Der aktuelle Weltklimabericht beendet die Zeit der Zögernden und Zweifelnden. Wie können Klima- und Bauwende gelingen? Wie setzen wir eine ökologische, wirtschaftliche, auch kulturell und sozial wirksame Nachhaltigkeit um? Indem wir bei jeder Planungsentscheidung prüfen, ob das Ergebnis einen ganzheitlich positiven Beitrag zur gebauten Umwelt und für die Menschen leistet. Punkt.
Baupolitik ist keine Verschiebemasse
Diese Prämisse muss auch für die zukünftige Regierung gelten. Bis die Zuschnitte der Ministerien, die Verteilung der Posten und die Ausgestaltung der Ressorts entschieden sind, wird es erfahrungsgemäß noch ein paar Wochen dauern. Bauen als Ressort wurde in der Vergangenheit als praktische Verschiebemasse mal der Umwelt, mal dem Verkehr oder zuletzt dem Innenministerium zugeordnet. Doch wir müssen die Vorzeichen ändern: Der gesellschaftlich wie volkswirtschaftlich relevante Planungs- und Bausektor und seine zunehmende Bedeutung zur Erreichung der Klimaschutzziele müssen in der Mitte stehen, seine Schwerkraft als gestalterische Disziplin auf alle Aufgabenfelder muss genutzt werden!
Bauen muss ganzheitlicher werden
Das Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit beschreibt die Bedeutung der Balance von Ökologie, Ökonomie und Sozialem für nachhaltiges Handeln – es muss noch um die Kultur erweitert werden. Die (oft von Kurzfristigkeit geprägten) ökonomischen Interessen von Staat und Gesellschaft dominieren einen Großteil des Handelns, und die jahrzehntelange Vernachlässigung vor allem der ökologischen Aspekte zeigt sich auf immer dramatischere Weise. Unsere gebaute Umwelt wird zu einem wichtigen Trumpf gegen Flut und Hitze.
Es wird deutlich, dass Bauen für die wachsende und fordernde Weltbevölkerung ganzheitlicher betrachtet werden muss. Die Natur darf nicht vernachlässigt werden, um den Menschen dauerhaft Lebensraum zu sichern. Nur dann können wir auch ökonomisch nachhaltig wirken, denn schon heute werden hohe Summen für Deicherhöhungen, Bewässerungen oder Klimatechnik in Gebäuden ausgegeben, um die Menschen vor den sich wandelnden Klimaereignissen zu schützen.
Priorität für die gebaute Umwelt
In vielen Vorgesprächen mit Bundestagsabgeordneten haben wir Vertreterinnen und Vertreter der planenden Berufe die zwingende Priorisierung der Qualität der gebauten Umwelt angemahnt. Lösungen müssen in thematischen Zusammenhängen erarbeitet werden. Langfristig hat nur die Kreislaufwirtschaft Bestand, und alles hängt mit allem zusammen: Energiepolitik, graue Energie und Baubestand, Klimaschutz, Stadtplanung und grüne Infrastruktur, Ressourcenschutz, Landschaftsschutz, Umweltschutz, Bezahlbarkeit, Bildung, Inklusion, Digitalisierung, Wandel der Arbeitswelt, Mobilität, Verknüpfungen zwischen Stadt und Land.
Bauen als Wirtschaftsfaktor
Als Eckpfeiler der deutschen Wirtschaft kann der Planungs- und Bausektor einen erheblichen Beitrag zur Umsetzung der europäischen (Green New Deal) und weltweiten (Pariser Klimabkommen) Vereinbarungen leisten. Fast eine Dreiviertelmillion Menschen arbeiteten zuletzt in den deutschen Ingenieur- und Architekturbüros und sorgten so für eine Bruttowertschöpfung von rund 84 Milliarden Euro.
Wir brauchen ein umfassendes Bauministerium!
Was kann der Bund aber tatsächlich bewirken, wenn das Bauen doch Ländersache ist? Wenn die Bauverwaltungen in Kommunen unterbesetzt sind? Ausreichend finanzielle Mittel für zukunftsfähige Konzepte bereitstellen? Ja! Als öffentliche Hand vorbildliche Bauherrin sein? Ja! Kompetenzen und Zuständigkeiten bündeln für mehr fachliche Durchlässigkeit und mehr Innovation? Ja! Wir brauchen ein Ministerium, das der Bedeutung der baulichen Aufgaben gerecht wird: Ein Bundesministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung, Mobilität und Infrastruktur ist die richtige Antwort auf die anspruchsvollen Aufgaben.
Andrea Gebhard, Präsidentin der Bundesarchitektenkammer
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