Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Städte für das Klima wandeln“ im Deutschen Architektenblatt 08.2020 erschienen.
Von Rosa Grewe
Es wird heiß in Deutschland. Das ergaben zwei Studien der TU Cottbus und des Hamburger Max-Planck-Instituts für Meteorologie aus dem Jahr 2008. Bis Ende des Jahrhunderts rechnen die Wissenschaftler mit einem Temperaturanstieg von circa 3 bis 4,5 °C im Jahresmittel. Gerade die Sommer werden heißer und trockener, vor allem in Süddeutschland. In anderen Regionen werden dagegen Starkregenereignisse und Flusshochwasser zum Problem. Wie genau sich die Veränderungen auf Pflanzen, Tiere und Menschen auswirken, ist unklar. Trotzdem müssen Städte und Gemeinden spätestens jetzt mögliche Folgen einplanen. „Es gibt verschiedene Modelle mit unterschiedlichen Aussagen. Wir versuchen, mit Klimaanpassungskonzepten eine möglichst hohe Flexibilität hinzukriegen“, so Dr. Antje Backhaus vom Berliner Planungsbüro gruppe F, die sich als Landschaftsarchitektin schon lange mit dem Klimawandel beschäftigt.
Karlsruhe: aktiv gegen Hitze
Zukünftige Hitzephasen treffen die sonnenverwöhnte Region zwischen Freiburg und Karlsruhe besonders stark. In Extremjahren werden in Karlsruhe über 70 heiße Sommertage mit über 30 Grad und nur mäßiger Nachtabkühlung prognostiziert. Doch Karlsruhe bereitet sich schon lange vor. Heike Dederer vom Stadtplanungsamt sagt: „Karlsruhe hat eine gute Grundstruktur mit viel Wald und Grün. Das begünstigte früh nachhaltige Stadtentwicklungen, bevor es überhaupt den Begriff der Klimaanpassung gab.“ Als Bund und Länder Programme für Klimaprojekte starteten, wurde Karlsruhe 2009 eine der ersten ExWoSt-Klima-Modellstädte und ab 2010 ein „Klimopass“-Projekt. 2015 formulierte die Stadt in ihrem Klimaanpassungskonzept unter anderem fünf konkrete Forderungen für die Stadt- und Grünraumplanung: Kaltluftschneisen mit 30 bis 100 Metern Breite, je nach Lage, sollen die Frischluftzufuhr aus dem Schwarzwald bis in die Kernstadt sicherstellen. Das erfordert eine aufgelockertere Bautypologie und eine Durchlüftung der Quartiere sowie mehr und gleichmäßiger verteilte Grünräume in der Stadt in maximal 400 Metern Abstand zu den Wohnräumen.
Auch eine Entkernung und Entsiegelung von mindesten 50 Prozent der Blockinnenflächen und Grundstücke ist nötig. Außerdem möchte man den Anteil der Stadtbäume deutlich erhöhen und so verteilen, dass Bäume durchgängig Schatten spenden und gleichzeitig Windschneisen belassen. Es gibt zahlreiche weitere Forderungen für Infrastruktur und Stadtökologie, unter anderem zum Hochwasserschutz oder zur Biodiversität. Das Entscheidende ist die politische Ebene: Der Klimaanpassungsplan ist für alle neuen Flächennutzungspläne, Bebauungspläne und Ausschreibungstexte verbindlich. So entstehen derzeit einige große, klimaangepasste Neubaugebiete. Dederer sagt: „Wir arbeiten jetzt daran, auch bestehende Bebauungspläne nachträglich zu überarbeiten und zum Beispiel den vorhandenen Baumbestand zu sichern.“
Kaltluftschneisen im City Park Quartier Karlsruhe
Ein frühes klimaangepasstes Städtebauprojekt war das Karlsruher City Park Quartier (Karl Bauer Landschaftsarchitekt, heute Bauer Landschaftsarchitekten und Rossmann und Partner Freie Architekten). Bereits 2000 genehmigt und 2015 fertiggestellt, beinhaltet sein Bebauungsplan die wichtigsten Punkte des späteren Klimaanpassungskonzeptes: Das Areal wurde etwa zur Hälfte als Grünfläche entwickelt, um der dicht besiedelten Karlsruher Südstadt eine Ausgleichsfläche zu geben. Der Park zieht sich weit in Richtung Kernstadt und bildet über seine unbebaute Südostseite eine wichtige Kaltluftschneise. Die neue Bebauung knüpft an den typischen Blockrand der Südstadt an, ist aber mit Straßenachsen und Abstandsflächen im Blockrand aufgelockert, damit Innenhöfe und Seitenstraßen vom Südostwind profitieren. Der Versiegelungsgrad ist deutlich reduziert, alle Innenhöfe und Dächer sind begrünt. Zahlreiche neue Bäume wurden entlang der langen, wohnungsnahen Parkseite, überwiegend außerhalb der Windschneise, gepflanzt. Der Park hat große Wiesenflächen sowie Versickerungsflächen für Regenwasser und Wasserflächen zur Verdunstungskühlung.
Künstliche Kühlung und künstliche Hügel
Ein aktuelles Projekt ist die Sanierung des südlichen Bahnhofsvorplatzes, ein mikroklimatisch schwieriger Ort: Zwei Hochhäuser werden bald den Platz flankieren, der sich dann nur nach Süden in Richtung Autobahn öffnet. Fassaden und der hohe Versiegelungsgrad führen zu Überhitzung, die Hochhäuser zu störenden Windverwirbelungen. Daher planten die Münchener Landschaftsarchitekten und -architektinnen von bauchplan ).(, zusammen mit berchtoldkrass space & options und dwd Ingenieure, einen klimagerechten Platz: Baumgruppen werden zu beiden Platzseiten Schatten spenden und Windwirbel bremsen. Die offenporige Betonfläche des Platzes wird eine Versickerung des Regenwassers und größere Auslässe für Gräserbeete ermöglichen. Regenwasser wird im Boden gespeichert und kann bei Hitze wieder verdunsten. Düsen im Boden sollen Nebelfelder erzeugen, die mit der Sonne über den Platz wandern und überhitzte Platzbereiche kühlen. Wassersprudler im Boden werden zusätzlich kühlen, den Verkehrslärm von der Autobahn mindern und eine Wasserspielfläche für Kinder bilden. Die klimaangepasste Gestaltung zielt auch auf eine Wahrnehmung durch die Öffentlichkeit. Ein vom Wind bewegter Paillettenvorhang an der Bahnhofsfassade wird den Platz in bewegtes, reflektiertes Licht tauchen.
Um den Umgang mit Flusshochwasser wiederum geht es bei einem Areal in Karlsruhe-Durlach. Dieses soll zukünftig als Sportfläche dienen – gleichzeitig wächst der Bedarf an Wasserrückhalteflächen in Rheinnähe. Um die gegensätzlichen Ansprüche zur Flächennutzung zu vereinen, entwickelte bauchplan ).( in einer Konzeptstudie eine klimaangepasste, synergetische Lösung als Basis für einen nachgeschalteten Planungswettbewerb, den das Büro für Landschaftsplanung HDK Dutt & Kist gewann. Der Entwurf sieht eine Verlagerung der Sportflächen auf Hügel vor. Dazwischen liegen mit Gräsern und Wildblumen bepflanzte Senken, in denen sich das Wasser aus Starkregen und übertretenden Wasserläufen stauen kann, ohne die Sportflächen zu gefährden.
Kopenhagen: auf dem Weg zur Schwammstadt
Um Hochwasserschutz geht es auch in Kopenhagen. Am 2. Juli 2011 gingen die Sintfluten auf die Stadt nieder. Das Wasser staute sich kniehoch in den Straßen und Erdgeschossen der Stadt. Es ließ sich nicht wegschippen, nicht aufhalten. Es suchte sich seinen Weg aus dem Meer, den Kanälen und Kanalisationen, und es ging erst, als die Regengüsse vorbei waren. Nur ein Jahr später stand Kopenhagens Skybrudsplan, der Hochwasserschutzplan, Teil des 2011 beschlossenen Klimaanpassungsplans der Stadt. Die Kosten für die geplanten Maßnahmen gegen Starkregen wurden auf 3,8 Milliarden Euro geschätzt – eine Alternative gibt es nicht.
Wasser leiten, nicht stoppen
Denn den Städten am Meer ist längst klar, dass sie zukünftig mit dem Hochwasser leben müssen. Da es sich mit zunehmendem Starkregen nicht mehr aufhalten lässt, ist die neue Strategie, das Wasser kontrolliert zurück ins Meer zu leiten und ihm dabei die Fläche zu geben, die es als Puffer braucht. Der Hochwasserschutzplan klassifiziert die Stadt in unterschiedliche Risikogebiete und benennt drei Handlungsfelder: Große Kanäle sollen das Regenwasser unterirdisch und getrennt vom Abwasser ins Meer zurückführen. Dazu soll das Regenwasser auch oberflächlich über Straßen, Plätze und Grünflächen abfließen. Außerdem sollen Pufferflächen große Wassermengen in Wasserbecken oder Senken speichern, um den Pegel beim Abfluss des Wassers zu senken. Das Ziel ist insgesamt ein Hochwasserpegel von maximal zehn Zentimetern über Straßenniveau, denn nur dann bleiben Infrastruktur und Häuser intakt.
Vom Boulevard zum Bach, vom Park zum See
Klare Maßnahmen, schwierige Umsetzung: Die Ballungsregion Kopenhagen hat über 7.300 Einwohner pro Quadratkilometer und ist fast doppelt so dicht besiedelt wie Berlin. Umbaumaßnahmen und Flächenreserven korrelieren mit verschiedenen Ansprüchen. Es braucht bis auf Quartiersebene individuelle, symbiotische und flexible Konzepte zur Flächennutzung.
Zwei deutsche Büros für Landschaftsarchitektur, Ramboll Studio Dreiseitl aus Überlingen und das Berliner Planungsbüro gruppe F, fanden passende Lösungen. Beide Büros simulierten für verschiedene Stadtteile Starkregenereignisse: Wo flutet Wasser Flächen, wo läuft es ab und wo liegen die sogenannten „Skybrudsboulevards“, die Wolkenbruch-Straßen, die bei Starkregen unter Wasser stehen? Antje Backhaus von gruppe F sagt: „Wir haben Vorschläge zur Gestaltung bestimmter Straßen als Notwasserwege oder Retentionsräume gemacht, damit Starkregenwasser, ohne Schaden anzurichten, ins Meer abfließt. Statistisch sollte das alle hundert Jahre passieren, vielleicht passiert es in Zukunft etwas häufiger. Die Frage ist daher: Wie erfüllen diese Retentionsräume auch alle anderen Anforderungen, die wir sonst noch an den Stadtraum haben?“
Überflutungen planerisch und gestalterisch integrieren
Diese Frage beantworten beide Büros für die verschiedenen Stadträume in Kopenhagen. Ramboll Studio Dreiseitl überarbeitete exemplarisch den Querschnitt einer Straße. Die Architekten teilten die Fahrbahn in drei Spuren, bei denen nur die mittige befahrbar ist. Die äußeren haben ein Gefälle, sind begrünt oder bieten Spiel- und Sitzflächen. Bei Regen läuft das Wasser über eine Rinne in den Kanal oder über die Oberfläche in die Pflanzbereiche und kann dort versickern. Bei Starkregen kann sich das Wasser mehrere Zentimeter auf der abgesenkten Straße stauen, ohne die Bürgersteige oder Hauseingänge zu fluten. Ähnliches plante gruppe F für den Stadtteil Amager, wo sie den Umbau einer breiten Straße als Abflussroute mit einer mittig verlaufenden, begrünten Senke vorschlug, in der außerhalb der Starkregenereignisse nur ein kleines Bächlein verläuft.
Dieses Konzept der Senke schlugen beide Büros auch für Parks und sogar Quartiersplätze vor, die dann bei Starkregen großflächig unter Wasser gesetzt werden können und so ein großes Rückhaltebecken bilden. Auf diese Weise möchte Ramboll Studio Dreiseitl zum Beispiel den Wasserstand des in der Innenstadt liegenden Sankt-Jørgens-See absenken, damit der See Starkregen auffangen kann. Für die Uferlandschaft planten sie eine neue Topografie, damit sich das Wasser auch hier nach Bedarf bis in die Senken ausweitet. Ohne solche Retentionsflächen für Wasser wären bei Starkregen der Wasserpegel und die Fließgeschwindigkeit in den Straßen gefährlich hoch.
In etwa zehn Jahren sollen die meisten Projekte des Skybrudsplan fertiggestellt sein. Auch andernorts, zum Beispiel in Rotterdam, entstehen derzeit viele multifunktionale, urbane Hochwasserschutzflächen. Wo Fläche knapp ist, sind Städte zur intelligenten Mehrfachbelegung derselben gezwungen.
Städte müssen dem Klimawandel schneller begegnen
Doch die Flexibilität der Flächen hat auch ihre Grenzen, wie Antje Backhaus sagt: „Man kann Flächen nicht immer noch kleiner und noch multifunktionaler machen, da ist irgendwann Schluss. Wir müssen sehen, wie sich Dinge kombinieren und unsere Gesetze dafür ändern lassen.“ Letzteres ist übrigens das, was Karlsruhe und Kopenhagen den Vorsprung verschaffte: Zielvereinbarungen wurden hier sehr schnell zu verbindlichen Planungsauflagen für Hochbau-, Freiraum- und Infrastrukturplanung sowie für die laufende Instandhaltung. Diese gelten und werden längst umgesetzt, während andere Städte noch über Klima-Ziele diskutieren.
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