Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Bedrohte Riesen“ im Deutschen Architektenblatt 11.2021 erschienen
Von Heiko Haberle
Während beliebten Altbauten niemand ihre Unwirtschaftlichkeit vorrechnet, wird der Nachkriegsmoderne ein Abriss oft als beste Lösung bescheinigt – weil das Image ein anderes ist und weil graue Energie, baukulturelle und soziale Faktoren nicht bilanziert werden. Doch auch hier muss sich eine Umbaukultur etablieren und der Abriss zum Tabu werden. Bei diesen sechs Beispielen besteht noch mehr oder weniger Hoffnung.
Berlin, Jugendzentrum Moabit, 1978
Der auffällige Komplex in der Rathenower Straße von Neumann, Grötzebach und Plessow soll gekappt werden. Der flache Teil würde einem kompakten Neubau der landeseigenen WBM weichen, der auch Sozialwohnungen und gemeinwohlorientierte Nutzungen vorsieht. Auf dem Portal wem.gehoert.berlin kritisiert eine Initiative, dass der Bestandsbau vernachlässigt wurde. Sie fordert per Petition, dort die sozialen Nutzungen unterzubringen sowie den kompletten Erhalt.
Update vom Januar 2023: Der Abriss des flachen Bauteils ist inzwischen abgeschlossen.
Mannheim, Collini-Center
Mannheim, Collini-Center, 1975
Der große Turm mit Eigentumswohnungen bleibt, das kleinere ehemalige Technische Rathaus wird durch mehrere Neubauten mit Wohnungen und Büros ersetzt. Von Karl Schmuckers Gesamtplanung gehen auch ein Schwimmbad und eine denkmalwürdige Rarität verloren: eine zeittypisch erhaltene Einkaufspassage der 1970er-Jahre.
Aktuell wird per Online-Petition der komplette Erhalt und der Denkmalschutz für das Collini-Center gefordert.
Halle (Saale), Zentrum Neustadt, 1975
Scheibe A wurde jüngst als Sitz der Stadtverwaltung saniert, in Scheibe D sind Büros des Jobcenters. Der Umbau von Scheibe C zu Wohnungen stockt, B und E stehen leer. Unterschiedliche Eigentumsverhältnisse machen die Gesamtplanung von Richard Paulick und Karlheinz Schlesier zum Stückwerk.
Saarbrücken, Pingusson-Bau, 1954
Die nach ihrem Architekten Georges-Henri Pingusson benannte ehemalige französische Botschaft im Saarland ist das einzige Baudenkmal in diesem Beitrag. Während die repräsentativen Säle und Foyers für Veranstaltungen genutzt werden, fehlt für den Büroriegel ein Nutzungskonzept. Jüngst haben Studierende aus Mainz, Trier und Kaiserslautern Vorschläge gemacht.
Hannover, Postscheckamt, 1973
Das von HPP entworfene Haus ist bereits leer gezogen, damit ein neues Stadtquartier errichtet werden kann. Die Architektenkammer Niedersachsen versucht derzeit, den Abriss mit Vorschlägen für eine Nachnutzung noch abzuwenden.
München, Arabella-Hochhaus, 1969
Trotz der Größe herrscht eine fast intime Mischung aus langfristig vermieteten Wohnungen, Arztpraxen, Läden und einem Hotel. Die Eigentümerin möchte das sanierungsbedürftige Haus nach einem Entwurf von Toby Schmidbauer abreißen und in ähnlicher Form neu bauen. Der Termin wurde von 2026 auf 2030 verschoben.
Weitere Beiträge finden Sie in unserem Schwerpunkt Groß.