Hier geht es zu Teil 1 „Gemeinsame Projekträume“ und hier zu Teil 2 „Austauschformat BCF“
Von Marian Behaneck
Obwohl sie eher unscheinbar und keine Bauteile im eigentlichen Sinn sind, haben sie es in sich: Aussparungen wie Schlitze, Durchbrüche, Kanäle oder Nischen in Wänden, Böden oder Decken, die der Aufnahme oder Durchführung haustechnischer Leitungen dienen. Weil sie Architekten, Tragwerks- und TGA-Planer gleichermaßen betreffen, häufig mit deren Interessen kollidieren und zusätzlich schall-, wärme- und brandschutztechnische Auswirkungen haben, gehören Aussparungen zu den fehleranfälligsten Planungsobjekten. Eine kollisionsfreie Planung und Ausführung von Aussparungen ist deshalb eine große Herausforderung für alle Beteiligten.
Durchbrüche planen in 2D
„Dumme“ Schlitze und Durchbrüche sind in der herkömmlichen 2D CAD-Planung einfache, aus Linien, Schraffuren, einer Beschriftung und Bemaßung bestehende Symbole, ohne Bezug zum zugehörigen Bauteil. Wird die Position oder Dimension einer Wand oder Decke geändert, muss auch das Aussparungssymbol manuell angepasst werden. Bei „smarten“ Aussparungssymbolen ist die Position einer Aussparung an die ihres zugeordneten Elements gekoppelt und verschiebt sich bei einer Positionsänderung automatisch mit.
Beschriftungen und Bemaßungen, wie die Art der Aussparung, Breite, Tiefe, Höhe, der Durchmesser, UK/OK-Position, Eckabstand etc. müssen bei Änderungen allerdings meist manuell angepasst werden. Einige CAD-Programme ermöglichen auch eine tabellarische Auflistung aller Aussparungen, wahlweise sortiert nach Geschossen/Räumen, der Position, Aussparungsart oder den Abmessungen.
Trotz einheitlicher Vorgaben zur Darstellung von Aussparungen gemäß ÖNORM A 6240-2 bzw. DIN 1356-1 kommt es immer wieder zu Fehlern und Missverständnissen in Bezug auf die Art, Position und Abmessung. Das hat verschiedene Gründe: Aussparungen werden in den Fachplänen meist manuell übernommen (nachgezeichnet). Die Norm-Aussparungssymbolik wird außerdem entweder nicht berücksichtigt oder individuell angepasst, sodass es zu Fehlinterpretationen kommt. Ferner werden Aussparungen meist nur im 2D-Grundrissplan eingetragen, ohne Kontrolle in der dritten Dimension, Höhenangaben werden nicht geometrisch überprüft etc.
Abstimmung per „Plan-Pingpong“
Aussparungen werden meist vom TGA-Planer definiert und müssen vom Architekt und Tragwerksplaner genehmigt werden. Das führt unter Umständen zu einem mehrmaligen Austausch von Papierplänen, PDF- oder DXF-Dateien, in denen die Aussparungen idealerweise farblich markiert sind. Anhand dieser Vorlagen prüfen Architekt und Tragwerksplaner die Aussparungen, geben sie frei oder lehnen sie mit einem Kommentar ab und senden die Pläne zurück an den TGA-Planer. Pläne oder Dateien werden so lange zwischen den Planungsbeteiligten hin- und hergesandt, bis alle mit der Aussparungsplanung einverstanden sind. Rückfragen werden telefonisch oder per E-Mail geklärt. Das setzt aber ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen und eine präzise verbale Problembeschreibung des Besprechungsgegenstandes voraus, sonst entstehen Missverständnisse.
Besonders herausfordernd sind Planungsänderungen: Werden Architekturbauteile oder das Tragwerk modifiziert, die Trassierung, Anzahl oder Dimension von Leitungen geändert, entstehen häufig Probleme, weil Aussparungen nicht korrekt und nicht von allen Planungspartnern an die neuen Gegebenheiten angepasst und alle Folgeänderungen berücksichtigt werden. Das führt zu Planungsfehlern und auf der Baustelle zu nachträglichen Stemm- oder Fräsarbeiten oder zu aufwendigen Neutrassierungen, wenn die Architektur oder Statik keine anderen Möglichkeiten zulässt.
Besser aussparen mit BIM
Die Aussparungsplanung am BIM-Modell ist etwas aufwendiger als im 2D-Plan, bietet aber viele Vorteile: Schlitze oder Durchbrüche in Wand, Boden oder Decke werden dreidimensional dargestellt, so dass viele räumliche Missverständnisse erst gar nicht entstehen und Fehler eher erkannt werden. Eingefügt werden Aussparungen manuell oder automatisch. Nach der Definition der Parameter (Art, Form, Abmessungen, UK/OK, Abstände etc.) werden sie manuell platziert oder durch Anklicken der Leitung und des betroffenen Bauteils automatisch erzeugt. Alternativ können Aussparungen auch für ausgewählte oder alle Leitungen und Bauteile im aktuellen Grundriss quasi per Mausklick generiert werden.
Die dafür notwendigen Informationen entnimmt das Programm der Gebäude- und Leitungsgeometrie, den Bauteil- und Leitungsattributen sowie den zuvor definierten Aussparungs-Parametern. Damit kann man beispielsweise den notwendigen Freiraum für eine Leitung mit oder ohne Dämmung definieren oder ab wann zwei neben- oder übereinander liegende Aussparungen zu einer zusammengefasst werden. Sind die Aussparungsparameter korrekt eingestellt, funktioniert das sehr zuverlässig, sollte aber für jede Aussparung überprüft und gegebenenfalls manuell korrigiert werden. Die Aussparungen werden BIM- und IFC-konform als dreidimensionale Abzugskörper (Provision for Void) generiert und in der 2D-Planausgabe als normgerechten Aussparungssymbole dargestellt.
Vorteile bei Änderungen
Aussparungen kennen ihre Eigenschaften und sind mit den zugehörigen BIM-Bauteilen verknüpft. Dadurch können sie sich bei Änderungen – etwa der Wand- oder Deckendicke, der Verschiebung von Wänden oder bei Änderungen der Leitungsdimension – automatisch anpassen. Auch wenn zusätzliche Leitungen, Rohre oder Kanäle hinzugefügt oder vorhandene entfernt werden, passen sich die Aussparungen selbstständig an. Darüber hinaus werden Konflikte, Bauteil- oder Leitungskollisionen gemeldet und können individuell beseitigt werden. Insbesondere bei großen Projekten mit mehreren hundert Aussparungen sparen diese Automatismen viel Zeit.
Allerdings sollten die Ergebnisse stets verifiziert werden. Die integrierte Berechnung des Brutto- und Nettovolumens der Aussparung ermöglicht einen schnellen Überblick über die zu verfüllenden Volumina der einzelnen Durchbrüche. Dadurch erhält der Planer mehr Sicherheit bei der Abschätzung des Aufwands brandschutztechnischer Maßnahmen und der Kosten.
Auch für die Mengenermittlung bei mehrschichtigen Bauteilen bietet BIM Vorteile: Öffnungen lassen sich für jede Bauteilschicht separat ermitteln, so dass diese je nach Gewerk regelkonform (Werkvertragsnorm, VOB etc.) abgezogen werden können. Außerdem können Aussparungspläne für jedes Gewerk separat ausgegeben werden. Anhand des Wandtyps und der Feuerschutzklasse ist eine Auswertung in Form von Stücklisten und Reporten möglich, beispielsweise nach STLB Bau, Gewerken oder Brandschutzklassen.
Digitale Aussparungs-Manager
Für die Übergabe und Abstimmung der Aussparungsplanung werden von einigen Anbietern von Architektur- und TGA-CAD inzwischen spezielle Lösungen offeriert, beispielsweise der Auxalia Revit Openings Transfer, der liNear Void Manager, der MagiCAD Durchbruchsmanager oder der Stabiplan Openings Manager. Installiert der Architekt oder Tragwerksplaner diese in der Regel kostenlosen Plugins in seine jeweilige BIM-Software (beispielsweise Allplan, ArchiCAD, Revit etc.) kann er die Aussparungsvorschläge des TGA-Fachplaners anzeigen lassen und prüfen, einzelne oder mehrere freigeben oder ablehnen und mit entsprechenden Kommentaren oder Alternativvorschlägen versehen.
Bauteile, die keine Aussparungen erhalten dürfen, lassen sich schützen. Mit den Projektpartnern zu besprechende Aussparungen können per Screenshot „fotografiert“, mit Hinweispfeilen ergänzt und an die Kommentare angehängt werden. Die Aussparungs-Reports werden anschließend untereinander so lange ausgetauscht, bis alle mit der Planung einverstanden sind. Danach werden die Aussparungen als Abzugskörper ausgegeben, die anschließend über das IFC-Austauschformat in das CAD/BIM-Programm des Architekten oder Tragwerksplaners importiert und übernommen werden können. Eventuelle Unstimmigkeiten – etwa wenn die Größe oder Position einer Aussparung oder des entsprechenden Architekturbauteils geändert oder entfernt wurden – werden dem Anwender angezeigt.
Nachrichtenaustausch per BCF
Ausgetauscht werden die Aussparungs-Reports über das Nachrichten-Austauschformat BIM Collaboration Format BCF. BCF basiert auf dem textbasierten, für die Darstellung hierarchisch strukturierter Daten konzipierten XML-Datenformat. BCF ist ein offener, herstellerneutraler openBIM-Datenstandard für Kommentare, Anfragen, Kollisionsberichte oder allgemeine Informationen zu BIM-Modellen. In einer BCF-Datei sind alle Nachrichten gespeichert, die eine BIM-Software über Problembereiche informieren, die in einer anderen BIM-Software gefunden wurden. Dadurch lassen sich bei der Planung von Aussparungen erkannte Probleme und Kollisionen schneller und effizienter gemeinsam besprechen und lösen sowie Korrektur- und Koordinationsabläufe vereinfachen.
BCF erkennt, welche Bearbeiter, Programme, Bauteile oder Elemente an einem Problem beteiligt sind. Erstellt der Bearbeiter einen Screenshot eines Kollisionspunktes und versendet er ihn als BCF-Datei an einen beteiligten Projektpartner, erhält dieser in seinem Programm die BCF-Nachricht mit exakt der gleichen Ansicht des Problems. Anhand einer Identifikationsnummer kann man nachverfolgen, wer, welches Problem, wann gemeldet hat, welche Probleme noch ungelöst sind und welche bereits behoben wurden.
Die Aussparungsplanung ist sowohl im Rahmen von closed BIM- als auch open BIM-Projekten möglich. Bei open BIM-Workflows wird eine IFC-Datei mit allen Aussparungsplatzhaltern erzeugt, die in die Projektplanung des Architekten und Tragwerksplaners eingefügt werden können.
Kontrolle ist besser
Die Aussparungsplanung ist ein wichtiger Aspekt der kollaborativen Projektplanung und spielt im Planungsalltag eine bedeutende Rolle. Die BIM-Planungsmethode bietet gegenüber der herkömmlichen Arbeitsweise viele Vorteile: Aussparungen werden am BIM-Modell dreidimensional geplant, was visuelle Kontrollen ermöglicht. Aussparungen werden aus den Modell- und Leitungsdaten automatisch generiert, was Zeit spart. Die Höhenlage der Aussparung wird berechnet, Aussparungen werden automatisch beschriftet und bemaßt etc. Wesentlich einfacher und weniger fehlerbehaftet sind auch Planungsänderungen und Abstimmungsabläufe. Digitale Aussparungs-Manager vereinfachen zudem die Übergabe und Abstimmung mit Planungspartnern. All dies trägt zu einer Vereinfachung und Qualitätsverbesserung bei der Aussparungsplanung bei, entbindet die Planungsbeteiligten aber nicht von Kontrollen und Plausibilitäts-Checks.
Marian Behaneck ist freier Fachjournalist in Jockgrim (Pfalz)
Literatur und Normen
- DIN 1356-1: Bauzeichnungen – Teil 1: Arten, Inhalte und Grundregeln der Darstellung, Februar 1995
- Esser, S.: Kommunikation in BIM-Projekten auf Grundlage von BCF-Daten (zum Download), Technische Universität München, Eigenverlag, München 2018
- Trimble (Hrsg.): BIM Collaboration Format. Für den verbesserten Informationsaustausch zwischen den Gewerken (als E-Book)
Produkte und Anbieter
- In Teil 1 geht es einführend um gemeinsame Projekträume für Architektur und Fachplanung.
- In Teil 2 geht es um das Austauschformat BCF.
Leider fokussiert der Artikel zu sehr auf Revit als Programm für die Architektur.
Alternative Zeichen-/Modellierprogramme werden zwar genannt, aber der hier beschriebene Workflow kann so nur bei Revit funktionieren.
Der Workflow bei Allplan z.B. sieht derzeit noch ganz anders aus und ist unzuverlässig und fehleranfällig. Da werden vom TGA-Planer sauber generierte PfV als dumme 3D-Körper (bzw. Makros) eingeladen und können dann zwar bei hinreichender Genauigkeit als Durchbruch übernommen werden. Eine Kontrolle oder Kommentierung kann dann nur durch manuelles hinschauen erfolgen. Alternativ eben exportieren und über Prüfsoftware, aber das wird hier ja anders versprochen.
Meine Bitte wäre bei ordentlicher Recherche auch für die anderen Programme etwas zu finden und das in vergleichenden Kontext zu setzen.
Das wäre nämlich dann spannend.
LG