In den vergangenen zehn Jahren nahm die Zahl der Berufsanfänger stetig zu. In der Folge ist der Berufsstand heute relativ jung: 30 Prozent der Architekten in Europa sind unter 40 Jahre alt und 15 Prozent können auf weniger als fünf Jahre Berufserfahrung zurückblicken. Mit dieser Feststellung beginnt ein Statement, das die Ergebnisse einer „Perspektiven“ betitelten Konferenz zusammenfasst, zu der das Architects’ Council of Europe junge Architekten aus ganz Europa nach Barcelona eingeladen hatte.
Partizipative Entscheidungen
Die jungen Architekten erinnern daran, dass „man“ zu oft vergesse, für wen Gebäude realisiert werden. Darum sei es notwendig, künftig partizipative Entscheidungsprozesse zu befördern, die „von unten nach oben“ wirkten, um alle Stakeholder an der Entwicklung von Architektur zu beteiligen. Private Investoren betrachteten Gebäude vor allem als Renditeobjekte, was im Ergebnis zu einer sich vielerorts ähnelnden Architektur führe, die Schönheit vermissen lasse, so die Autoren. Die bestehenden gesetzlichen Rahmenbedingungen in den Ländern und in Europa trügen dem Umstand, dass eine hohe Gestaltungsqualität der gebauten Umwelt im Gemeininteresse liege, nur unzureichend Rechnung. „Unsere Gesellschaft braucht mehr direkte Demokratie“, heißt es im Text.
Endlichkeit von Ressourcen
Vor dem Hintergrund der Endlichkeit von Ressourcen sehen die jungen Architekten insbesondere ihren Berufsstand und die Bauwirtschaft aufgerufen, Nachhaltigkeit als integralen Bestandteil von Architektur zu betrachten. „Die Herausforderungen unserer Zeit erfordern neue Herangehensweisen, die weit über das Greenwashing durch schicke Fassaden hinausgehen.“ Es gelte, die Verwendung nachwachsender und innovativer Baustoffe zu fördern und die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft ganzheitlich auf den Bausektor anzuwenden. BIM sei dabei als Werkzeug zu betrachten, besonders effizient und ressourcenschonend zu bauen.
Angemessene Bezahlung
Die jungen Architekten fordern des Weiteren, Praktikanten angemessen zu bezahlen und die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen auszugleichen. Sie appellieren an ihre Berufskollegen, stärkeres politisches Bewusstsein zu entwickeln und sich zum Anwalt eines wachsenden bürgerlichen Interesses an qualitätsvoll gebauten Wohn- und Arbeitsumgebungen zu machen. Dabei sei es vonnöten, das Verständnis von hochwertiger zeitgenössischer Architektur, ihren Wert für die Lebensqualität und die moderierende Rolle von Architekten im Spannungsfeld von Kostendruck und Baukultur stärker in der öffentlichen Wahrnehmung zu verankern.
Interdisziplinäre und internationale Zusammenarbeit
Die jungen Architekten erwarten, dass die EU diesen Kulturwandel durch grenzüberschreitende, interdisziplinäre Kollaborationen und eine transparentere, demokratische Gestaltung öffentlicher Vergabeprozesse befördert. Kritisch wird bemerkt, dass kleine Architekturbüros es durch hohe Umsatz- oder Referenz-Auflagen schwer haben, sich an öffentlichen Ausschreibungen zu beteiligen oder von privaten Investoren dominierte Wettbewerbsjurys mit innovativen Ansätzen zu überzeugen.
Das komplette Statement finden Sie hier
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