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Architekturmaschine Computer: Wo führt die Digitalisierung des Planes hin?

Im Angesicht der „4. Industriellen Revolution“ schreitet die Digitalisierung auch im Planen und Bauen voran. Aber wollen wir, dass künstliche Intelligenz unsere Städte und Häuser plant?

17.05.20215 Min. 1 Kommentar schreiben

Von Christian Welzbacher

Manchmal wacht man auf und denkt: „Bald entwerfen Computer die Häuser allein.“ Building Information Modelling (BIM) jedenfalls ist ein entscheidender Schritt zur Durchsetzung der Künstlichen Intelligenz (KI) im Bauwesen. Und die dürfte sich in wenigen Jahren auf die gesamte „Verwertungskette“ ausdehnen. Von der Verarbeitung der rechtlichen Rahmenbedingungen (etwa eines Bebauungsplans) im Vorentwurf bis zur Ausführungsplanung. Dann durch den gesamten Bauprozess von der Logistik, über die Buchhaltung bis zur Ausführung im 3-D-Druck, dem automatisierten Guss von Fertigteilen oder dem Fräsen von Verkleidungselementen.

Schließlich das Bauwerk selbst, das von vorn bis hinten „smart“ sein wird. Welche Konsequenz hat das alles für das Berufsbild des Planers? Was ist mit dem Handwerk, mit dem Ausbildungswesen? Was mit der Baukultur, wenn die Maschinen herrschen und es – mit Sigfried Giedeon – heißt: „Mechanization takes command“?

Wenn die Maschine für den Menschen plant

Eines lässt sich sagen: Während die Einführung des Computer Aided Design (CAD) Anfang der 1990er Jahre lediglich das analoge Zeichenbrett in eine digitale Form überführte sind heutige Computer nicht mehr einfach Hilfsmittel. Rechenleistung, Cloud und vor allem die eigenständige Datenlogik „lernfähiger“ Algorithmen kehren das frühere Verhältnis um: der Mensch wird zum Assistenten.

BIM ist der entscheidende Schritt

BIM ist da der entscheidende Entwicklungsschritt. Weil das System durch die eingespeisten Daten nicht nur die Baulogistik optimiert, sondern auch schon am Anfang eines Prozesses Musterlösungen für Grundrisse, technische Abwicklungen und vieles mehr präsentieren kann, an die selbst routinierte Planer nicht zu denken wagen.

Technik gegen Ethik

Im Angesicht solcher Grenzüberschreitungen ist die Ethik gefordert. Technik gegen Ethik – das ist in der Moderne ein stetiger Kampf mit oft wiederholten Argumenten gewesen. Techniker hielten ihre Errungenschaften für „neutrale“ Mittel zum Zweck. Ethiker appellierten an die Verantwortung und hakten nach: Mittel – zu welchem Zweck? Und: Werden die Mittel durch den Zweck geheiligt? Oder entweiht?

Die nächste Stufe der Mechanisierung unserer Welt

So entstanden mit dem Verbrennungsmotor die Autoindustrie, die autogerechte Stadt, die Pendlerpauschale, der Motorsport und die Verkehrstotenstatistik. Atomforschung lieferte uns Energie und Verdruss, Bomben und Overkill, Fukushima und Endlager. Der Publizist Paul Virilio meinte gar, jeder „Fortschritt“ zeitige eine neue, spezifische Form des Scheiterns und sorge für entsprechende Kollateralschäden.

Wie aber sieht dieses Scheitern aus, wenn Computer im Zeichen von BIM und KI die nächste Stufe der Mechanisierung unserer Welt einleiten? Bleibt da für Scheitern überhaupt noch Platz? Oder sind wir, machtlos den Netzwerken ausgeliefert, längst endgültig gescheitert?

Wenn die Menschen nicht mehr planen…

Das alles klingt hochtrabend angesichts der bodenständigen Fragen, die sich Praktiker stellen. Denn wer befürchten muss, im Beruf bald obsolet zu werden, dem ist nicht nach Philosophieren zumute. Angesichts der BIM-Revolution, unverkennbarer Teil der vom World Economic Forum verkündeten „Fourth Industrial Revolution“, wäre es also wichtig, Ethik und Pragmatik zu vereinen, gesamtgesellschaftliche und individuell-berufliche Aspekte zusammenzudenken.

Erstens also: Können Städte und Häuser aus dem Computer überhaupt eine Behausung für den Menschen darstellen? Und zweitens: Wenn die Menschen nicht mehr planen – welche Rolle wird dann Kreativität in unserer Umgebung, in unserem Dasein spielen?

Kritische Begleitung der Digitalisierung fehlt

Die Bundesregierung hat jüngst die Weichen zur flächendeckenden Einführung von BIM gestellt. Die neue Dimension des digitalisierten Bauwesens werden wir bald zu spüren bekommen. Eine Begleitkommission, die die damit verbundenen Umwälzungen beobachtet und korrigierende Empfehlungen ausspricht, hat man indes nicht eingerichtet. Das gilt weder für das Bauwesen noch für die von Digitalisierung betroffenen Berufs- und Gesellschaftsbereiche insgesamt.

Strukturwandel von Beruf und Gesellschaft

Dabei kommt einem das Wort „Strukturwandel“ in den Sinn – Transformationsprozesse, die bislang politisch mit viel Fördergeld und Know-how moderiert wurden. Denkt man an die Internationalen Bauausstellungen an der Emscher und in der Lausitz, so wäre jetzt eine Art „IBA-Gesamtgesellschaft“ gefordert. Könnten sich hierfür nicht gerade die Architekten einsetzen, die einerseits „IBA-erprobt“, andererseits von diesem Strukturwandel besonders betroffen sind?

Architekturmaschine Computer: Ausstellung und Buch

In Kürze endet am Architekturmuseum der Technischen Universität München die Ausstellung „Die Architekturmaschine“ über die Rolle des Computers für das Bauen in den letzten Jahrzehnten. Ungewollt höchst konsequent, war sie pandemiebedingt kaum analog zu sehen, sondern wurde digital vermittelt (sowie über einen umfangreichen gedruckten Katalog).

„Die Architekturmaschine“ bietet einen breiten Überblick, wie sich die Disziplin vom Zeichenbrett zum Zeichenprogramm gemausert hat. Auf Basis des dort ausgebreiteten Materials ließe sich gut weiterdenken, was „die Rechner“ mit uns, aber auch mit der Vorstellung von Raum, Zeit und Architektur machen, wenn man den Bogen konsequent weiterspannt: Von der Gegenwart digitaler Planungsprozesse in eine vollständig vernetzte, computergenerierte Zukunft.

Angesichts derzeitiger Entwicklungen sollten wir dringend eine neue Debatte führen. Über das, was Technik alles „kann“. Aber auch darüber, ob wir die dargebotenen Möglichkeiten überhaupt wollen – und zu welchen Konditionen und um welchen Preis.

Dr. Christian Welzbacher ist freier Publizist und Ausstellungskurator in Berlin

 

Buchcover Die Architekturmaschine

Teresa Fankhänel, Andres Lepik (Hg.)
Die Architekturmaschine
Die Rolle des Computers in der Architektur
Birkhäuser 2020
248 Seiten, 39,95 Euro

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1 Gedanke zu „Architekturmaschine Computer: Wo führt die Digitalisierung des Planes hin?

  1. Leider scheint es so zu sein, dass die Menschheit jeden Fortschritt letzlich gegen sich selbst richtet. Die Intension ist nicht, die Schaffung einer harmonischen, besseren Welt, sondern die Erzielung von Profit. Es geht um den Griff nach Macht und Einflussnahme, den wir alle aktiv unterstützen, um ein Stück vom Kuchen zu bekommen. Es ist düster, wir sind schon überrollt, und wir wissen das.

    Die Zeit 19.07.21 – Edward Snowden zum Thema Überwachungssoftware Pegasus:
    „Was können die Menschen tun, um sich vor Atomwaffen zu schützen? Was können sie tun, um sich vor biologischen oder chemischen Waffen zu schützen? Es gibt bestimmte Industrien, bestimmte Wirtschaftszweige, vor denen es keinen Schutz gibt. Aus diesem Grund versuchen wir, die Weiterverbreitung dieser Technologien zu begrenzen. Wir dulden keinen kommerziellen Markt für Atomwaffen. Wir dulden keinen kommerziellen Markt für chemische oder biologische Waffen. Aber wenn es um diese digitalen boshaften Angriffsvektoren geht, unternehmen wir rein gar nichts…“

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