Von Fabian P. Dahinten
Es ist Semesterendspurt, in dieser Phase bin ich eigentlich nur zum Duschen und gelegentlichem Schlafen aus der Hochschule nach Hause gegangen. Gegessen habe ich nur nebenbei beim Arbeiten, und der Arbeitsraum fühlte sich an wie meine eigentliche Wohnung. Spätestens wenn meine Kommiliton*innen anfingen, Jogginghose zu tragen und sich im Waschbecken des Studios die Zähne zu putzen, kam so ein leichtes Zeltlagerfeeling auf. Ich laufe, statt mit Jogginghose, eher mit einer Decke über die Schulter geschwungen rum. Das ist mein Endphasenlook.
Es ist nicht selten vorgekommen, dass ich zwei Wochen im Abgabemodus war, mein Schlafdefizit stieg dabei ins Bedenkliche. Mit der Projektabgabe kommt auch immer noch die Projektpräsentation. Es hat mich immer wieder überrascht, woher sich mein Körper hierfür noch einen letzten Schub Energie und Adrenalin holte. Ich habe sehr wenige Projektpräsentationen ausgeschlafen gehalten. Eigentlich keine. Auch nicht die meines Masters.
Eine ganz neue Perspektive auf die Entwurfspräsentation
Obwohl es nicht immer notwendig war, die eigene Arbeit vorzustellen, war es mir stets wichtig und ich habe nie eine Präsentation ausfallen lassen. Der Gedanke dabei: Wie soll mein Professor oder meine Professorin all meine Ideen und deren Umsetzung verstehen, wenn ich sie nicht erläutere?
Seit einigen Jahren unterstütze ich Studierende beim Entwurf, früher als Tutor und mittlerweile als Lehrbeauftragter. Damit hat sich mir eine ganz neue Perspektive eröffnet. Während ich früher davon überzeugt war, dass meine Gesamtnote direkt mit der Qualität meiner Vorstellung zusammenhängt, sehe ich diese Performance mittlerweile als Beiwerk: Es ist ganz nett, notwendig aber nicht. Ähnlich wie eine Schleife um ein Geschenk.
Die Toiletten findet man auch allein
Architekturwettbewerbe sind da noch konsequenter: Die Teilnehmer*innen haben keinerlei Möglichkeit, etwas dazu zu sagen. Oft sind die Arbeiten sogar anonym und werden von anderen Personen, die das Projekt kaum kennen, vorgestellt. Dann kommt es mehr denn je darauf an, dass die Zeichnungen und die Pläne für sich sprechen. Sie müssen die Idee sowie das Konzept präzise und mit ausreichend Atmosphäre vermitteln.
Nach meiner Erfahrung präsentierten meist Studierende mit den besten Arbeiten am nervösesten. Dabei ist die Arbeit getan, sobald die Pläne gedruckt (oder jetzt hochgeladen) sind. Die Präsentation ändert selten etwas an der Note. Daher bin ich mittlerweile davon überzeugt, dass es gerade in Coronazeiten in Ordnung ist, Projekte auch ohne Endpräsentation abzugeben.
Außerdem fangen die Präsentationen meist doch an mit: „Hier kommt man rein“ – oder dem Klassiker: „Hier sind die Toiletten“. Und die findet man auch allein.
Fabian P. Dahinten studierte Architektur an der Hochschule Darmstadt und startet nun ins Berufsleben.
Hier findet ihr alle Nachwuchs-Kolumnen von Fabian.
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