Von Fabian P. Dahinten
Architektur ist nicht zuletzt eine räumlich-visuelle Art der Kommunikation. Doch sie bedarf auch einer anderen Art der Sprache, verbal wie schriftlich: wenn sich Kolleg:innen untereinander austauschen, Architekt:innen sich Auftrageber:innen oder Architektur-Laien verständlich machen wollen – wobei die letzteren oft in einer Person vereint sind.
Die Sprache der Worte ist aber keine Stärke unserer Branche: „Oft liest man von Architektinnen und Architekten, die wunderbare Gebäude entwerfen, leider schlechte Texte zu ihrem Werk – obwohl sie wirklich etwas zu erzählen hätten“, sagt Brigitte Schultz, Chefredakteurin des Deutschen Architektenblattes.
Visuelle Sprache: funktioniert Architektur ohne Worte?
Auch ich agiere meist als ein visueller Mensch. In der Regel stecke ich mir einen Bleistift an den Kragen, um in der Mensa oder im Restaurant etwas auf eine Serviette skizzieren zu können, was ich mit Worten nicht gut oder nicht so deutlich ausdrücken kann. Im Studium trainiert man sich genau diese Art der Sprache an: Gedanken visuell über Grafiken, Piktogramme, Schnitte, Grundrisse, Axonometrien oder andere Visualisierungen darzustellen, damit alle Beteiligten begreifen, was in meinem Kopf gerade entsteht.
Dabei bleibt das Texten auf der Strecke. Gerade bei Abgaben an der Uni oder bei Wettbewerben schreiben die Studierenden ihre Erläuterungstexte in den letzten Stunden vor der Abgabe. Nicht selten steht zwischen dem ersten und dem letzten Satz ein Fülltext.
Architektur verständlich machen
Brauchen wir Architekt:innen und Innenarchitekt:innen überhaupt Sprache in Form guter Schreibkünste, wenn wir zum Beispiel nicht gerade nebenberuflich eine Nachwuchs-Kolumne schreiben oder hauptamtlich bei einem Verlag arbeiten?
Definitiv! Denn gerade bei der Kommunikation mit Nicht-Architekt:innen ist die verständlichste Form von Sprache die Schrift. Nicht selten können Architektur-Laien unsere Zeichnungen eben nicht lesen und benötigen dazu noch ein physisches oder digitales Modell, um die räumliche Situation zu verstehen.
Sprache aufsaugen: Lesen verbessert das Schreiben
Was zudem keine Grafik wie Sprache in Worten zu vermitteln vermag, ist die inhaltliche Tiefe. Das Fenster ist dort, die Tür da. Doch wieso ist das so, welcher Grundgedanke steckt dahinter? Ist es eine funktionale Absicht, eine konzeptionelle oder sogar eine ideologische? Das alles kann der oder die Kenner:in selbstständig erkennen, doch ganz sicher viele Laien nicht. Ähnlich ist es angesichts eines Kunstwerks: Ich finde es ansprechend, doch die wahre Tiefe erschließt sich mir erst mithilfe einer Führung oder eines Erläuterungstextes, die mir die Intention darlegen.
Wieso können viele Architekt:innen nun so schlecht schreiben? Eine Antwort ist: Zum eigenen Werk findet man selten eine reflektierte Sprache, es fehlt die nötige Distanz, um sich aufs Wesentliche zu fokussieren, was im Normalfall Architekturjournalist:innen besser hinbekommen.
Ein weiterer Grund, wieso Architekt:innen oft nicht schreiben können: Sie haben es nicht gelernt! Während wir die perfekte Kombination von Strichstärken und Strichlinien üben, bis wir sie exzellent beherrschen, fällt das Schreiben im Studium leider hinten runter. Was dagegen definitiv hilft: Viel lesen – insbesondere hochwertige Architekturliteratur und seriöse Architekturzeitschriften, die nicht nur aus schicken Bildern bestehen.
Fabian P. Dahinten studierte Architektur an der Hochschule Darmstadt, engagiert sich bei der Nachwuchsorganisation nexture+ und ist Sprecher der Nachwuchsmitglieder der Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen.
Die Nachwuchs-Kolumnen des DAB schreibt ein junges Team, weitere Autor:innen sind Johanna Lentzkow, Lorenz Hahnheiser und Johanna Naara Ziebart.
Wie sind Eure Erfahrungen als Architektur-Studierende oder Berufseinsteiger? Hinterlasst uns einen Kommentar auf dieser Seite oder schreibt uns unter DAB-leserforum@handelsblattgroup.com
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Architekt*innen, lernt lesen!
Danke für diesen Beitrag. Ich stimme zu 100% zu und möchte noch etwas ergänzen: Lesen bildet.
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Wann? In Bus und Bahn zum Beispiel. Im Auto funktionieren Hörbücher sehr gut. Auch wenn Ihr an Eurem CAD-Programm sitzt, habt Ihr die Ohren frei. Ihr findet sicher einen Weg, der zu Euch passt.