Seit zwei Tagen wird hier mit über 130 Fachschaftsvertretenden aus 34 Universitäten lebhaft diskutiert (Hier sehen und lesen Sie Eindrücke vom Vernetzungstreffen). Gibt es einen aktuellen Anlass für den intensiven Austausch?
Körber: Wir erleben gerade eine Aufbruchstimmung. Wir Architekturfachschaften haben angefangen, uns zu treffen, und dabei gemerkt: „Wow, wir studieren alle das Gleiche, aber agieren völlig unterschiedlich!“ Manche Fachschaften sind eingetragene Vereine, manche werden auch gar nicht gewählt. Diese Bandbreite gibt es auch bei anderen Themen, etwa bei der Ausstattung an den Hochschulen. Durch den Austausch haben wir die Vielfalt erkannt und das Potenzial entdeckt, uns zusammenzuschließen.
Dahinten: Für das Alltagsproblem der einen haben die anderen schon eine Lösung – im Austausch können wir vieles besser lösen und eine gemeinsame Position der Studierenden entwickeln. Ziel ist die Gründung einer Organisation, die unseren jungen Berufsstand vertritt, also Studierende und junge Absolventen.
Warum die Nähe zur Kammer, wenn Sie sich untereinander vernetzen wollen?
Dahinten: Als angehende Architektinnen und Architekten ist es ja auch unsere Berufskammer. Dazu wollen wir keine Konkurrenz sein. Aber es fehlt der Lückenschluss zwischen Studium und Kammermitgliedschaft. Wir Jungen entwickeln eine Haltung zu Themen, die über die Hochschulen hinausgeht, etwa bei der Nachhaltigkeit. Diese Haltung soll irgendwo Raum finden, den es momentan nicht gibt, weil die Kammern erst später zugänglich sind.
Herr Prinz, warum denken Sie gerade jetzt über eine bessere Einbindung des Nachwuchses nach?
Prinz: Der Nachholbedarf wurde immer sichtbarer. Die Kammern halten den Kontakt zu den Hochschulen, aber mehr zu den Dekanaten als zu den Studierenden. Es gibt zwar gemeinsame Veranstaltungen, aber es hilft wenig, Erstsemestern zu erklären, was passiert, wenn sie irgendwann mal in die Kammer eintreten. Das ist genau diese Lücke, die einige Länderkammern jetzt anfangen zu schließen. Baden-Württemberg hat zum Beispiel schon lange Architekten im Praktikum und Nachwuchsarchitekten im Vorstand. Niedersachsen überlegt, den Junior-Architekten einzuführen. Die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen hat die jungen Planer in der AKNW.
Sind Themen in der Vergangenheit aus dem Fokus gefallen, weil es keine Interessenvertretung der angehenden Architektinnen und Architekten gab?
Prinz: Es gibt inhaltliche Lücken zwischen Lehre und Praxis. Zum Beispiel bei der Digitalisierung. Ich glaube, die Fridays-for-Future-Bewegungen haben, zumindest auf Kammerseite, zu dem Bewusstsein geführt, dass wir mehr für die nächsten Generationen tun müssen, damit diese später gut leben. Es geht nicht um zukünftige Beitragszahler, sondern darum, dass wir alle zusammen zukunftsfähige Architekturen und Stadtplanungen entwickeln.
Arbeitgeber beklagen den Wissensmangel der Absolventen, Absolventen die fehlende Wertschätzung durch Arbeitgeber. Gibt es einen Interessenkonflikt für Sie als BAK?
Prinz: Ich finde es sehr gut, dass wir den gesamten Berufsstand, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, vertreten. Die Zahlung von Gehältern ist ja auch für beide ein Thema. Der Interessenkonflikt ist für uns also nicht neu. Solche Konflikte halten wir aus, diskutieren sie und lösen sie meist innerhalb des Berufsstandes.
Frau Körber, was wünschen sich die Studierenden von den Architektenkammern?
Körber: Bisher wurde unsere Stimme von den Kammern oft nicht gehört. Das kann sich nun ändern. Die Tatsache, dass wir gemeinsam reflektieren, wie man bestimmte Punkte verbessern kann, zeigt, wo wir zusammen hingehen können. Es gibt natürlich vieles, das man verbessern könnte, wie die Mitbestimmung der Studierenden bei der Lehre und der Akkreditierung. Aber es gibt auch vieles, das gar nicht so schlecht läuft.
Herr Prinz, Sie fordern einen roten Faden von Schule über Studium bis zum Beruf. Wie sieht der rote Faden bei einem so vielfältigen Berufsbild aus?
Prinz: Es geht um die Kammereintragung am Schluss. Abiturienten, die später die Berufsbezeichnung Architekt oder Architektin, Stadtplaner, Landschafts- oder Innenarchitektin tragen möchten, müssen vor Studienbeginn wissen, was sie dafür studieren müssen. Das wissen sie aber heute nicht verlässlich, unter anderem aufgrund der Modularisierung der Studiengänge. Jahrelang studiert man, kommt dann mit seinen ganzen Abschlüssen zur Kammer und fragt: „Reicht das für die Kammereintragung?“ Das ist ein unhaltbarer Zustand. Dieser rote Faden von der Aufnahme des Studiums bis zur Kammereintragung und zur Berufsausübung sollte genau feststehen.
Ist bei dieser Heterogenität der Standards und Lehrschwerpunkte die Basis für eine gemeinsame Stimme der Studierenden denn überhaupt gegeben?
Dahinten: Ja, das ist sehr heterogen. Aber die gute Basis ist die enorme Aufbruchstimmung und der Gestaltungswille, der ja auch sehr typisch für unseren Berufsstand ist. Von daher: Die Vernetzung ist eine große Chance.
Sie möchten eine unabhängige Organisation gründen, ein Bindeglied zwischen Hochschule, Kammer und Praxis. Welche Vorteile sehen Sie in der Unabhängigkeit?
Dahinten: Unsere Stimme wiegt stärker, wenn wir selbstständig sind. Dann ist unsere Position klar erkennbar, und es ist einfacher für uns, sie klar auszusprechen. Ein eigenständiger Verein ist viel agiler und kann trotzdem partnerschaftlich mit den Kammern arbeiten.
Körber: Das ist auch eine praktische Frage. Wir haben ein föderales System: Wie würde eine Vernetzung der Jungen innerhalb der Länderkammern organisatorisch sinnvoll funktionieren? Besser ist die Vernetzung auf Bundesebene. Die bauen wir dann gleich unabhängig auf: nah beisammen, aber unabhängig.
Möchten Sie das Netzwerk weiter spannen, europaweit?
Körber: Das ist Zukunftsmusik. Aber wir träumen davon, sogar global mit einzelnen Ländern zusammenzuarbeiten, weil wir am Ende des Tages alle am Gleichen arbeiten. Von den USA können wir momentan viel lernen, weil das American Institute of Architecture Students schon seit fünfzig Jahren an allen Universitäten und Hochschulen in den USA fest etabliert ist.
Dahinten: Für das Treffen hier in Darmstadt haben wir Fachschaften aus der Schweiz, Österreich und Liechtenstein mit einbezogen. Denn Landesgrenzen sind für uns weniger wichtig als die Sprache, die uns verbindet. Erst mal sind wir deutschsprachig und dann wollen wir weiter gehen. Wir haben auch schon Organisationen in Großbritannien und in Frankreich identifiziert, sodass auch ein europäischer Dachverband für uns eine Rolle spielt. Und die Amerikaner träumen ohnehin von einer gemeinsamen Weltorganisation. Aber ein Schritt nach dem anderen.
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