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Sorge um den Bestand: Reparieren statt Wegwerfen

Zehn Strategien und Projektbeispiele stellt der BDA in seiner neuen Publikation vor, die von einer (vorerst geschlossenen) Ausstellung im Berliner DAZ begleitet wird. Die Ansätze sind gemeinwohlorientiert, regional vernetzt und offen für Veränderungen.

06.01.20214 Min. Kommentar schreiben

„Reparieren lohnt nicht“: Die Wegwerfgesellschaft, hat sich angesichts des schnell fortschreitenden Klimawandels überlebt. „Es muss sich rechnen“: Die dominierende immobilienökonomische Sichtweise, stellt allzu häufig den Wert von Bausubstanz angesichts von kurzfristigem Rentabilitäts- und technischem Veränderungsdruck infrage. Umdenken ist erforderlich, im kleinen Maßstab des gewohnten privaten Konsums wie im großen Maßstab des immens ressourcenintensiven Bauens.

„Das Bestehende zu erhalten und weiterzubauen, den kulturellen und ökologischen Wert des Gebäudebestands weiterzudenken, ist eine große Zukunftsoption, um die Zusammenhänge zwischen Gebäude und Stadt, zwischen individuellen und gesellschaftlichen Bedürfnissen in eine ökologische Balance zu bringen“, schreibt Susanne Wartzeck, Präsidentin des Bundes Deutscher Architektinnen und Architekten BDA, in der Einleitung. Die Publikation ist ein Plädoyer für die verantwortungsvolle Pflege vorhandener Substanz über die bislang betriebswirtschaftlich begründete Lebensdauer von dreißig Jahren für Gebäude hinaus sowie für eine neue, bezahlbare Umbaukultur in Ergänzung zum dringend notwendigen Neubau in allen Preissegmenten.

Erhalt der Umwelt und sozialer Strukturen

In zehn Strategien stellen Architektinnen und Urbanisten ihre Sorge um den Gebäudebestand vor, die das Sorgetragen um gewachsene soziale Strukturen sowie für den Erhalt der Umwelt einschließen. Sie plädieren für ein Weiterdenken und achtsames Reparieren von Lebensräumen und Wohnkulturen. Sie zeigen, wie sich neue Perspektiven im urbanen und regionalen Kontext durch vernetzte Ansätze, durch gemeinwohlorientierte Kooperationen und durch Beteiligungskonzepte ergeben. Für den künftigen Bestand, also die heute errichteten Gebäude, werden Strategien für den zirkulären Materialeinsatz und eine Offenheit für kommende Anforderungen entwickelt. Die Konzepte eint, dass sie schrittweise umsetzbar sind und sich durch kleinstmögliche Eingriffe und einen geringen Ressourceneinsatz auszeichnen, statt auf kosten- und materialintensive Totalumbauten zu setzen. Projektbeispiele, die Arbeitsweise, Haltung und Expertise der beteiligten Architekten widerspiegeln, begleiten und veranschaulichen die formulierten Strategien.

Bestand neu entdecken

Strategie Nummer eins, der „Aufbruch ins Bestehende“, ist der Aufruf zu einem reduktiven Ansatz, der im Bestehenden durch kreatives Interagieren und Weiternutzen gesellschaftliche Zukunftsräume schafft. Die Verfasser und Architekten Katja Fischer und Jan Kampshoff beschreiben die Rolle von Allianzen und Teilhabeprozessen, die zu einer geänderten Sichtweise auf das Vorhandene führen. Der beispielhaften Illustration dient die Wiederbelebung des lange Zeit leerstehenden Eiermannbaus in Apolda, der zu einem vielseitigen Kreativ- und Produktionsort weiterentwickelt wird.

Krapfen statt Donuts

„Aus Donuts müssen Krapfen werden“ lautet der Titel einer Strategie zur Aktivierung des Leerstands in Stadt- und Dorfzentren, die anerkennt, dass Verlorenes nicht wiederbelebt, aber neu interpretiert werden kann. Dies gelingt dann am besten, so die Verfasser und Architekten Roland Gruber, Maria Isabettini und Peter Nageler, wenn die Menschen vor Ort die Zukunftsbilder für ihre Lebenswirklichkeit mitentwickeln. Als Best-Practice-Beispiel wird die Belebung des Stadtkerns von Trofaiach, einer Kleinstadt in der Steiermark, vorgestellt.

Dass die heute errichteten Gebäude der Bestand von morgen sind und damit kommende ökologische Fragen begründen, ruft der Beitrag „Wachsender Bestand“ der Architekten Aysin İpekci und Kamiel Klaasse anhand des Beispiels eines Terrassenhauses in Frankfurt am Main ins Bewusstsein. Der Neubau wird nachhaltig entwickelt, weist unterschiedlich große Wohnungsgrundrisse sowie Gemeinschaftsräume auf und sorgt mit der barrierearmen Ausführung für eine generationenübergreifende Wohnmöglichkeit.

Ausstellung und Podcast

Die Publikation des BDA wird von einer Ausstellung im Berliner DAZ begleitet, die für die Öffentlichkeit zugänglich ist, sobald es die aktuellen Entwicklungen wieder zulassen. Interessierte können sich vorab im Rahmen einer filmischen Führung ein Bild vom Ausstellungskonzept machen.

Überdies ist zum Buch- und Ausstellungsthema ein Podcast in der Reihe des BDA-Denklabors „Don’t Waste the Crisis“ erschienen: BDA-Präsidentin Susanne Wartzeck spricht mit der Staatssekretärin Anne Katrin Bohle aus dem Bundesbauministerium über die politischen Rahmenbedingungen, die notwendig sind, um effektiv Sorge um den Bestand tragen zu können.

 

Olaf Bahner / Matthias Böttger / Laura Holzberg (Hg.) für den Bund Deutscher Architektinnen und Architekten BDA
Sorge um den Bestand. Zehn Strategien für die Architektur
Jovis Verlag, 2020
208 Seiten, 28 Euro

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