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Architekten-Leistungen einpreisen

Welche Vergütung muss ein öffentlicher Auftraggeber für entwurfliche Lösungsvorschläge vorsehen? Und wie dürfen Referenzvorgaben gerade bei BIM-Projekten gestaltet sein?

30.08.20197 Min. Kommentar schreiben

Von Stefan Tebroke und Klaus Greb

Die neue Vergabeverordnung (VgV) ist seit 2016 in Kraft. Die im Vorfeld mit der Novelle verbundene Hoffnung auf Verbesserungen gegenüber der Vergabeordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) ist in der Praxis nach Ansicht vieler Betroffener in der Architektenschaft bisher nicht eingetreten. Die VgV ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, die Besonderheiten von Planungsleistungen sind allerdings offenbar nicht ausdrücklich genug berücksichtigt worden, sodass viele Auftraggeber sie noch nicht konsequent umsetzen und Architekten sich nach wie vor mit überhöhten Anforderungen auseinandersetzen müssen, wie ein aktueller Fall zeigt. Insofern hat jetzt die Vergabekammer Westfalen dazu Positives entschieden (Beschluss vom 7. März 2019, Az.: VK 1–04/19). In einer Großstadt am östlichen Rand des Ruhrgebiets ging es um Planungsleistungen für den Neubau einer Hochschulbibliothek mit circa 51 Millionen Euro Baukosten (KG 200–600). Es wurde ein Teilnahmewettbewerb nach EU-Vergaberecht (GWB/VgV) ausgelobt, bei dem mindestens vier Architekturbüros aufgrund einer Bewertungsmatrix für das weitere Verfahren ausgewählt werden sollten. Der Auftragswert wurde vom Auftraggeber auf 4,2 Millionen Euro geschätzt.

Zur Bewerbung konnten nur Referenzprojekte vorgelegt werden, die sich in den letzten drei Jahren in Bearbeitung befunden haben. Die maximale Punktzahl zur Einladung in den Bieterkreis war einzig dadurch zu erreichen, dass die Baumaßnahmen über 20 Millionen Euro Baukosten (KG 300) umfassten und mindestens eine dieser Referenzen mit der BIM-Methode geplant worden war. Zusammen mit den weiteren Kriterien hinsichtlich des geforderten Umsatzes und der Mitarbeiteranzahl ergaben sich zusätzliche Zugangsbeschränkungen.

Mit den Angeboten sollten die Bieter eine „Entwurfsskizze“ erarbeiten, die hinsichtlich verschiedener Kriterien wie Positionierung auf dem Grundstück, Erschließung, Funktionalität von Grundrisslayouts sowie Belichtung bewertet werden sollte. Ein umfangreiches Raumprogramm sowie Funktionsschemata wurden auf der Projektplattform den Teilnehmern am Verfahren zur Verfügung gestellt. Die Vergütung der „Entwurfsskizze“ wurde mit pauschal 9.500 Euro brutto angegeben, basierend auf der Festsetzung, dass ein Architekt maximal 80 Stunden à 90 Euro und ein Zeichner 40 Stunden à 55 Euro an Aufwendungen für den Bibliotheksentwurf geltend machen kann.

Mehr als „Entwurfsskizze“

Sowohl die hohen Eignungskriterien als auch die unangemessene Vergütung für den zu erarbeitenden Lösungsvorschlag waren Anlass zu einer Verfahrensrüge, die nach abschlägigem Rügebescheid des Auftraggebers in einen Nachprüfantrag bei der Vergabekammer Westfalen mündete, die dem Antrag stattgab. Die Vergütung müsse gemäß HOAI berechnet werden und die Eignungsanforderungen seien nicht sachgerecht. Insofern müsse der Auftraggeber sein Vergabeverfahren korrigieren, wolle er an der Planung festhalten.

Hinsichtlich der Vergütung ergebe sich laut Vergabekammer Westfalen als rechtliche Basis aus § 77 Abs. 2 und 3 VgV, dass die Vergütung von Lösungsvorschlägen dann nach der HOAI zu erfolgen habe, wenn die im Rahmen eines Vergabeverfahrens von den Bietern geforderten Unterlagen honorarpflichtige (Teil-)Leistungen entsprechend den Leistungsbildern der HOAI darstellten. Dies gelte auch bei Überschreitung der Tafelwerte nach HOAI, weil es keinen Sinn ergebe, an sich gleiche Leistungen nur aufgrund der höheren oder niedrigeren anrechenbaren Kosten Abschnitt 6 der VgV zuzuweisen oder nicht. Ein Bieter habe einen Anspruch darauf, dass eine Vergabekammer prüft und feststellt, ob ein Lösungsvorschlag nach HOAI zu vergüten ist; eine konkrete Honorarberechnung obliege allerdings dem Auftraggeber.

In dem zugrunde liegenden Fall habe der Auftraggeber laut Vergabekammer Westfalen eindeutig mehr als nur eine Entwurfsskizze mit dem Angebot nachgefragt, und zwar Leistungen, die teilweise der HOAI, Objektplanung, Leistungsphase 2, entsprächen, was entsprechend zu vergüten sei. Zum Beispiel seien für einige Planungsleistungen 3D-Modelle herzustellen, was für eine gewisse Bearbeitungstiefe spreche. Angesichts des bereits vorliegenden, detaillierten Raumprogramms sei als notwendige Umsetzung zudem eine vollwertige Vorplanung gefordert gewesen.

BIM als Kriterium nicht haltbar

Die Referenzvorgaben verstießen nach Auffassung der Vergabekammer Westfalen gegen § 75 Abs. 4 S. 2 VgV. Große Büros würden gegenüber kleineren Büroeinheiten und Berufsanfängern durch die Vorgabe von BIM-Referenzen sachwidrig bevorzugt, weil sich die Bearbeitung von BIM-Projekten aktuell noch auf wenige Projekte erstrecke, die zum Teil noch Pilotprojekte seien. Kumulativ mit den geforderten Referenzen von 10 Millionen Euro aus einem Zeitraum von drei Jahren ergebe sich ein offensichtlicher Ausschluss von kleineren Büros und Berufsanfängern, für den der Auftraggeber keinen sachgerechten Grund vorgetragen habe.

Leider folgte die Kammer nicht der Rüge unzureichender Dokumentation, obschon der Auftraggeber weder eine Auftragswertschätzung, eine Begründung für die Vergütungshöhe noch die Eignungsanforderungen vorzuweisen hatte. Auch im Prozess hatte der Auftraggeber dazu nichts vorgetragen. Deswegen wurde in der Sache von der Kammer nicht „durchentschieden“, sondern dem Auftraggeber unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer eine neue „Kreation“ des Vergabeverfahrens ermöglicht.

Diese Möglichkeit hat der Auftraggeber mittlerweile genutzt und tatsächlich der Kammerentscheidung entsprechend in einem neuen Verfahren einen längeren Referenzzeitraum zugelassen (zwei bis acht Jahre), keine Referenzen mit BIM-Erfahrung verlangt und – nicht zuletzt – gänzlich von den zu erbringenden Lösungsvorschlägen abgesehen.

Die Auffassung der Vergabekammer Westfalen hinsichtlich der Anwendung der HOAI bei der Vergütungsberechnung für Lösungsvorschläge folgt derjenigen der Vergabekammer Südbayern (Az.: Z3-3-3194-1-13-04/17); die Vergabekammern Berlin (Az.: VK B 2-26/17) und Sachsen (Az.: 1/SVK/38-18) sind anderer Auffassung und plädieren für eine im Einzelfall vorzunehmende Aufwandsschätzung außerhalb der HOAI. In der Literatur gibt es ein ähnlich uneinheitliches Bild (für eine Anwendung der HOAI u. a. Voppel, in: Voppel/Osenbrück/Bubert, VgV, 4. Aufl. 2018, § 77 VgV, Rn. 20, dagegen u. a. Stolz, in: Ziekow/Völlink, 3. Aufl. 2018, VgV § 77, Rn. 4). In jedem Fall kommt ein Auftraggeber nicht umhin, bei überdurchschnittlichen Vorgaben für Lösungsvorschläge eine angemessene Vergütung vorzusehen; er sollte dabei nach zutreffender Auffassung auf die bewährten Regelungen der HOAI zurückgreifen, wenn Leistungsbilder der HOAI erfasst sind.

Kein „gedankenloses Fordern der gleichen Nutzungsart“

Richtig liegt die Vergabekammer Westfalen ebenfalls bei den sachwidrigen Referenzforderungen nach BIM-Projekten, die es in der Praxis schlicht in größerer Zahl (noch) nicht gibt. Generell hat der Verordnungsgeber in § 75 VgV bewusst höhere Anforderungen an die Rechtfertigung von Eignungskriterien an Architektenleistungen für die Auftraggeber gesetzt. Das gilt übrigens auch für das „gedankenlose Fordern der gleichen Nutzungsart“, das heißt, es gibt eine Regelvermutung, dass die Nutzungsart für die Vergleichbarkeit von Referenzen unerheblich ist (vgl. Kulartz/Geitel, in: Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, VgV, 1. Aufl. 2017, § 75 VgV, Rn. 44). Ein jüngst von der Vergabekammer Sachsen entschiedener Sonderfall, in dem eine außergewöhnliche Sporthalle zu planen war, bestätigt insofern die Regel (zur fehlenden Verallgemeinerungsfähigkeit der Rechtssache 1/SVK/038-18 siehe Hänsel, IBR 2019, 277). Die herrschende Auffassung hat den Sonderstatus von § 75 VgV anerkannt (vgl. Stolz, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 3. Aufl. 2018, VgV § 75, Rn. 7, zuvor bereits u. a. VK Lüneburg, Az.: VgK 50/2011).

Die offensichtlich sachwidrigen Beschränkungen des Auftraggebers im Fall der Vergabekammer Westfalen hatten übrigens dazu geführt, dass sich nur sieben Büros trotz europaweiter Ausschreibung und einer – eigentlich – für Tausende jedenfalls deutsche Büros zu bewältigenden Leistung bewarben. Warum der Auftraggeber für die baukulturell so bedeutende Bauaufgabe einer Hochschulbibliothek, die das Herzstück eines jeden Universitätscampus darstellt, nicht entsprechend der Praxis in vielen anderen Bundesländern einen Architekturwettbewerb gemäß RPW durchgeführt hatte, ist nicht nachvollziehbar. Die zu behutsame Regelung in § 78 VgV, die nur eine Prüfpflicht für Planungswettbewerbe vorsieht, lässt erkennen, dass im Falle weiterhin ausbleibender rechtlicher Vorgaben ein Bewusstseinswandel wohl nur auf politischem Wege zu erreichen ist. Es geht letztlich um die Qualität unserer gebauten Umwelt, bei der gerade der öffentlichen Hand als Auftraggeberin eine besondere Verantwortung zukommen sollte.

Dennoch zeigt das Verfahren, dass es sich lohnt, gegen gravierende Verstöße im Zuge der Vergabe von Planungsleistungen vorzugehen, um in der Praxis zu fairen und qualitätsorientierten Lösungen zu kommen.

Stefan Tebroke ist Architekt BDA und geschäftsführender Gesellschafter der BHBVT Gesellschaft von Architekten mbH, Berlin. In dem Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer Westfalen war die Gesellschaft Antragstellerin

Dr. Klaus Greb ist Fachanwalt für Vergaberecht und Partner von avocado rechtsanwälte, Berlin. In dem geschilderten Verfahren war er Verfahrensbevollmächtigter der Antragstellerin

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