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Mischt euch ein! Architektur ist politisch

29.11.20213 Min. 1 Kommentar schreiben
Portrait Theresa Keilhacker
Theresa Keilhacker, Präsidentin der Architektenkammer Berlin

Architektur, das sind nicht nur vier Wände und ein Dach, die uns schützen. Architektur bestimmt unser Leben – in Dörfern, Städten und Metropolen. Sie definiert, was als öffentliche und was als private Sphäre wahrgenommen wird. Architektur, Stadt- und Regionalplanung sind Abbild gesellschaftlicher Auffassungen und als materialisierte Geschichte Zeitdokumente, die für spätere Generationen lesbar bleiben.

Architektur ist nicht unpolitisch

Unseren Beruf als unpolitisch zu verstehen, ist deshalb falsch. Im Gegenteil: Unsere Arbeit, unsere Ideen, Konzepte und Entwürfe bewegen sich immer in einem hochpolitischen Raum und tragen den Themen der Zeit Rechnung. Deshalb müssen wir für Bedingungen streiten, die unseren Beitrag zu einer qualitätvollen und nachhaltigen gebauten Umwelt ermöglichen.

Das fängt bei der Bewahrung des baukulturellen Erbes an, das – gerade wenn es um die Nachkriegsmoderne geht – massiv bedroht ist. Zwar hat das mediale Interesse zugenommen, und einige Leuchtturmprojekte werden erfreulicherweise mehr wertgeschätzt. Doch noch immer sind selbst ikonische Bauten wie das Internationale Congress Centrum Berlin ICC dem langsamen Verfall preisgegeben.

Neubau ist Bedrohung für den Bestand

In Metropolregionen zählt heute der Neubau zu den größten Bedrohungen für erhaltenswerte Bausubstanz. Es kann ein Jugendzentrum in der Innenstadt treffen, das in landeseigenem Besitz verwahrlost und nun abgerissen werden soll, um Wohnungen Platz zu machen. Oder ein Schwesternwohnheim der Ostmoderne, das in den 2000ern privatisiert wurde, seither spekulativ leer steht und nun Luxusapartments weichen soll.

Das ist nicht nur dramatisch, weil damit ein wichtiger Teil unseres baukulturellen Erbes verloren geht. Auch in Anbetracht von Klimawandel und Ressourcenschutz ist es eine fatale Fehlentscheidung: Durch die im Bestand gebundene „graue Energie“ ist eine zeitgemäße Ertüchtigung dem radikalen Neubau immer vorzuziehen.

Stadtentwicklung von unten

Berlin ist eine hoch verschuldete Stadt, weshalb die Auswirkungen der Niedrigzinspolitik hier besonders verheerend sind. Die Stadt leiht sich seit Jahren günstiges Geld, das sie nicht zurückzahlen können wird, wenn die Zinsen steigen, und zieht nationales und internationales Kapital an, das kaum das Wohl einer armen Stadt im Sinne trägt. Umso mehr müssen wir zeigen, dass unser Berufsstand in der Lage ist, aktiv an einer sozial und ökologisch ausgewogenen, diversen und baukulturell vielfältigen Stadtentwicklung mitzuwirken. Das können wir am glaubwürdigsten, indem wir Bürgerinnen und Bürger in Initiativen für oder gegen ihre gebaute Umwelt fachlich unterstützen – auch um die Politik unter Druck zu setzen, das Richtige zu tun.

Mehr Experimente, weniger Hürden

Zu einer nachhaltig gestalteten Umwelt gehört innovative und qualitätvolle Planung. Wir müssen stärker dafür eintreten, dass frische und experimentelle Ideen unseres Berufsstands – zum Beispiel durch die Senkung von Markthürden und ein offeneres und faires Wettbewerbsrecht – ihren Platz bekommen. Wenn nun in Berlin, wo der Verwertungsdruck für Grundstücke sehr hoch ist, Flächen an überzeugende Konzepte und in Erbpacht statt an die Höchstbietenden vergeben werden, ist das ein erster Erfolg.

Die Erwartungen der Gesellschaft an unseren Berufsstand steigen, doch die Bedingungen, unter denen wir arbeiten, werden schwieriger. Daran etwas zu ändern, geht nur gemeinsam. Liebe Kolleginnen und Kollegen, zuckt nicht mit den Achseln, sondern mischt euch ein! Die Kammern können dabei verlässliche Tanker sein, die gesellschaftspolitisch relevanten agilen Beibooten wohlwollend Raum bieten und Graswurzelbewegungen unterstützen.

Theresa Keilhacker, Präsidentin der Architektenkammer Berlin

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1 Gedanke zu „Mischt euch ein! Architektur ist politisch

  1. „Zu einer nachhaltig gestalteten Umwelt gehört innovative und qualitätvolle Planung“ – ist oben von der Präsidentin der BAK zu lesen.
    Wenn ich mind. 50 Bauträger informiere, dass in meinem Atelier neue Planungen für Reihenhäuser entwickelt worden sind, mit denen die Erstellungskosten – ohne Verzicht auf Keller und/oder Klenhaltung der Räume – gravierend gesenkt werden können, architektonisch zeitgemäß designte Häuser mit ihren Inhalten Nutzern neue Lebensambiente gehobenen Wohnkomforts bieten und der Bauträger seine Marge höher als bisher erzielen kann, dann wird geglaubt, dass ich nicht alle Tassen im Schrank habe – weil sowas nicht möglich ist – und eine Reaktion bleibt aus. Grund dafür kann – so meine ich – der herrschende Glaube sein, dass ein anderer Plan, als der seit Jahrzehnten eingeführte „08/15 – Standardplan“, nicht möglich ist.
    Nur Empfehlungen geben, reicht nicht aus. Innovative und qualitätvolle Planungen müssten auch angenommen werden. Viele wollen auch nicht wissen, um was es dabei überhaupt geht (abgesehen von der Anzahl der angeschriebenen Bauträgern auch die AKNRW).
    Bei der BAK habe ich – hoffentlich – mehr Glück um gehört zu werden.

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