Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Alle mitnehmen und dann simulieren“ im Deutschen Architektenblatt 11.2019 erschienen.
Von Lars Klaaßen
„Am Anfang war der Frust“, erzählt Ralf Nähring: „Der Eigentümer unserer Räume in Köln-Ehrenfeld, wo wir seit 2014 beheimatet waren, hatte überraschend wegen Eigenbedarf gekündigt.“ Innerhalb kürzester Zeit musste die Kreativagentur dreiform sich im Jahr 2017 neue Räume suchen. Die beiden Geschäftsführer, der Designer Nähring und sein Kompagnon, der Architekt Clemens von Gizycki, fanden zwar bald eine neue Adresse für ihre seinerzeit 25 Mitarbeiter. Doch das war nur die halbe Miete. Es galt, abgesehen vom engen Zeitfenster für den Umzug, alle davon zu überzeugen, der zukünftigen Heimat in Hürth, kurz hinterm Kölner Stadtrand, positive Aspekte abzugewinnen. „Wir wollten einen starken Identifikationsort für alle Mitarbeiter schaffen“, so Nähring. Die baulichen Voraussetzungen dafür stimmten jedenfalls: Die große ehemalige Gießereihalle punktet mit Backsteinwänden und einer großen Glasfront. Unter der hohen Decke ist eine Laufkatze immer noch einsatzbereit.
Inspirierende Räume zu schaffen, gehört zum Kerngeschäft des Unternehmens, das seinen Schwerpunkt in der Gestaltung von Innovationsräumen und Arbeitswelten hat, an denen sich reale Räume mit digitalen Werkzeugen verbinden. Was das Team sonst für seine Kunden macht, wendete es nun für den Eigenbedarf an. Von Vorteil für eine schnelle Entscheidungsfindung war in diesem Fall, dass dreiform dabei nicht nur als Auftraggeber, Investor und Planer agierte, sondern ebenso als Kunde und Nutzer.
Wunschprofil für das Büro
„In einem ersten Schritt haben wir alle Mitarbeiter zu einer anonymen Umfrage eingeladen, um ein Gesamtbild der Bedürfnisse und der Wünsche an eine optimale Arbeitsumgebung zu erhalten“, berichtet Nähring. „Das Team konnte sich sowohl zu den Vor- und Nachteilen im damaligen Kölner Büro äußern, als auch Anforderungen und ein Wunschprofil für die neuen Räume formulieren, etwa eine bessere Raumakustik, eine größere Technologiewerkstatt und eine Küche, in der alle gemeinsam essen können.“ Auch individuelle Vorlieben wie Pflanzen, ein Raum mit Musik und die Möglichkeit, barfuß durchs Büro laufen zu können, wurden in der weiteren Planung aufgegriffen. Dieses Meinungsbild diente als Grundlage für die Entwicklung des Flächenkonzepts: „Wir hatten uns auf dem Weg dorthin gefragt, was wir einem Kunden in dieser Situation empfehlen würden“, so Nähring.
20 Tage lang arbeitete das multidisziplinäre Team an der räumlichen Zukunft, dem dreiform-„Office 4.0“. Start für die Planungsphase war dann ein Pen+Paper-Workshop in der noch leeren Gießereihalle. Fünf Teamleiter moderierten die Arbeitsgruppen zu verschiedenen Raumbereichen. Vier Ziele waren zu definieren: Nutzung, Ausstattung, „Look and Feel“ und Büro-Regeln. Drei Monate nach dem Workshop fand der Umzug statt. „Die Ergebnisse“, betont Nähring, „wurden zu rund 90 Prozent umgesetzt“.
Probezeit in der Virtual Reality
Obwohl alles schnell gehen musste, nahm das Unternehmen sich die Zeit, den Entwurf auf dem Rechner zu simulieren – eine der Kernkompetenzen von dreiform. Wie auch in anderen Projekten, kam VR-Software wie Unity und Twinmotion zum Einsatz. Mithilfe einer Virtual-Reality-Visualisierung konnte man die neue Arbeitswelt unmittelbar auf ihre Funktionalität prüfen. Der zukünftige Arbeitsplatz wurde für alle Mitarbeiter durch die VR-Brille vorstell- und erlebbar, ehe er realisiert wurde.
Nach sechs Monaten war der neue Standort fertig – inklusive sechs teilverglaster Seecontainer, in denen unter anderem Plätze für Telefonkonferenzen und das Lab für VR-Simulation untergebracht wurden; dazu noch spezielle Weitspannregale und ein Working-Café mit Restaurant-Feeling. Das heimliche Herzstück ist aber das neue „d-lab“, ein Technologielabor für die Entwicklung von Natural User Interfaces. Hier werden projektrelevante Software- und Hardware-Technologien prototypisch entwickelt und den Kunden als Eins-zu-eins-Demonstration vorgestellt.
Office 4.0 bleibt Beta-Version
Dreiform bespielt die Industriehalle nun seit gut einem Jahr und hat sich im neuen Zuhause eingelebt. Doch für Nähring wird das „Office 4.0“ immer eine Beta-Version sein: „Wir bleiben nicht bei einem Ergebnis stehen, sondern entwickeln unsere Arbeitsräume permanent weiter, so wie wir uns eben mit allen Mitarbeitern weiterentwickeln.“ Zu dieser sozialen Komponente braucht es nicht immer den digitalen Werkzeugkasten. Hin und wieder können sie bei dreiform ihr „d-lab“ aber dann doch gut für den Eigenbedarf gebrauchen.
Videos vom Planungs- und Bauprozess sind hier zu sehen.
Und hier der Blick durch die VR-Brille auf die simulierte Arbeitswelt:
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