„Relevanz“ – so war der Deutsche Architektentag im September 2019 in Berlin überschrieben. Damals lag Corona noch in weiter Ferne. Bei Relevanz denkt man in diesem Jahr in erster Linie an Pflegekräfte, an Erzieherinnen und Erzieher und an die Beschäftigten im Lebensmittelhandel. Relevant sind aber auch Architekten, Innen- und Landschaftsarchitektinnen sowie Stadtplaner – heute ebenso wie im letzten Jahr und vor allem in Zukunft.
Planung ist und bleibt wertvoll! Auch wenn die Zeiten (nicht nur wirtschaftlich) schwierig sind, auch wenn das Planen und vor allem das Bauen in der Pandemie mit Hindernissen verbunden ist: Gerade jetzt dürfen wir unsere Leistungen nicht unter Wert verkaufen, sondern müssen die gesellschaftliche Bedeutung guter und nachhaltiger Gestaltung deutlich machen. Wir Architektinnen und Architekten tragen dafür ein hohes Maß an Verantwortung.
Dass wir dieser Verantwortung nur dann gerecht werden können, wenn unsere Leistungen auch angemessen vergütet werden, das wissen wir nur zu gut. Doch müssen wir diese Erkenntnis unseren Bauherrinnen und Bauherren und auch der Gesellschaft, für die wir lebenswerte Gebäude, Innenräume und Freianlagen und damit Baukultur schaffen, immer wieder aufs Neue verdeutlichen.
Schließlich ist jeder Quadratzentimeter Wohnfläche mehr, der durch eine entsprechende Planung zusätzlich genehmigungsfähig wird, für diejenigen, die investieren, bares Geld wert. Eine gut geplante Schule, die allen Ansprüchen moderner Pädagogik gerecht wird, bedeutet einen erheblichen Mehrwert für Schülerinnen und Schüler sowie für die Lehrkräfte und prägt nachfolgende Generationen. Kulturbauten, neue Museen oder Tourismusbauten bereichern – wenn sie gut geplant und umgesetzt sind – Kommunen und Städte. Sie sind Besuchermagnete und damit auch wertvolle Einnahmequellen. Unternehmen stärken durch markante Firmengebäude ihre Marke, werden damit attraktiver sowohl für ihre Kundinnen und Kunden als auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und steigern so ihren Marktwert.
Diese Beispiele ließen sich beliebig fortschreiben. Eines haben sie alle gemeinsam: Ihr Erfolg hängt maßgeblich von einer qualitätvollen Planung ab. Gerade jetzt, da angesichts der Krise überall Struktur- und Konjunkturpakete, Rettungsschirme und Investitionshilfen beschlossen und verabreicht werden, muss genau das unsere Botschaft sein, wenn wir von diesen Maßnahmen profitieren wollen. Planung ist wertvoll – nicht nur gestalterisch, sondern beispielsweise auch im Hinblick auf den Umwelt- und Klimaschutz oder für den Erhalt des baukulturellen Erbes beim Bauen im Bestand. Diesen Wert gilt es einzufordern – vor, während und nach Corona.
Aktuell stehen wir vor der Novellierung der HOAI, die durch das EuGH-Urteil vom 4. Juli 2019 erforderlich geworden ist. Gerade weil wir uns nicht mehr hinter der Verbindlichkeit der Mindestsätze verstecken können, müssen wir selbstbewusst auftreten. Darin liegt auch eine große Chance – ob wir sie nutzen, liegt allein an uns. Planungsleistungen sind relevant und Relevanz hat ihren Preis. Mehr Selbstbewusstsein steht nicht nur den Pflegekräften gut zu Gesicht, sondern auch uns Architektinnen und Architekten.
Christine Degenhart, Präsidentin der Bayerischen Architektenkammer