Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Haftung für Baukosten“ im Deutschen Architektenblatt 08.2021 erschienen.
Von David Mattern und Frederik Ulbrich
Ein finanzieller Projektrahmen als Planungsziel entspricht für sich genommen dem nachvollziehbaren Interesse des Bauherrn. Die Überschreitung vorgegebener oder berechneter Kosten berechtigt den Bauherrn jedoch nicht per se, den Architekten in Anspruch zu nehmen. Bei der Haftung des Architekten für Baukosten lassen sich drei Grundkonstellationen bilden.
1. Obergrenze wurde nicht vereinbart
Treffen die Parteien keinerlei Vereinbarung zu den Baukosten, so stellt dies den haftungsrechtlich günstigsten Fall für den Architekten dar. Dies bedeutet aber nicht, dass dieser keine Verantwortung für die Baukosten übernimmt. Denn zum einen hat der Architekt die Kostenvorstellungen des Bauherrn im Rahmen der Grundlagenermittlung zu erfragen (siehe DAB 02.2021, „Frühe Haftung“), zum anderen ist Inhalt seiner Leistungsverpflichtungen üblicherweise auch die Kostenermittlung, die mangelfrei zu erfolgen hat. Weiter hat der Architekt seine Leistungen nach dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit zu erbringen.
Toleranzrahmen
Allerdings wird dem Architekten hier ein gewisser Toleranzrahmen zugestanden, den die Rechtsprechung von Fall zu Fall immer neu festsetzt und der vom Bundesgerichtshof insbesondere dann versagt wird, wenn die Kostenermittlung grobe Schnitzer aufweist. Als Leitlinie werden bei der Kostenschätzung Abweichungen von 30 bis 40 Prozent und bei der Kostenberechnung von 20 bis 25 Prozent für zulässig erachtet. Diese Richtwerte stellen keine allgemeingültigen Grenzen dar, sondern können im Einzelfall (zum Beispiel bei besonders schwierigen und aufwendigen Altbausanierungen) von den vorgenannten Angaben abweichen. Zu beachten ist zudem, dass die tatsächlichen Baukosten um diejenigen Beträge zu bereinigen sind, die durch Änderungen des Bauherrn veranlasst sind.
Gewährleistung und Mangelbeseitigung
Wird der Rahmen überschritten, so ist die Planung mangelhaft. Dem Bauherrn stehen dann die Gewährleistungsrechte sowie gegebenenfalls ein Kündigungsrecht zu. Die Mangelbeseitigung kann dabei auch die umfangreiche Überarbeitung abgeschlossener Planungsleistungen erfordern und daher enormen Aufwand bereiten. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass Nacherfüllung und Ersatzvornahme häufig nicht zum gewünschten Erfolg führen, da eine im Nachgang korrigierte Kostenberechnung das zum Zeitpunkt der Vorentwurfsplanung beziehungsweise Entwurfsplanung bestehende Kontroll- und Steuerungsinteresse des Bauherrn nicht mehr befriedigen kann.
Anspruch auf Schadensersatz?
Ein Schadensersatzanspruch besteht entgegen verbreiteter Bauherrenauffassung nicht pauschal in Höhe der Differenz zwischen Toleranzrahmen und tatsächlichen Kosten. Vielmehr fehlt es häufig an einer echten Schädigung des Bauherrn, da den tatsächlichen (Mehr-)Kosten üblicherweise auch ein entsprechend höherer Verkehrswert des Bauwerks gegenübersteht. Sofern die Mehrkosten auch bei fehlerfreier Kostenermittlung angefallen wären, hat der Architekt für diese nicht einzustehen (sogenannte Sowieso-Kosten). Kritisch wird es aber dann, wenn der Bauherr bei einer mangelfreien Kostenberechnung das Projekt aus finanziellen Gründen nicht fortgeführt hätte oder während der Realisierung zu einer unvorteilhaften Veräußerung gezwungen wird. Ein Schaden kann bei Projektentwicklern ferner dann vorliegen, wenn der Verkaufspreis der Immobilie auf Grundlage der fehlerhaften Kostenermittlung kalkuliert wurde. Auch höhere Kosten einer Nachfinanzierung können einen erstattungsfähigen Schaden darstellen.
2. Kostenobergrenze wurde vereinbart
Häufig wird eine Kostenobergrenze vereinbart, denn oft ist der finanzielle Rahmen der maßgebliche limitierende Faktor für die Planung. Die Benennung einer Kostenobergrenze bedarf grundsätzlich zweier übereinstimmender Willenserklärungen. Allerdings ist der Bundesgerichtshof bei der Annahme solcher Absprachen durchaus großzügig und lässt bereits die Kommunikation von Kostenvorstellungen des Bauherrn genügen, sofern der Architekt diesen nicht ausdrücklich widerspricht. Wichtig ist jedoch, dass eine solche Kostenvereinbarung in aller Regel keine verschuldensunabhängige Garantie des Architekten für die Einhaltung der Kostenobergrenze darstellt, sondern, genau wie die sonstigen vereinbarten Anforderungen an das Projekt, als Beschaffenheitsvereinbarung zu qualifizieren ist. Dies bedeutet, dass bei Überschreitung der vereinbarten Kosten ein Mangel der Planungsleistung vorliegt; ein Toleranzrahmen wird in diesen Fällen nicht gewährt (siehe DAB 04.2015, „In der Kostenfalle“).
Nacherfüllung und Umplanung
Liegt ein Planungsmangel vor, so stehen dem Bauherrn die vorgenannten Rechte zu. Dies kann insbesondere in Fällen, in denen der Architekt die Überschreitung der Kostenobergrenze nicht zu vertreten hat, kritisch sein. Es ist kaum nachvollziehbar, weshalb der Architekt für Umstände außerhalb seines Einflussbereichs (etwa Insolvenz eines Bauunternehmers) oder der Erwartbarkeit (etwa Preissteigerungen außerhalb des Üblichen) einstehen soll. Zwar kommt ein Schadensersatzanspruch in dieser Konstellation nicht in Betracht, da dieser Anspruch ein Vertretenmüssen des Architekten voraussetzt. Der verschuldensunabhängige Nacherfüllungsanspruch in Form einer Umplanung zum Erreichen des Kostenziels ist hingegen denkbar. Auch hier kann der Architekt verpflichtet sein, einen maßgeblichen Teil seiner Planung nachzubessern.
Auf Risiken und Konsequenzen hinweisen
Ob zumindest in solchen Fällen, in denen der Grund der Kostensteigerung aus der Sphäre des Bauherrn stammt, die Verpflichtung zur Nacherfüllung eingeschränkt wird oder ganz abzulehnen ist, kann letztlich nur für den Einzelfall beurteilt werden. Wird eine Kostenobergrenze vereinbart, sollten unbedingt auch die Konsequenzen der Überschreitung vertraglich festgehalten werden. Tragbar erscheint hier der in der Praxis ohnehin gelebte Ansatz, dass die Pflichten des Architekten auf Vorschläge für Kosteneinsparungen beschränkt werden, sofern der Architekt die Überschreitung der vereinbarten Kostenobergrenze nicht zu vertreten hat. Essenziell bleibt zudem, den Bauherrn bereits bei Vertragsschluss auf unrealistische Kostenvorstellungen hinzuweisen und entweder die Kosten- oder die Leistungsseite einvernehmlich anzupassen oder einen Vertrag auch mal nicht abzuschließen, wenn absehbar ist, dass die Kostenvorstellungen des Bauherrn unrealistisch sind.
Honoraranspruch
Schließlich kann die Überschreitung der Kostenobergrenze Auswirkungen auf den Honoraranspruch des Architekten haben. Ist eine Vergütung auf Basis der HOAI-Systematik gewählt, sind die für die Honorarberechnung maßgeblichen anrechenbaren Kosten auf die vereinbarten Maximalkosten gedeckelt. Denn der mangelfrei und folglich innerhalb der Kostengrenzen planende Architekt soll nicht schlechter gestellt werden als derjenige, dessen Planung die Kosten überschreitet.
3. Kostengarantie wurde vereinbart
Die Übernahme einer Kostengarantie durch den Architekten kommt in der Praxis nur selten vor. Voraussetzung hierfür ist, dass unmissverständlich der übereinstimmende Wille zum Ausdruck kommt, der Architekt solle verschuldensunabhängig im Fall einer Kostenüberschreitung den Mehrbetrag selbst übernehmen. Dieser Wille wird sich in der Regel nicht der vertraglichen Vereinbarung entnehmen lassen können. Selbst die Verwendung des Begriffs „Garantie“ führt hier nicht automatisch zur Annahme einer solchen Kostengarantie. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Bauherrn ist eine solche Regelung ohnehin unwirksam. Trotzdem gilt für Planer: Vereinbaren Sie unter keinen Umständen eine derartige Garantie für die Einhaltung von Kosten! Achten Sie darauf, dass das Wort „Garantie“ nicht verwendet wird!
Vor Vertragsschluss zu beachten
Vor jedem Vertragsschluss ist die Kostenfrage offen zwischen den Parteien zu besprechen und das Ergebnis der Diskussion in einer für beide Seiten vertretbaren Weise im Vertrag festzuhalten. Die Erfahrung zeigt, dass die Vertragsbeteiligten das Bestmögliche für das Projekt erreichen, wenn sich die Interessen beider Parteien im Vertrag abbilden.
Verhandelt der Architekt eine solche Kostenklausel, sollte ebenfalls darauf geachtet werden, dass die Deckung der Berufshaftpflichtversicherung für darauf gründende Schäden nicht ausgeschlossen ist. Aufgrund des damit verbundenen Entfallens des Versicherungsschutzes ist dringend von der Vereinbarung einer Kostengarantie abzuraten. In den sonstigen zuvor genannten Fällen sind Schadensersatzansprüche wegen Überschreitungen einer Kostenermittlung auf Grundlage der Muster-AVB des GDV (Stand: Februar 2016) grundsätzlich gedeckt, es sei denn, es handelt sich um die genannten Sowieso-Kosten. Letztgenannter Ausschluss kann insbesondere dann kritisch sein, wenn der Architekt für einen Auftraggeber plant, der seinerseits auf dieser fehlerhaften Kostenannahme bereits einen festen Verkaufspreis vereinbart hat. Es gilt also auch hier: Eine generalisierende Betrachtung verbietet sich.
Dr. David Mattern LL.M. und Frederik Ulbrich sind Rechtsanwälte bei Kapellmann und Partner Rechtsanwälte mbB in Hamburg. Dr. Mattern ist Autor des aktuell in der 2. Auflage erschienenen Praxishandbuchs Architektenrecht (Reguvis-Verlag)
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