Von Ekkehard Fritz
Bei der energetischen Aufwertung von Bestandsgebäuden gehört die Dämmung des Steildachs zu den zentralen Maßnahmen. Mit der steigenden Zahl der Dachsanierungen in den letzten Jahrzehnten haben sich parallel immer mehr Systemlösungen etabliert. Häufig stehen dabei die Kosten im Vordergrund: je wirtschaftlicher eine Konstruktion ist, desto eher wird sie eingesetzt. Das ist sicher ein wesentlicher Aspekt, dennoch müssen Normen und Fachregeln eingehalten werden. Vor allem setzt eine gute Wärmedämmung einen luftdichten Abschluss der Dämmschicht voraus, denn der Luftdichtheitsgrad ist ein wesentliches Qualitätsmerkmal eines Wohngebäudes. Die im Folgenden beschriebenen Systeme veranschaulichen die Bedeutung luftdicht ausgeführter Dachkonstruktionen.
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Die Systeme im Überblick
Die Aufstellung gibt einen Überblick über die gängigsten Steildach-Sanierungssysteme, die von außen, also ohne Eingriff in den Innenbereich aufgebracht werden:
- System 1: Luftdichte Schicht: frei über die Sparren gespannt oder auf einer Holzschalung verlegt. Wärmedämmung: Aufsparrendämmung
- System 2: Luftdichte Schicht: wannenförmig über die Sparren verlegt. Wärmedämmung: Zwischensparen- oder/und Aufsparrendämmung
- System 3: Luftdichte Schicht: diffusionsfähig, auf einer Vollsparrendämmung aufgelegt. Wärmedämmung: Kombination aus Zwischensparrendämmung und Aufsparrendämmung
- System 4: Luftdichte Schicht: keine. Raumseitige, luftdichte Verkleidung sorgt für Luftdichtheit. Wärmedämmung: Aufsparrendämmung
Die „luftdichte Schicht“ beziehungsweise die „Luftdichtheit“ einer Konstruktion sind Begriffe in Normen und Richtlinien, die ursprünglich in der DIN 4108 vorgegeben wurden, jedoch ohne eine klare Definition von „luftdicht“ beziehungsweise „nicht luftdicht“.
In der 1997 veröffentlichten DIN 4108 Teil 7 wurden erstmals konkrete Vorgaben für die Luftdichtheit gemacht und der Grenzwert für maximal zulässige Luftwechselraten definiert. Dieser wurde zudem unterschieden nach Gebäudeart und deren Lüftungsmöglichkeiten: Gebäude mit Fensterlüftung mussten die Luftwechselrate ≤ 3,0 erfüllen, Gebäude mit Lüftungsanlagen die Luftwechselrate ≤ 1,5. Beide Werte gelten bis heute. Messbar ist die Luftdichtheit eines Gebäudes seit 1990 über den sogenannten Blower-Door-Test. Besonders interessant ist an diesem Messverfahren, dass auch im fertigen Zustand die Luftdichtheit zerstörungsfrei nachgewiesen werden kann.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, die Unterschiede zwischen „luftdicht“ und „winddicht“ zu kennen. Luftdicht bedeutet: Strömungsdichte Schicht nach DIN 4108 Teil 7. Diese Schicht liegt auf der warem Seite der Wärmedämmung und muss den Grenzwert für die maximal zulässige Luftwechselrate erfüllen. Winddicht bedeutet: Strömungsdichte Schicht auf der Außenseite der Wärmedämmung, die ein Einströmen von kalter Außenluft in die Wärmedämmung verhindern soll. Sie verhindert ein Durchströmen von faserigen Dämmstoffen und damit deren Auskühlung. „Winddicht“ ist keine Normvorgabe und deshalb eher eine Empfehlung.
Die Systeme und ihre Unterschiede
Eine wichtige Entscheidungshilfe für Planer, Verarbeiter und Industrie bei der Planung und Ausführung von luftdichten Konstruktionen ist die DIN 4108 Teil 7. Sie stellt neben normüblichen Beschreibungen und Vorgaben sehr viele Detaillösungen dar. Bei den in der DIN gezeigten Schichtenfolgen liegt die luftdichte Schicht grundsätzlich auf der Warmseite, also raumseitig. Dabei stellt die luftdichte Schicht in der Regel gleichzeitig die dampfbremsende oder auch dampfsperrende Schicht dar.
System 1: Luftdichte Schicht: frei über die Sparren gespannt oder auf einer Holzschalung verlegt. Wärmedämmung: Aufsparrendämmung
Konstruktionsmerkmale im Überblick:
- Tauwasserfrei
- Wärmebrückenfrei
- Wirtschaftlich
- entsprechend DIN 4108 Teil 7
- entsprechend ZVDH Fachregeln
Diese Konstruktion hat sich über Jahrzehnte bewährt. Die luftdichte Schicht wird in diesem Fall frei über den Sparren gespannt oder auf Holzschalung verlegt. Das Herstellen der luftdichten Schicht ist relativ einfach und somit wirtschaftlich.
Auch bauphysikalisch gesehen bietet diese Konstruktion hohe Sicherheit, sofern bei einer vorhandenen Zwischensparrendämmung die neue, oberhalb der Sparren angeordnete Wärmedämmung in ihrer Dicke und damit ihrer Dämmleistung richtig bemessen wird. Wird die Dicke der Aufsparrendämmung richtig bmessen ist die Temperatur unterhalb der luftdichten Schicht, also im Bereich zwischen den Sparren, so hoch, dass dort unter normalen Bedingungen kein Tauwasser ausfällt. Der aus dem Wohnbereich kommende Wasserdampf kann zwar in diese Ebene gelangen, durchfeuchtet aber weder die vorhandene alte Dämmung noch schädigt er die Holzkonstruktion.
System 2: Luftdichte Schicht: wannenförmig über die Sparren verlegt. Wärmedämmung: Zwischensparen- oder/und Aufsparrendämmung
Konstruktionsmerkmale im Überblick:
- schlanke Dachkonstruktion
- wärmebrückenfrei
- entsprechend DIN 4108 Teil 7
- entsprechend ZVDH Fachregeln
Hierbei handelt es sich ebenfalls um eine lang bewährte Konstruktion, die mit der Zielsetzung entwickelt wurde, schlanke und trotzdem hoch wärmedämmende Dächer zu bauen.
Bedingt durch die vorhandene raumseitige Verkleidung unter den Sparren ist eine Verlegung der luftdichten Schicht nur wannenförmig über die Sparren möglich. Diese besondere Verlegeart und die damit verbundene Bauphysik erfordert spezielle, nur dafür vorgesehene luftdichte, dampfbremsende Bahnen. Klassische Dampfbremsen oder Dampfsperren mit konstantem sd Wert sind hierfür nicht geeignet. Zwischenzeitlich werden für die wannenförmige Verlegung feuchtevariable Bahnen, mit sich je nach Klima veränderndem sd-Wert angeboten. Auch die anfangs kritisch betrachtete bauphysikalische Funktionsweise dieser Konstruktion hat sich mehr als bewährt und ist z.B. in die Fachregeln des ZVDH eingeflossen.
Die oberhalb der Sparren verlegten Dämmelemente aus PIR-Hartschaum oder Holzfaser stellen im Prinzip eine dünne Aufsparrendämmung dar. Diese überdämmt die Schwachpunkte Sparren, Wände, Giebel, Traufe und reduzieren damit deren negative Wärmebrückenwirkung.
Leider erfordert diese Konstruktion mit der wannenförmigen Verlegung in der Fläche und einer aufwändigen Detailausbildung einen erheblichen Mehraufwand.
System 3: Luftdichte Schicht: diffusionsfähig, auf einer Vollsparrendämmung aufgelegt. Wärmedämmung: Kombination aus Zwischensparrendämmung und Aufsparrendämmung
Konstruktionsmerkmale im Überblick:
- einfache Ausführung
- entspricht der DIN 4108 Teil 3 und somit normkonform
- entspricht den ZVDH Fachregeln
- wirtschaftliche und zugleich hochwärmedämmende Lösung
Diese relativ neue, zwischenzeitlich über hygrothermische Simulationen nachgewiesene und damit normkonforme Konstruktion (entsprechend DIN 4108 Teil 3) basiert auf der Kombination von Auf- und Zwischensparrendämmung mit einer diffusionshemmenden, luftdichten Schicht: Dazu wird der vorhandene Hohlraum im Bereich der Zwischensparrendämmung gefüllt. Auf diese Vollsparrendämmung wird eine luftdichte Schicht mit einem maximalem sd-Wert von 10 Metern gelegt und darauf eine dünne, mindestens 80 mm PIR Steildachdämmplatte. Zielsetzung: Wärmebrücken im Bereich der Sparren und der Wände reduzieren und damit die Temperatur an der luftdichten Schicht erhöhen.
System 4: Luftdichte Schicht: keine. Raumseitige, luftdichte Verkleidung sorgt für Luftdichtheit. Wärmedämmung: Aufsparrendämmung
Diese Variante zeigt im ersten Moment eine vielversprechende Konstruktion, da sie einfach und wirtschaftlich herzustellen ist. Fraglich ist aber, ob mit nur einem Plattenwerkstoff die luftdichte Schicht entsprechend DIN 4108 Teil 7 – Luftdichtheit von Gebäuden – erreicht werden kann. Im Prinzip ja, sofern die Normvorgaben eingehalten werden. Das heißt fachgerechte Fugenausbildung bei Gipskartonplatten oder Gipsfaserplatten und deren Anschluss an aufgehende Bauteile wie Wände und Details. Dazu gibt die Norm vor, einen beweglichen Anschluss mit Folienstreifen und entsprechenden Anschluss- bzw. Dichtmaterialien herzustellen. Nur so können Bewegungen des Dachstuhls dauerhaft sicher aufgenommen werden. Ein starrer, gespachtelter Anschluss hätte zur Folge, dass der Anschluss bei den zwangsweise vorkommenden Bewegungen durch Schnee und Wind abreißt. Dies wiederum hätte Luft-Undichtheit zur Folge.
Bewegliche Anschlüsse, wie in der Detailzeichnung dargestellt, sind in den meisten zur Sanierung anstehenden Altbauten nicht vorhanden. Somit ist im Vorfeld zu klären, wie luftdicht beziehungsweise nicht luftdicht das zu sanierende Dach ist.
Aber nicht nur die bestehenden Wandanschlüsse sondern auch alle sonstigen Detailanschlüsse sind auf Luftdichtheit zu prüfen. Es handelt sich hier zum Beispiel um die Türchen im Kniestock/Trempelbereich, Elektroleitungen, welche aus Wand und Decke kommen sowie Steckdosen, die meistens ebenfalls im Kniestock/Trempelbereich angeordnet sind. In der Regel sind diese Details nur dann luftdicht und entsprechend DIN 4108 Teil 7 ausgeführt, wenn der Dachstuhl zwar alt, der Innenausbau aber entsprechend DIN 4108 Teil 7 erst vor kurzem neu ausgebaut wurde. Dies ist nur selten der Fall, sodass wir es in der Regel eher mit nicht luftdichten Dächern zu tun haben. Entsprechend der VOB ist die Vorleistung zu prüfen. In diesem Fall würde das bedeuten, dass vor Auftragsvergabe zuerst eine Luftdichtheitsmessung per Blower-Door-Test durchgeführt werden müsste. Technisch ist das möglich, doch wer bezahlt die Messung? Somit wird diese Lösung in den seltensten Fällen zur Anwendung kommen können, es sei denn, die Vorleistung wird nicht geprüft, mit der Folge, dass das Risiko zu 100 Prozent beim Auftragnehmer liegt. Auch die Meinung, durch eine sorptionsfähige und diffusionsoffene Dämmung könnten mögliche anfallende Feuchtemengen sicher nach außen abgegeben werden, trügt. In diesem Fall entweicht im Bereich nicht luftdichter Detailpunkte die Feuchte über Fugen. Es handelt sich also um Konvektion und nicht um beherrschbare Diffusion. Geht auf dem Wege der Diffusion zum Beispiel nur ein Gramm Feuchte durch das Bauteil, so geht bei gleichen Bedingungen über Konvektion (Fuge) die 1.000 bis 10.000-fache Menge durch die nicht luftdichte Fuge. Mit derartigen Feuchtemengen erreichen auch noch so diffusionsoffene Produkte schnell ihre Grenzen. Die Folge: Durchfeuchtung und Schimmel bis hin zur Verrottung.
Auf Nummer Sicher gehen
Hoch wärmegedämmte und gleichzeitig wirtschaftliche Dächer zu planen und zu bauen ist bei der heutigen Energiediskussion eine große und bedeutende Aufgabe. Darunter darf unter keinen Umständen die Sicherheit leiden. Weder die tragende Konstruktion darf Schaden nehmen noch darf die Wärmedämmung ihre Dämmwirkung durch eine zu hohe Produktfeuchte verlieren. Nur eine trockene tragende Holzkonstruktion und eine trockene Wärmedämmung können die ihnen zugedachten Funktionen ein Dachleben lang sicher erfüllen. Deshalb gilt es, die jeweilige Situation auf dem Dach mit der geplanten Sanierungslösung abzugleichen. Und dabei ist es weitaus besser, bei bestehenden Unsicherheiten eher auf bewährte Sanierungslösungen zu setzen. Der Ansatz, die Kosten beim Bauherrn senken und im Gegenzug das Risiko beim Verarbeiter zu erhöhen, ist langfristig für beide Seiten falsch.
Ekkehard Fritz ist staatlich geprüfter Holztechniker und leitet den Fachbereich Steildach der Firma Paul Bauder in Stuttgart
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