Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Die Krux mit der Akustik“ im Deutschen Architektenblatt 04.2021 erschienen.
Von Alfred Schmitz
Noch bis vor wenigen Jahren wurde die akustische Gestaltung von Büroräumen eher nachrangig behandelt. Die Fragen waren einfach und die Lösungen pragmatisch. Sofern ein Anspruch auf Vertraulichkeit bei Gesprächen innerhalb der Büros oder bei Telefonaten bestand, wurden meist Ein- bis Zweipersonenbüros realisiert. Sofern kein direkter Anspruch auf Vertraulichkeit bestand, jedoch möglichst viele Personen eine Fläche nutzen sollten, wurden Großraumbüros geplant.
Zur Verhinderung einer direkten und auch optischen Interaktion zwischen den Arbeitsplätzen wurden standardmäßig Stellwände oder Schreibtischaufsätze implementiert, sodass zumindest der Sichtkontakt zwischen den Arbeitsplätzen unterbunden wurde. Sofern der Lärmpegel im Großraumbüro zu hoch war, wurde versucht, mithilfe von raumakustischen Maßnahmen durch die Installation von Absorbern den Geräuschpegel im Büro zu senken.
Höhere Ansprüch an Raumakustik
Inzwischen haben sich die Anforderungen an die Beschaffenheit der Räume deutlich erhöht. Moderne Konzepte sollen nicht mehr nur die Arbeitsfähigkeit des Einzelnen sicherstellen, sondern auch in der Lage sein, die Kommunikation und Vertraulichkeit im Büro – untereinander und in Kundengesprächen – zu fördern.
Großraumbüros werden daher zunehmend nach diesen Kriterien geplant. Ferner besteht der Wunsch, auch die akustisch vorteilhaften Eigenschaften von Einzelbüros (Vertraulichkeit) beziehungsweise akustisch abgeschirmten Arbeitsplätzen in größere Büroflächen zu integrieren. So werden unter anderem separate Zonen oder Boxen, sogenannte Think- Tanks, für Besprechungen eingerichtet, die als geschlossenes System die entsprechende Vertraulichkeit herstellen sollen.
Flexibilität von Großraumbüros erhalten
Nicht zuletzt soll eine gewisse Flexibilität gegeben sein, die es ermöglicht, je nach Umstrukturierung der Teams diesen auch in der Gestaltung der Büros zu folgen. Um diesen neuen Ansprüchen an große Flächen auch emotional gerecht zu werden, wurde der Begriff des Großraumbüros, der eher den Charakter früherer, wenig charmanter Bürosituationen widerspiegelt, durch den vermeintlich positiven Begriff des modernen „Open-Space-Office“ ersetzt. Doch wie setzt man alle diese Anforderungen planerisch um?
Grundsätzlich lassen sich zur Beschreibung der akustischen Eigenschaften von Büroräumen drei technische Parameter unterscheiden:
- Wie gut ist die Schalldämmung und damit nicht zuletzt die Vertraulichkeitsebene zwischen den einzelnen Büroräumen?
- Wie gut sind die akustischen Eigenschaften innerhalb von Büroräumen?
- Wie gut ist die akustische Abschirmung zwischen den Arbeitsplätzen innerhalb einer größeren Fläche?
Als technische Planungshilfe steht seit 2019 die VDI 2569 „Schallschutz und akustische Gestaltung in Büros“ zur Verfügung, die alle Aspekte der akustischen Gestaltung von Büroräumen beinhaltet.
Wo Schalldämmung wichtig ist
Der Begriff der Schalldämmung bezieht sich grundsätzlich auf geschlossene Konstruktionen wie Wände, Decken oder Türen. In der Regel ist die Herstellung einer hinreichenden Vertraulichkeit nur mit derart geschlossenen Konstruktionen möglich. Eine gute Schalldämmung zwischen Büros herzustellen, ist daher nur dann sinnvoll, wenn in den Räumen maximal zwei Personen arbeiten. Ansonsten ist eine Vertraulichkeit bei Gesprächen ohnehin nicht gegeben. Auch die Schalldämmung zwischen Büro und Verkehrsflächen (Fluren o. Ä.) ist nur dann von Bedeutung, wenn es sich um 1- bis 2-Personen-Büros handelt. Grundsätzlich unterscheidet die VDI 2569 drei Qualitätsstufen von hoch (A) bis gering (C), für die entsprechende Kennwerte angegeben sind. Letztlich hängt die Einstufung von der Nutzung ab, worüber sich der Planer mit dem Bauherrn detailliert abstimmen sollte.
Die Tür ist das schwächste Element
Gute Schalldämmung von Wänden, wie beispielsweise zwischen Büros, lässt sich vergleichsweise einfach herstellen. Hier sind am Markt genügend Produkte verfügbar. Bei Trennwänden zu Verkehrsflächen, die fast immer eine Tür enthalten, stellt die Tür meist das schwächste Element dar und muss ebenfalls entsprechend den Empfehlungen der VDI 2569 bemessen werden.
Schalldämmung spielt ebenso bei der Planung geschlossener Besprechungsboxen eine entscheidende Rolle. Hier ist auf die Dimensionierung einer ausreichend hohen Schalldämmung zu achten. Seitlich oder oben offene Boxen sind oft wegen ihres transparenten Charakters in Open-Space-Flächen gewünscht, können die erforderliche Schalldämmung jedoch in der Regel nicht herstellen.
Nachhallzeiten gut austarieren
Die akustischen Eigenschaften innerhalb eines Raumes lassen sich am besten durch die Nachhallzeit charakterisieren, die die Dauer des Abklingens des Schallfeldes kennzeichnet. Langer Nachhall entsteht immer dann, wenn wenig schallabsorbierende (schallschluckende) Materialien im Raum vorhanden sind und der Schall mit wenig Energieminderung mehrfach an den Raumbegrenzungsflächen reflektiert wird. Langer Nachhall hat zur Folge, dass die Verständlichkeit durch das Verschleifen von Silben und Wörtern sinkt und dass der Lärmpegel gerade in Open-Space-Situationen allgemein ansteigt.
Die Nachhallzeit sollte in jeder (!) Bürosituation reguliert, das heißt auf ein bestimmtes Maß, mindestens jedoch auf T ≤ 0,8 s, besser jedoch auf T ≤ 0,6 s abgesenkt werden. Das gilt gleichermaßen für kleine Büros wie für Open-Space-Flächen.
Es sollte auch nicht zu leise sein
Während eine weitere Absenkung der Nachhallzeit für kleine Büros unkritisch ist, sollte die Nachhallzeit für Mehrpersonenbüros und insbesondere für Open-Space-Flächen nicht unter T = 0,4 s liegen. Wird der Nachhall in solchen Bereichen zu gering, ist der Raum zwar sehr leise, jedoch auch sehr transparent. Durch das geringere Hintergrundgeräusch entsteht eine zunehmend gute Sprachverständlichkeit auch zwischen entfernteren Arbeitsplätzen. Die dann nicht mehr durch das allgemeine Hintergrundgeräusch verdeckten Sprachanteile werden dadurch besonders gut wahrgenommen und wirken aus psychoakustischer Sicht besonders störend. Dies umso mehr, da Sprachanteile in Störgeräuschen immer einen Teil unserer kognitiven Fähigkeiten beanspruchen in dem Sinne, dass der Mensch stets versucht, Sprache zu dekodieren.
Insofern kommt in Open-Space-Büros der Dimensionierung einer guten Nachhallzeit besondere Bedeutung zu. Die Schwierigkeit der Dimensionierung von Nachhallzeiten besteht darin, dass typischerweise zur Regulierung der Nachhallzeit Absorber mit einem Wirkungsgrad von größer 70 Prozent auf einer Gesamtfläche, die etwa der Grundfläche des Raumes entspricht, eingebracht werden müssen. Standardmäßig werden daher abgehängte Decken zur Regulierung genutzt.
Absorption für alle Frequenzbereiche
Physikalisch bedingt, unterscheiden sich die Absorptionswirkungen verschiedener Konstruktionen in Bezug auf die Tonhöhe (Frequenz) mitunter erheblich. Die planerische „Kunst“ besteht darin, für alle Frequenzbereiche eine hinreichende Absorption zur Verfügung zu stellen. Mithilfe von abgehängten Decken lassen sich sehr gute breitbandige, das heißt in dem gesamten interessierenden Frequenzbereich wirksame, Absorber bauen.
Deckensegel oder akustisch wirksame Möbel
Sofern die Raumdecken als thermisch aktivierte Decken ausgeführt sind, stehen ausreichend große Flächen nicht so einfach zur Verfügung. Sie müssen dann ersatzweise in anderen Flächen generiert werden, wie in Wänden oder akustisch aktiviertem Mobiliar. Dies stellt mitunter ein schwieriges Unterfangen dar, da die Absorptionswirkung von Wandbekleidung, akustisch aktiviertem Mobiliar (gelochte Schrankfronten o. Ä.) oder gar von ersatzweise eingebrachten Deckensegeln zumeist eine gute Absorption bei hohen Frequenzen aufweisen, jedoch bei mittleren und tiefen Frequenzen ihre Absorptionswirkung verlieren. Die angestrebte Ausgeglichenheit der Nachhallzeit für alle Frequenzen ist so schwierig bis gar nicht mehr herzustellen.
Raumakustik in Open-Space-Büros
Open-Space-Konzepte sollen mehrere Kriterien in sich vereinen. Im Vordergrund stehen die Transparenz und das Teambuilding, auf der anderen Seite wird jedoch zumeist auch eine mehr oder minder gute Abschirmung zwischen einzelnen Bereichen der Fläche gewünscht. Grundsätzlich widersprechen sich diese beiden Wünsche. Daher gilt es, in der Praxis den bestmöglichen Kompromiss zu finden. So sind einerseits Konzepte üblich, die geringe abschirmende Wirkungen zugunsten einer maximalen Transparenz und Offenheit aufweisen. Andererseits gibt es Lösungen, bei denen durch das Einbringen von beispielsweise raumhohen Glas-Absorberelementen akustisch nahezu geschlossene Raumzonen mit optischer Transparenz entstehen. Diese Zonen besitzen keine Türen und nur die Durchgangsbereiche sind seitlich von Absorbern bekleidet.
Gute Raumakustik ist Kompromiss zwischen Offenheit und Abschirmung
Leider erschließt sich in der Planungsphase weder für den Nutzer noch für den Akustiker, welcher Kompromiss zwischen Offenheit und akustischer Abschirmung durch das Einbringen entsprechender Elemente im jeweiligen Fall optimal ist. So hängt die spätere Einschätzung nicht nur von den objektiven akustischen Parametern ab, sondern auch von vielen weiteren Aspekten. Ein wichtiges Kriterium für die Akzeptanz einer akustischen Konzeption in Open Spaces ist zum Beispiel die „akustische Sozialisierung“: Personen, die vormals in Einzelbüros tätig waren, freunden sich mit Open-Space-Konzepten grundsätzlich sehr viel schlechter an als diejenigen, die zuvor in eher akustisch ungünstigen Großraumsituationen tätig waren.
Während die akustische Dimensionierung kleinerer Büros auch für den Akustiker vergleichsweise einfach ist, bedarf es zur zielgerichteten Umsetzung des bestmöglich angepassten Konzeptes im Open Space einer entsprechend guten Vorevaluation aller Kriterien und Bedürfnisse, damit der akustische Planer hieraus eine bedarfsgerechte Zielsetzung formulieren und diese zusammen mit dem Architekten erfolgreich umsetzen kann.
Raum-in-Raum-Systeme sind autarke Lösungen und können jederzeit umgesetzt werden.
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Die Deutsche Gesellschaft für Akustik (DEGA) gibt drei mal jährlich das kostenlose Akustik Journal heraus.
Professor Dr.-Ing. Alfred Schmitz ist Sachverständiger für Bau-, Raum- und Elektroakustik und Geschäftsführer der TAC – Technische Akustik in Grevenbroich
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