Bauhaus-Museum Weimar: 2.400 Glaskeramikstreifen sorgen für eine perfekte Lichtverteilung der LED-Beleuchtung. / Klicken für mehr Bilder, auch aus der Ausstellung
Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Raffiniert drapiert“ im Deutschen Architektenblatt 10.2019 erschienen.
Von Bärbel Rechenbach
Das neue Bauhaus-Museum Weimar – 23 Meter breit, 44 Meter lang, 28 Meter hoch – provoziert mit seiner hellen Fassade aus minimalistischem Sichtbeton, so wie von Architektin Heike Hanada gewollt. „Ich finde Beton zukunftsweisend und als Baustoff bei Weitem nicht ausgereizt.“ Allerdings habe sie immer gewusst, dass ihr Entwurf auf viel Gegenwind stößt. Die Vorstellung vom Bauhaus sei halt immer noch mit Stahl und Glas verbunden. Ursprünglich sah eine weiterentwickelte Entwurfsvariante des Wettbewerbs sogar eine Glasfassade vor. Die Planung dafür mit speziell entwickelten Halterungen lag bereits fix und fertig auf dem Tisch. Doch die Architektin und die Auftraggeberin, die Klassik Stiftung Weimar, reduzierten die Gebäudehülle letztlich wieder auf den ersten Entwurf mit Sichtbeton. In diesem Outfit bildet der Kubus heute einen starken Kontrast zum benachbarten Gauforum von 1937.
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Gestapelte Fassade
Die einheitlich strukturierte Außenhaut wird partiell nur von geschossübergreifenden Fenstern, dem zehn Meter hohen Eingangsportal sowie der massiven Attika und dem Sockel durchbrochen. An den großen Fassadenöffnungen – von weitspannenden Sonderelementen überbrückt – wurden die Eingangsportale befestigt. Die eigentliche Fassade besteht aus 20 Zentimeter starken Sichtbetonfertigteilen, die vor der tragenden Außenwand mit einer Hinterlüftung zu der 15 Zentimeter messenden Dämmung aus kaschierter Mineralwolle übereinandergestapelt wurden. Insgesamt etwa 400 Stück. Die horizontale Befestigung geschieht mittels Zahnhalte-Laschen, die durch die Dämmschicht führen und an den 30 Zentimeter starken Stahlbetonwänden des Rohbaus befestigt sind. Die Fugenaufteilung zwischen den Fertigteilen gewährleistet, dass Zwängungen aus Temperaturschwankungen in horizontaler Richtung gut beherrschbar sind.
„Normalerweise bestehen Sichtbetonfassaden aus dünnen Betonelementen“, erklärt Wulf Neumann aus dem Planerteam der Arge Tragwerksplanung Bauhaus-Museum Weimar Ingenieurbüro Trabert + Partner / Ingenieurbüro Dr. Krämer GmbH. „Diese Lösung ließ die geometrische Wettbewerbsvorgabe jedoch nicht zu. So entschieden wir uns, die Lasten der Fassade auf die Bodenplatte beziehungsweise massive Konsolen an den Kellerwänden abzutragen. Da das Gebäude in einem Aufschüttungsgebiet und noch dazu in Hanglage gebaut wurde, haben wir unter die tragende Bodenplatte 230 setzungsmindernde, unbewehrte Verdränger-Säulen eingebracht.“
Zudem benötigten die Betonfertigteile Vertiefungen für die Integration elektrischer Leitungen und der Dachentwässerung. Ebenso beanspruchten die acht Zentimeter langen Halterungen der ursprünglich geplanten Glasfassade Platz. „Die Lasten der zehn Meter hohen Portalfenster hätte man ebenfalls nicht über eine leichte Fassade an den Außenwänden abhängen können“, erklärt der Planer die massive Variante weiter.
Außerdem mussten die Betonbänder noch die Schlitze für die 2.400 Glaskeramikstreifen zur Beleuchtung enthalten. Sie sorgen am Abend für einen völlig anderen Anblick des Museums. Bei den 1,20 Meter langen und 30 Millimeter breiten Streifen handelt es sich um ein neues Produkt der Magna Glaskeramik GmbH aus Teutschenthal in Sachsen-Anhalt, das aus recyceltem Weißglasabfall hergestellt wird. Neben dem Nachhaltigkeitsaspekt einschließlich der regionalen Herkunft war es das einzige Material, das den hohen Anspruch an eine perfekte Lichtverteilung der dahinterliegenden LED-Beleuchtung erfüllte.
Sichtbeton allererster Güte
Da Architekturbeton die Fassade dominiert, mussten seine Dauerhaftigkeit, die einheitliche Optik, Kantentreue und Farbkonstanz sowie eine exakte Reproduzierbarkeit der vereinbarten weiß-grauen Oberfläche unbedingt gegeben sein. Hemmerlein Ingenieurbau aus Bodenwöhr in der Oberpfalz lieferte die geforderte Qualität nach aktueller Sichtbetonrichtlinie in der Sichtbetonklasse SB 4. Die spezifischen Rezepturen für Textur, Porigkeit, Schalhaut, Farbtongleichmäßigkeit, Ebenheit sowie Fugenausbildung entwickelte Hemmerlein im werkseigenen Labor. Der Wassergehalt sowie der gewünschte Verdichtungsgrad wurden exakt auf die gewählte Schalung zugeschnitten.
Zugleich sollten die Betonelemente die RAL-Palette weiß-grau in der vereinbarten Mock-up-Qualität gleichmäßig reproduzieren. Dafür holten sich die Bayern das Baustoffunternehmen CRH mit ins Boot. Die Firma verwendet Zementklinker mit CPTS 100 bis 120 MPaK/gmin, der im Marktvergleich einen Spitzenplatz einnimmt. Der Baustoff garantiert eine zielsichere Aussteuerung des gewünschten Farbspiels, worauf Architekten besonderen Wert legen. Mineralogischer Phasenbestand sowie ein Anpassen im Sulfatisierungsgrad führen im CRH-gemahlenen Weißzement zum intensiven Ansteifen (erster Peak im Penetrationsverfahren zehn bis 20 Minuten nach Wasserzugabe) und schnellem Erstarren. Die Hydrationswärme setzt sehr schnell ein und sorgt für eine frühe Betonfestigkeit und damit für hohe Qualität.
Bekanntlich hängt die Farbbrillanz der Betonhaut auch von der verwendeten Anmachwassermenge im Frischbeton ab. Die Fertigteile des Bauhaus-Museums benötigten mehr Wasser, was eigentlich zu einem erhöhten Wasserzementwert geführt hätte. Die hohe Erhärtungskinetik des Zements jedoch kompensierte den feuchtigkeitsmindernden Einfluss des Mehrwasserbedarfs völlig.
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Hülle aus Stahl und Glas
Beim Bauhaus-Museum in Dessau hatte die Jury das Konzept des jungen spanischen Büros addenda architects (Roberto Gonzáles, Anne Hinz, Cecilia Rodríguez, Arnau Sastre, José Zabala) überzeugt: eine „Blackbox“ – ein schwebender Riegel aus Beton – in einer gläsernen Hülle. Die Blackbox ist fast 100 Meter lang und 18 Meter breit und liegt auf zwei etwa 50 Meter weit voneinander liegenden Treppenhäusern auf. Die Fassade verläuft circa 3,30 Meter nach außen versetzt vor der Blackbox. Aus ökonomischen Gründen griffen die Architekten hier bewusst auf eine standardisierte Pfosten-Riegel-Konstruktion mit Dreifachverglasung der Raico Bautechnik GmbH zurück.
Vorteil des Systems ist, dass sich Aufsatzkonstruktion und Verglasung über integrierte Schraubkanäle optimal kombinieren und montieren lassen. Die Eigenlasten der Fassade werden über Verklotzungen in die Riegel abgetragen, wobei Riegel und Pfosten in jedem zweiten Feld biegesteif verschweißt sind. Dazwischen existiert ein gelenkiger Riegelanschluss an die Pfosten. Um die Standfestigkeit der Konstruktion zu gewährleisten, wurde die Fassade zusätzlich in einen ein Meter tiefen Graben rund um das Bauwerk gestellt.
Trotz des standardisierten Fassadensystems gab es anspruchsvolle Details zu lösen. Eine Herausforderung war der Anschluss an das auskragende Dach, das mit der Blackbox verbunden ist. Um die hohen Lasten der Box von bis zu 1.000 Kilonewton während der Bauphase abzutragen, wurde sie mit Holzstämmen und Stahlstützen unterstützt. Der finale Absenkprozess verlief mittels hydraulischer Pressen millimetergenau und sukzessive, bis alle Stützen frei standen. Rainer Thoran, Projektleiter des Montagebetriebs Metallbau Windeck GmbH aus Kloster Lehnin, sagt: „Aus Zeitgründen wurde die Fassade bereits in der Rohbauphase angebaut, sodass sie beim Absenken der Box schon teilweise montiert war.“
Damit die Box beim Absenken nicht auf der Fassade aufliegt, wurde für den Fassadenkopfpunkt ein vertikal verschiebbarer Knoten entwickelt, der inklusive der Toleranzen das Verschieben von 16 Zentimetern zuließ. Die Auflager können jetzt bis zu 130 Millimeter Setzungen des Dachs aufnehmen. Bollinger + Grohmann Ingenieure hatten vorab alles bis ins kleinste Detail berechnet. Das Berliner Büro war für die Tragwerksplanung, Fassadenplanung, die Bauphysik und den Brandschutz zuständig. Elf Meter hohe, filigrane, verglaste Stahlrahmenfenster umkleiden nun das Gebäude auf 2.800 Quadratmetern.
Klimatisierung und Vogelschutz gesichert
Für die Klimatisierung des Gebäudes führten Inros Lackner SE aus Rostock Simulationsrechnungen durch, die eine optimale Kombination aus Verschattung, Klappen, Lüftungsöffnungen, Regelungstechnik und Bedruckung der Fassade ergaben. Für den sommerlichen Wärmeschutz dienen Vorhänge mit thermischen Eigenschaften. Sie sind einen halben Meter vor der Glasfassade angeordnet und oben und unten verspannt und können bei sehr starker Sonneneinstrahlung einfach zugezogen werden. Von außen gelangt unten Zuluft über Lüftungsöffnungen in den Raum, die oben über horizontale Entlüftungsklappen auf der Dachschräge abgeführt wird, ähnlich dem Kamineffekt. Die warme Luft bleibt hinter dem Vorhang, ohne ins Gebäude zu gelangen. Eine einfache, aber effektive Lösung. Zudem kühlen Bauteilaktivierungen im Fußboden bei sommerlichen Temperaturen. Konvektoren an der Fassade fangen im Winter den Kaltluftabfall ab.
Was die Verglasung angeht, wurde allerdings ein Fakt unterschätzt: möglicher Vogelschlag. Zuerst sollte eine punktuelle Bedruckung verhindern, dass Vögel gegen die großen spiegelnden Scheiben fliegen. Die Punkte hielt der NABU jedoch für zu klein. Nun gelang gemeinsam mit einem österreichischen Vogelschutzexperten ein Kompromiss: Eine nachträglich aufgeklebte Trägerfolie mit fünf Millimeter breiten, senkrechten Streifen im Abstand von zehn Zentimetern soll nun die Lösung sein. Naturschutz siegte über Optik.
Bärbel Rechenbach ist freie Baufachjournalistin in Berlin
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Anfangs dachte ich (angesichts eigener unrühmlicher Erfahrungen ) : „Toll, die kriegen Sichtbeton genau so hin, wie sich´s der Architekt wünscht.“ Beim weiterlesen dachte ich dann: „Welch eine Selbstbefriedigung!“ Da wird eine Wissenschaft betrieben als ginge es um die Herstellung von Reinräumen für die Computerchipindustrie. Das wirklich fatale ist jedoch, welche Zeichen diese „Bauhausbauten“ setzen. In einer Zeit, in der wirklich alle, auch die Architekten, vom Klimawandel und vom nachhaltigen Bauen reden, schmückt sich Weimar mit einem Betongebäude, das einem veritablen Luftangriff standhalten würde. 30 cm Tragwand, 20 cm Sichtbetonfertigteile. Weltweit verursacht allein die Zementproduktion wenigstens 5 % des CO2 Ausstoßes. Auch Das Gebäude in Dessau kommt kaum besser weg. Wegen der von uns Architekten so geliebte Transparenz liegt der vom ZEIT-Kritiker Tobias Timm so bezeichnete „Betonschlauch“ auf zwei 50 m voneinander entfernten Treppenhauskernen auf. Auch hier die Frage nach der Sinnhaftigkeit dieses dadurch statisch notwendigen Mehraufwandes an Stahl in Zeiten knapper werdender Ressourcen. Und dann versagten Stadt und Bund auch noch die Gelder für die geplante Photovoltaikanlage. Timm´s Verdikt: „Das Bauhaus ist in einer Blackbox gelandet, in einer Art Bunker.“ Auf dem „Betonschlauch“ wurde ein Satz meines Lieblingsschriftstellers Paul Scheerbart geschrieben: „Wollen wir unsere Kultur auf ein höheres Niveau bringen, so sind wir wohl oder übel gezwungen, unsere Architektur umzuwandeln. Und dieses wird uns nur dann möglich sein, wenn wir den Räumen, in denen wir leben, dass geschlossene nehmen. Das aber können wir nur durch die Einführung der Glasarchitektur.“ Heute hätte Scheerbart bezüglich der schlichten Erhaltung unserer Kultur sicherlich einen Satz zum nachhaltigen Bauen hinzugefügt.
Haben wir es hier mit einem negativ denkenden Kollegen zu tun, der ganz schlechte Stimmung erzeugt!?
Es macht doch ein Unterschied, ob „Max Jedermann“ schon für einen SUV doppelt so viel Beton für seine Garage verbraucht, oder ob man ein Museum des Bauhauses vor sich sieht.
Mies van der Rohe hat für die „National Galerie Berlin“ das 10-fache an Stahl verbaut, um diese Wirkung zu erzeugen. Wäre sie aus der Architekturwelt weg zu denken?
Sollen wir gar den Abbau fordern und den Stahl für Hämmer wiederverwenden?
Vielleicht, um ein nachhaltigeres Werkzeug zu schaffen, um damit den zukünftigen Idioten die Schädel einzuschlagen? Ich glaube nicht.
Zum Weimarer Museum liest man in diesem Artikel: „In diesem Outfit bildet der Kubus heute einen starken Kontrast zum benachbarten Gauforum von 1937.“
Das ist ja wohl ein Witz. Bitte mal das Gauforum, das heute ein Einkaufszentrum ist, googeln, wer noch nicht vor Ort war. Die Ähnlichkeiten von dessen Zentralgebäude mit dem Bauhaus-Museum sind augenfällig. Das Museum hat das monumentalere Eingangstor, das Einkaufszentrum bekam freundliche Figuren aufgemalt. Beide Gebäude sprechen eine maßstabslose, ja totalitäre Sprache.
Und wenn Architektin Hanada zitiert wird mit den Worten „Ich finde Beton zukunftsweisend“, muss sie sich einen Seitenhieb auf dessen Umweltbilanz schon gefallen lassen. Für den primitiven Baukörper, den sie da entworfen hat, wäre diese Bauweise nicht notwenig gewesen.