Jedes Mal, wenn ich um diese Ecke komme, atme ich unwillkürlich tief ein. Gerade noch im Schwarzwald, und nur eine halbe Drehung weiter breitet sich die Oberrheinebene vor mir aus. Hinter mir die kahle Kuppe des Feldbergs, des höchsten Bergs im Schwarzwald, und vor mir am Horizont, zum Greifen nah, die französischen Vogesen und das Rheinknie bei Basel.
Jedes Mal bin ich überwältigt, schießen mir nur Superlative wie „Wahnsinn!“ oder „Bombastisch!“ durch den Kopf. Sonnenauf- und -untergänge verschieben die Atmosphäre ins leicht Entrückte, je nach Farbeffekt auch mal ins Kitschige, ganz zu schweigen von frischem Schnee und Eiskristallglitzer.
Der Stohren ist ein sprechender Ort
Als Landschaftsarchitektin gehört es für mich zum Handwerk, den Genius Loci eines Ortes zu erspüren. Mehr noch als die Hochbauarchitektur lebt die Freiraumplanung vom Einbeziehen und Antworten auf die Umgebung. Bei jedem Projekt erlebe ich den Moment, in dem der Ort zu mir „spricht“ und ich intuitiv Visionen für die passende Gestaltung entwickle. Das hört sich esoterischer an, als es in Wirklichkeit ist: einfach der ganz normale kreative Prozess.
Manche Orte sprechen verhaltener, andere Orte rufen laut. Die Stelle zwischen Münstertal und Oberrieder Tal klang schon beim ersten Besuch wie ein Liebeslied. Die ungewöhnliche Spannung dieses Ortes entsteht aus dem unmittelbaren Kontrast der beiden charakteristischen Landschaftstypen: kleinteilige, dunkelgrüne Berglandschaft und weites, bläuliches Tal, oben und unten, das unterschiedliche Licht im Osten und Westen.
Hotelumbau als Mammutaufgabe
Über sieben Jahre habe ich hier die Herstellung der Außenanlagen für ein ambitioniertes Hotelprojekt geleitet. Das ehemalige Hotel Burggraf aus den 1930ern steht an einem einmaligen Ort direkt an der Abbruchkante des Schwarzwalds in den Oberrheingraben. Aus den Zimmern schaut man entweder über die sanften Hügel und Hänge des Südschwarzwalds oder geradewegs in die Tiefe nach Freiburg und in den Breisgau.
Seit 2010 erwecken ein paar Privatleute den alten Schatz als „Berghaus Freiburg“ zu neuem Leben. Das Projekt erlebte etliche Berg- und Talfahrten und wird dank viel Durchhaltevermögen gerade fertiggestellt.
Baustellentermine wie bezahlter Urlaub
Seit der ersten Ortsbegehung gehört dieser Ort zu meinen absoluten Lieblingsprojekten. Die Baustellentermine auf 1.161 Metern sind für mich eher bezahlter Urlaub. Wenn es im Sommer unten in Freiburg unerträglich heiß ist, bin ich erleichtert, wenn mich hier oben kühle Luft empfängt. Im Winter, wenn die Stadt bei Inversionswetterlage unter einer zähen Nebeldecke verschwindet, danke ich innerlich für eine Stunde Sonnenschein und blauen Himmel. Am liebsten erledige ich meine Protokolle gleich hier oben auf dem Parkplatz hinter der Kurve oder hänge noch einen Mittagsspaziergang an den Termin. Einfach auf die Bank setzen und das Gesicht in die Sonne halten geht natürlich auch.
Wer eine Vollmondnacht auf dem Stohren verbringt, erlebt während der Farborgie des Sonnenuntergangs, wie sich hinterrücks eine riesige orangefarbene Kugel über dem schon dunklen Feldberg emporschiebt. Einfach Wahnsinn!
Stohren ist schnell erreichbar
Von Freiburg aus ist der Stohren zu Fuß in drei bis vier Stunden zu erwandern. Einfacher geht es mit der Schauinslandbahn (für die Technikaffinen: längste Umlaufseilbahn Deutschlands!) ab Günterstal und einem halbstündigen Fußweg entlang der Abbruchkante. Eilige sind mit dem Auto in 20 Minuten oben.
Wer es nicht glaubt oder statt einer Freiluftübernachtung das weiche Bett bevorzugt: Das Appartementhotel hat, je nach aktueller Corona-Regel, seit Dezember geöffnet. Die Bauleitung ist für mich damit leider vorbei!
Katja Richter, Landschaftsarchitektin und Fachjournalistin, Freiburg
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das macht Lust dort hin zu fahren.
Vielen Dank für den schönen Tipp