ballungsräumen der Fall.

Als Grundlage einer Prognose der Baupreise kann der Baupreisindex des Statistischen Bundesamtes dienen. Bundesweit werden von den Statistischen Landesämtern für unterschiedliche Bauleistungen zur Zeit jährliche Preissteigerungen um die 5 Prozent gemeldet, wobei Bauwerkskosten auf Grund von spezifischen Leistungen im Einzelfall, zum Beispiel Technische Gebäudeausrüstung, wesenlich höher ausfallen können.

Entwicklung der Baukosten in den letzten vier Jahren (Quelle: BKI, Datenquelle: Destatis)

Die statistischen Daten sind unter www.destatis.de beziehungsweise aufbereitet unter www.bki.de öffentlich zugänglich und können so für das Bundesland/die Region sowie die Bauwerksart und Branche spezifisch aufbereitet werden. Unter Berücksichtigung von Zinsfaktoren lässt sich die Entwicklung der letzten Jahre nachvollziehen. Diese kann dann im Einvernehmen mit dem Auftraggeber für kommende Jahre fortgeschreiben werden.

Wie können Architekten Kostenprognosen darstellen?

Eine wichtige Voraussetzung für die Darstellung von prognostizierten Kosten ist die in der DIN 276 benannte Transparenz des Verfahrens. Zunächst sollen Kosten auf Basis des jeweiligen Kostenstands ermittelt werden, dabei ist zunächst einmal der jeweilige Regionalfaktor zu berücksichtigen. Hinzu kommen zwei Komponenten, die separat darzustellen sind:

  1. Risikobewertung des örtlichen/regionalen Baumarktes zum gegenwärtigen Zeitpunkt entsprechend dem Kostenstand der jeweiligen Kostenermittlung (Angabe von Quartal und Jahr)
  2. Prognose der Kosten auf die zu erwartenden Angebots- und Abrechnungspreise, vorzugsweise durch Angabe eines Preissteigerungsfaktors pro Quartal, z. B. 1,02

Zu 1: Es ist in einigen Regionen Deutschlands, insbesondere in Ballungsräumen, mittlerweile schwierig, überhaupt noch ausführende Unternehmen mit freien Kapazitäten zu finden, die bereit sind, ein Angebot abzugeben. Auf Grund der hohen Auslastung und fehlenden Wettbewerbs kommt es teilweise zu Abwehr- oder Spekulationsangeboten. Dies kann anteilig als Risikokosten berücksichtigt werden.

Zu 2: Es ist anhand der Terminplanung herzuleiten, über welchen Zeitraum zwischen aktuellem Kostenstand und der voraussichtlichen Vergabe von Bauleistungen die Kosten zu prognostizieren sind.

Wie sollen die Kosten praktisch ermittelt und dargestellt werden? Dies kann auf zwei Wegen erfolgen:

  • Prognose als Preissteigerungsfaktor pro Quartal beziehungsweise Jahr oder als ein Kostenwert, der den Baukosten insgesamt beaufschlagt wird
  • Prognose für anteilige Kosten, zum Beispiel Vergabeeinheiten

Die Entscheidung hierzu ist im Einvernehmen mit dem Auftraggeber zu treffen. Auch die finanzierende Institution (Bank, Finanzministerium) kann einbezogen werden.

Auch wenn Kostenprognosen keine grundsätzliche Leistungspflicht sind, so sind sie in Zeiten stark steigender Baupreise ein wesentlicher Baustein in der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Architekten und Auftraggebern. Eine transparente Darstellung und regelmäßige Informationen über die Kostenrisiken und Kostenprognosen zeigen dem Auftraggeber, dass das beauftragte Architekturbüro sich um die Rahmenbedingungen der Planung sorgt  und die Interessen des Auftraggebers verfolgt.

 

Der Text wurde vom Baukosteninformationszentrum Deutscher Architektenkammern (BKI) zur Verfügung gestellt.
www.bki.de

 

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