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Gleiche Chancen für alle!

Wir sollten überkommene Klischees der Architektenschaft infrage stellen

30.03.20203 Min. Kommentar schreiben
Präsidentin der Hamburgischen Architektenkammer Karin Loosen
Karin Loosen, Präsidentin der Hamburgischen Architektenkammer

Chancengleichheit zu fördern bedeutet zuallererst, anzuerkennen, dass nicht alle Menschen mit denselben Privilegien ausgestattet sind. Zugang zu Mitwirkung und Beteiligung herzustellen, ist jedoch mit Aufwand verbunden, nicht nur für diejenigen, die bisher benachteiligt waren, sondern auch und gerade für diejenigen, die sich ihrer Privilegiertheit vielleicht kaum bewusst waren und daher ein Mehr an Beteiligung als einen Verlust wahrnehmen.

Ein unbequemes Thema also, das inzwischen jedoch eine breitere gesellschaftliche Relevanz bekommen hat. Chancengleichheit bezog sich lange vor allem auf Geschlechtergerechtigkeit, da Frauen durch die Doppelbelastung von Familien- und Erwerbsarbeit als Planerinnen Nachteile in Kauf nehmen mussten und bis heute müssen.

Beispielsweise machen sich auch heute von den zahlreichen Architekturabsolventinnen nur 23 Prozent selbstständig; viele arbeiten in Teilzeit, ihre Arbeit ist weniger sichtbar und die Frauen werden auch in Architekturbüros für die gleiche Arbeit schlechter bezahlt. Familiengründung bedeutet bis heute immer noch einen Bruch im Werdegang, meist für die Frauen – aber nicht mehr nur.

Wenn jedoch gut ausgebildete Menschen sich beruflich nicht in dem Maß engagieren können, in dem sie es gerne möchten, wenn strukturelle Hindernisse bestehen oder die mangelnde Vereinbarkeit von Beruf und Familie gegen eine Übernahme von Verantwortung spricht, muss etwas grundsätzlich angegangen werden. Diese Veränderungen werden im Büroalltag langsam spürbar: Vor allem jüngere Kolleginnen und Kollegen kommen mit individuellen Lebensentwürfen und anderen Ansprüchen in die Unternehmen. Flexible Arbeitszeiten, eine individuelle „Work-Life-Balance“ und Elternzeiten werden zunehmend erwartet – und bedeuten für Büros einen Spagat, diesen Ansprüchen gerecht zu werden und dennoch leistungsfähig zu bleiben im hohen Termindruck des Geschäfts mit all den Abgabefristen und engen Zeitplänen.

Daher ist auch eine Reflexion der Erwartungen anderer an uns und unserer eigenen Vorstellungen wichtig. Es erfordert Mut, alle einzuladen, mitzugestalten, und auch Mut, sich selbst einzubringen. Gerade jetzt, wenn Honorarhöhen verhandelt werden müssen, brauchen wir ein klares Bild unserer Rolle und unserer Qualitäten, ganz individuell, aber auch als Berufsstand. Dieses Aushandeln sollte uns motivieren, Werte zu definieren und überkommene Klischees der Architektenschaft infrage zu stellen.

Dieser Prozess ist wichtig, da Digitalisierung, Klimaschutz und demografische Verschiebungen unseren Berufsalltag stark wandeln. Sie verändern vielleicht weniger das, was wir tun, haben aber großen Einfluss darauf, wie wir es tun. Die projektbezogene Zusammenarbeit wird immer relevanter und Kommunikation macht zunehmend einen Teil unserer Leistungen aus. Kammern können hier unterstützen, beispielsweise mit Fortbildung und Vernetzung. Sie sollten aber auch gezielt diejenigen ermutigen, die bisher wenig beteiligt waren.

Mit dem weithin beachteten Symposium „Chancengleich planen > Digitalisierung nutzen“ in Hamburg konnten wir die Zusammenhänge letztes Jahr gut untersuchen. Eine Erkenntnis war: Auf zukünftige Entwicklungen wird flexibler und damit resilienter reagiert, wenn Offenheit und Vielfalt im eigenen Berufsstand vorhanden sind. Daher ist ein Streben nach echter Beteiligung vieler – eben Chancengleichheit – unerlässlich für die Zukunft unseres Berufsstandes. Und die fängt ja bekanntlich jetzt gerade an.

Karin Loosen, Präsidentin der Hamburgischen Architektenkammer

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