Dieser Beitrag basiert auf einem Merkblatt der Architektenkammer Baden-Württemberg. Er wurde im September 2022 aktualisiert.
Architektinnen und Architekten spüren es derzeit hautnah: Baumaterialien wie Stahl, Holz oder Dämmstoffe werden – sofern sie überhaupt zeitnah auf dem Markt verfügbar sind – deutlich teurer. Eine wesentliche Ursache ist das pandemiebedingte Herunterfahren der Produktionskapazitäten von weltweit gehandelten Baustoffen und – so eine Veröffentlichung der Bauwirtschaft Baden-Württemberg e.V. – das „nichtsynchrone Hochfahren der Kapazitäten entsprechend der Nachfrageentwicklung“. Was folgt daraus?
Preisanstieg bei Holz, Stahl, Dämmung
Laut Statistischem Bundesamt verteuerte sich Konstruktionsvollholz im Mai 2021 um 83,3 % im Vergleich zum Mai 2020, Dachlatten um 45,7 % und Bauholz um 38,4 %. Betonstahl in Stäben war im Mai 2021 um 44,3 % teurer als im Vorjahresmonat, Betonstahlmatten kstete 30,4 % mehr. Auch weitere Baumaterialien, etwa aus den Bereichen Trockenbau, Dämmung und Farben werden deutlich teurer.
Corona doppelt für Preisanstieg verantwortlich
Die Corona-Pandemie ist doppelt für die Preissteigerung verantwortlich: Zum einen gab es im ersten Halbjahr 2021 einen Nachfrageeinbruch, weshalb die Produktionskapazitäten heruntergefahren wurden. Zum anderen sprang im dritten Quartal die Konjunktur in China kräftig an. Das Hochverfahren der Produktionskapazitäten konnte mit der chinesischen Nachfragesteigerung indes nicht mithalten, so die Bauwirtschafts-Analyse. China wurde zum Beispiel vom Stahlexporteur zum Stahlimporteur. Als weiteres Beispiel werden Holzprodukte genannt. Pandemiebedingt waren Sägewerke in den USA geschlossen. Dies führte dazu, dass die USA Schnittholz importiert. Hinzu traten großflächige Waldbrände, langfristige Lieferabkommen mit China und ein erhöhter Bedarf, mit Holz zu bauen.
Auswirkungen für Architektinnen und Architekten
Auch für Architektinnen und Architekten haben die Preissteigerungen Auswirkungen: Einerseits gehört die laufende Kostenkontrolle und entsprechende Beratung des Bauherrn zu den Nebenpflichten eines Architekten und einer Architektin (BGH, Urteil vom 23. Januar 1997, Az.: VII ZR 171/95). Andererseits ist bei Kostenermittlungen vom Kostenstand zum Zeitpunkt der Ermittlung auszugehen: Aus reinen marktbedingten Preissteigerungen ergeben sich keine Anhaltspunkte für Fehler von Kostenermittlungen.
Vertreten wird, dass sich für Materialpreissteigerungen die Verantwortung des Architekten darauf beschränkt, den Bauherrn unverzüglich auf eine Überschreitung des Gesamtkostenrahmens hinzuweisen (siehe „Steigende Baukosten: Kostenbremse kann teuer werden“). In diesen Fällen ist eine eventuelle Kostenobergrenze für die Kostengruppe 300 und der Gesamtkostenrahmen entsprechend anzupassen. Wünscht der Auftraggeber stattdessen eine Umplanung, um Kosteneinsparungen zu erzielen, ist § 10 HOAI zu beachten.
Auswirkungen für Bauunternehmen und Handwerker
Bereits in der Vergangenheit änderten sich je nach Marktlage die Stahl- oder Kupferpreise innerhalb der Bauzeit zum Teil gravierend. Neben Auftragnehmern forderten auch Baustahllieferanten gegenüber ihren Vertragspartnern oftmals eine Vertragspreisanpassung wegen „Störung der Geschäftsgrundlage“, wenn es zu solchen Preiserhöhungen kam.
Das OLG Hamburg (Urteil vom 28. Dezember 2005, Az.: 14 U 124/05 und das OLG Düsseldorf (Urteil vom 19. Dezember 2008, Az.: 23 U 48/08) lehnten jeweils bei den Fallkonstellationen eine Preisanpassung u. a. mit der Begründung ab, der Auftragnehmer hätte sich ja vorausschauend eindecken oder Preisgleitklauseln vereinbaren können. Die eingetretenen Preiserhöhungen fielen in den Risikobereich des Auftragnehmers. Dieser Auffassung wird in der Literatur teilweise dahingehend entgegengetreten, dass eine Entwicklung plötzlich und für alle überraschend eintreten kann; „vorausschauend“ ist dann nichts zu sehen. Nach dieser Auffassung soll auf den jeweiligen Einzelfall abzustellen sein: Wenn Baustahl lediglich 10 Prozent der Gesamtkosten bei einem Generalunternehmer ausmache, sähe die Situation anders aus als bei einem reinen Stahlbauer, der einen Großauftrag abwickele.
Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat informierte in einem Erlass vom 21. Mai 2021 über Lieferengpässe und Stoffpreisänderungen diverser Baustoffe. Im Erlass stellt das Ministerium unter anderem vor, unter welchen Voraussetzungen bei neuen und laufenden öffentlichen Vergabeverfahren eine Stoffpreisgleitklausel vereinbart werden kann.
Keine Rechtsberatung und Rechtsgestaltung durch Architekt:innen
Für den Bauunternehmer ist es also sehr schwierig, nach Vertragsschluss eingetretene Preissteigerungen an den Bauherrn weiterzugeben. Dies ist auch auf Unternehmensseite hinlänglich bekannt Da die frühzeitige Bevorratung mit Material umgekehrt ebenfalls für viele Unternehmen kaum zu bewerkstelligen ist, versuchen diese derzeit verstärkt, bei neu abzuschließenden Verträgen von vornherein Preisanpassungsklauseln zu implementieren – und lehnen anderenfalls bisweilen den Vertragsschluss vollständig ab, sofern nicht alternativ entsprechende Risikoaufschläge auf die Preise akzeptiert werden.
Preisanpassungsklauseln zu prüfen oder gar zu formulieren, ist aber auch in dieser schwierigen Marktlage nicht Aufgabe von Planerinnen und Planern, sondern Aufgabe rechtsberatender Vertragsgestaltung (vgl. Seifert/Fuchs, in: Fuchs/Berger/Seifert, Beck’scher HOAI- und Architektenrechtskommentar, 3. Aufl., Rz. 239): So müssen die Voraussetzungen und der Mechanismus der Preisanpassung juristisch präzise und nachprüfbar formuliert sein, wobei überwiegend auf fest definierte Indizes als Bezugspunkt verwiesen und die exakte kalkulatorische Auswirkung auf die jeweilige Preisposition festgelegt wird. Zudem wird zumeist auch die Pflicht des Unternehmers aufgenommen, nachzuweisen, dass die Mehrkosten nicht nur nach jener abstrakten Formel, sondern auch tatsächlich konkret im Unternehmen entstanden sind.
Um hier nicht in das Risiko unzulässiger und unversicherter Rechtsberatung zu geraten, empfiehlt es sich daher dringend, Bauherren bei Fragen zur Gestaltung solch komplexer Klauseln – wie auch bei der Prüfung von Preisanpassungsverlangen des Unternehmers in laufenden Vertragsverhältnissen – auf anwaltliche Hilfe zu verweisen (siehe „Rechtsberatung durch Architekten was erlaubt ist“, dort: „Erstellen und Prüfen von Bauverträgen“).
Zu bedenken ist im Übrigen, dass die Umsetzung einer solchen Klausel später die Rechnungsprüfung wesentlich erschweren und dazu führen kann, dass baubetriebswirtschaftliche Prüfungen beziehungsweise Nachtragsprüfungen erforderlich werden, die nicht zu den Grundleistungen in der Objektplanung zählen, sondern Besondere Leistungen darstellen und unter Umständen die Hinzuziehung eines Sachverständigen erforderlich machen könnten. Auch vor diesem Hintergrund sind derartige Klauseln aus Bauherrensicht zumeist wenig wünschenswert.
Keine Anpassung der anrechenbaren Kosten
Die grundsätzlich alleinige Bezugsgröße für anrechenbare Kosten ist das Ergebnis der Kostenberechnung, eine Grundleistung in der Leistungsphase 3. Ziel war es die Vergütung der Architekten von den tatsächlichen Baukosten abzukoppeln. Deshalb orientiert sich das Architektenhonorar nach der Kostenberechnung zu dieser frühen Leistungsphase. Die Gründe liegen auch darin die Abrechnung zu vereinfachen sowie in der gewissen Kostensicherheit und sollen beim Architekten dazu führen, ein Eigeninteresse daran zu haben, dass die Kosten eingehalten werden.
Entsprechend führen Steigerungen der Materialpreise nach Vorlage der Kostenberechnung grundsätzlich nicht zu einem höheren Honorar beim Architekten.
Mehraufwand wegen Preissteigerungen: Besondere Leistungen
Die Umsetzung einer Preisanpassungsklausel kann für die Architektinnen und Architekten einen erheblichen Mehraufwand bedeuten, sofern entsprechende Aufgaben vertraglich übernommen werden: In den Leistungsverzeichnissen ist zu eruieren, welche Positionen aufgrund ihrer Materialien voraussichtlich von den Preissteigerungen betroffen sein könnten. Ggf. ist der Anteil des Materials am Gesamtprodukt festzustellen (zum Beispiel Holzfenster mit einem Anteil von 50 Prozent Eichenholz) sowie der Materialpreis zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Bei der späteren Rechnungsprüfung muss dann die Preisentwicklung ermittelt und der neue Preis anhand der im Rahmen der Preisgleitklausel festgelegten Bezugsgröße (Preisindex) für das betreffende Material fortgeschrieben werden.
Leistungen in diesem Kontext dürften nicht zu den Grundleistungen in der Objektplanung Gebäude zählen. Dieses folgt bereits aus der Struktur der Grundleistungen, die nur solche Leistungen umfassen, die im Allgemeinen zur Erfüllung eines Auftrages erforderlich sind (§ 3 Abs. 2 HOAI). Hierzu zählen nach der einschlägigen Kommentarliteratur insbesondere nicht das Ausfüllen erforderlicher Formblätter und Vordrucke (etwa Formblatt 225 nach VHB Bund) sowie die Mengenermittlung bestimmter Baustoffe oder die Abfrage von Referenzpreisen bei Lieferanten zur Vorbereitung von Preisgleitklauseln (vgl. Seifert/Fuchs, in: Fuchs/Berger/Seifert, Beck’scher HOAI- und Architektenrechtskommentar, 3. Aufl., Rz. 225a, 239, 249). Auch das Prüfen von Preisanpassungen infolge einer solchen Klausel im Zuge der späteren Rechnungsprüfung stellt demnach keine Grundleistung dar (ebd., Rz. 319; siehe auch Menzel, Stoffpreisgleitklauseln als Grundleistungen?, DAB 8/2022, 42 f.).
Die zuvor genannten Leistungen zur Umsetzung einer Preisanpassungsklausel können an die Besondere Leistung „Mitwirken bei der Prüfung von bauwirtschaftlich begründeten Nachtragsangeboten“ angelehnt werden (HOAI Anlage 10.1, Leistungsphase 7), woraus ein zusätzlicher Honoraranspruch resultiert, der frei vereinbart werden kann.
Denkbar ist auch die Besondere Leistung „Analyse der Alternativen/Varianten und deren Wertung mit Kostenuntersuchung (Optimierung)“ 8HOAI Anlage 10.1 Leistungsphase 3). Diese kann im Zuge der Suche nach anderen, ggf. kostengünstigeren Materialien notwendig werden.
In Frage kommt bei Preissteigerungen weiter die Besondere Leistung „Prüfen und Werten von Nebenangeboten mit Auswirkungen auf die abgestimmte Planung“ (HOAI Anlage 10.1 Leistungsphase 4).
Die Besonderen Leistungen sind gemäß § 3 Abs. 2 HOAI nicht an Leistungsphasen gebunden sind, und können in allen Leistungsphase anfallen.
Mehraufwand wegen Preissteigerungen: Wiederholte Grundleistungen
Wegen Preissteigerungen oder unerwartet hoch ausgefallener Angebote veranlassen Auftraggeber die Wiederholungen bereits erbrachter Leistungen, indem sie beispielsweise Leistungsverzeichnisse wiederholen oder die Planung ändern lassen, um die Kosten zu reduzieren.
Wiederholte Leistungsverzeichnisse innerhalb der Leistungsphase 6 können auch die teilweise Wiederholung der Leistungsphase 5 bedingen und im Regelfall die Wiederholung weiterer Grundleistungen insbesondere aus der Leistungsphase 7.
Hier gilt der Grundsatz: Sobald ein Auftraggeber etwas Anderes oder etwas Zusätzliches wünscht, begehrt er im Sinne von § 650b BGB (i.V.m. § 650q BGB) „eine Änderung des vereinbarten Werkerfolgs“.
Der Auftragnehmer beauftragt in solchen Fällen, vereinfacht formuliert, eine Änderung der Planung mit der Folge, dass der in § 650b BGB beschriebene Ablauf zu beachten ist.
Dieser Beitrag basiert auf einem Merkblatt der Architektekammer Baden-Württemberg. Verfasser sind:
Dr. Florian Hartmann, Architektenkammer Nordrhein-Westfalen
Dr. Sven Kerkhoff, Architektenkammer Nordrhein-Westfalen
Markus Prause, Architektenkammer Niedersachsen
Dr. Eric Zimmermann, Architektenkammer Baden-Württemberg
Walter Ziser, ö.b.u.v. Sachverständiger für Honorare von Architektenleistungen, Architektenkammer Baden-Württemberg
Diese Hinweise finden Sie als PDF-Merkblatt (Stand 8.9.22) auf der Website der Bundesarchitektenkammer.