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Sporthallen für Schulen: individuell oder seriell

Bei kaum einer Bauaufgabe ist von vornherein so viel festgelegt wie bei Sporthallen. Die Kisten ­wollen in kein städtebauliches Umfeld so richtig passen. Trotzdem lässt sich das Thema kreativ ­gestalten: einzigartig wie in Frankfurt oder in Serie wie in Berlin. Zwei Extreme aus dem aktuellen ­Hallenbau

Von: Christoph Gunßer
Christoph Gunßer ist für das DAB vor allem in Süddeutschland...

07.09.20229 Min. Kommentar schreiben
Sporthalle mit begehbarem Dach und goldener Fassade
In Frankfurt entstand aus der Raumnot heraus mit der auf dem Dach begehbaren Sporthalle eine ganze Schulhof-Landschaft im Baublock.

Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Unikat und Blaupause“ im Deutschen Architektenblatt 09.2022 erschienen.

Von Christoph Gunßer

Die Sachsenhäuser Schillerschule liegt gleich hinter dem Städelschen Kunstmuseum. Dessen komplett eingegrabener Erweiterungsbau stand gewissermaßen Pate, als für die rund tausend Schüler des Gymnasiums endlich eine Turnhalle gebaut werden sollte. Denn Platz gab es kaum in dem engen Baublock, wo mit gut 3.000 Quadratmetern noch nicht mal die vorgeschriebene Schulhoffläche von fünf Quadratmetern pro Kind nachweisbar war. Trapez Architektur aus Hamburg, die bereits mit der Sanierung und Erweiterung des Schulgebäudes befasst waren, spielten also für die Halle alle Varianten der Absenkung durch.

Schulhof zu klein und keine Sporthalle

Der nahe Main und der von Wohnhäusern gesäumte Innenhof machten die Abwägung nicht leicht. Am Ende entschied man sich, die Halle etwa zur Hälfte einzugraben – und ihr Dach als begeh- und bespielbare Schulhof-Landschaft zu gestalten. Bereits 2009 beauftragt, verzögerte sich die Realisierung aus Kostengründen, doch seit dem vorigen Jahr müssen die Schiller-Schülerinnen und -Schüler endlich nicht mehr zu anderen Hallen im Stadtgebiet ausschwärmen, sondern können in ihre eigene zum Sportunterricht gehen. Und die sieht auch noch sehr besonders aus.

Sporthalle mit goldener Fassade und Treppe
Die Sporthalle der Frankfurter Schillerschule wurde etwa zur Hälfte eingegraben. Goldfarbene Kupferschindeln bestimmen die Fassade.

Schulhof über der Sporthalle

In den dreieckigen Hof passte nur eine Einfeld-Halle, in der die Kanten des Spielfeldes nah an den bestehenden Blockrand heranrücken. Zum Schulgebäude hin im Südwesten legen sich Foyer und Nebenräume davor. Auf dem Weg zu den Umkleiden blickt man bereits von der Galerie in die Halle hinab, denn die liegen auf Hofniveau, der Hallenboden ist um ein knappes Geschoss abgesenkt. Schon vom Schulhof aus lässt sich das sportliche Treiben durch große, über Eck geführte Fensterbänder verfolgen.

Weil die Halle die üblichen sieben Meter lichte Höhe misst, stuft sich der Baukörper von Nord nach Süd leicht ab: Eine Dachlandschaft aus Treppen entsteht, deren Hin und Her der nötige Aufzugsturm verankert. Das ist originell gelöst, mit zahlreichen Ausblicken und Sitzgelegenheiten – ein richtiger „Hangout“ für die Pausen, aber auch für Unterricht im Freien.

Fassade mit goldenen Kupferschindeln

Die damalige Schulleitung wünschte sich eine „behagliche“ Atmosphäre im Hof. Also kleidete man den Neubau in goldfarbene Kupferschindeln, deren Glanz tatsächlich ein wenig die oft fehlende Sonne ersetzt, aber auch einen ungewohnten Zug ins Prächtige hat. „Macht die Schulen zu Palästen!“, forderte denn auch Trapez-Gründer Dirk Landwehr kürzlich in einem Interview. Dass in Sachsenhausen vorwiegend die Reichen und Schönen wohnen und die Schillerschule den Ruf einer Eliteschule hat, macht die Pracht hier indes pikant bis brisant. Wie man hört, fremdelt die derzeitige Schulleitung ein wenig mit dem Gebäude.

Kinder spielen in Sporthalle
Innen verkleidet der Anprallschutz aus fein gearbeiteten, gelochten Holzpaneelen Teile der Beton­oberflächen.

Schulhof öffentlich zugänglich, Sporthalle nicht

Die Schülerschaft nutzt die Sporthalle aber innen wie außen intensiv. Da Frankfurts Schulhöfe prinzipiell öffentlich zugänglich sind, bietet die Hoflandschaft dem dicht bebauten Viertel zudem eine Attraktion mehr – mit den damit verbundenen Risiken des Vandalismus, der aber bisher ausgeblieben ist. Offenbar begegnen die Menschen einem so sorgsam gestalteten Objekt mit Respekt. Hingegen ist eine Nutzung der Halle durch örtliche Vereine bislang nicht möglich, da die dafür erforderlichen Stellplätze fehlen – was für ein bürokratischer Unsinn an einem so gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erschlossenen Ort!

Dachlandschaft wird begrünt

Um die Dachlandschaft der Halle noch „wohnlicher“ zu machen, fand im Juni ein Workshop in der Schule statt, eine „neue Phase Null“, wie Projektleiterin Verena Zschocke es nennt. Sie ist schon während der Bauphase alle zwei bis vier Wochen nach Frankfurt gependelt, da Trapez die künstlerische Oberleitung für das Bauwerk innehatte, das übrigens mit gut fünf Millionen Euro brutto in den Kostengruppen 3 und 4 zu Buche schlug. Nun sollen eine hölzerne Pergola, Decks und Pflanztröge das Dach neu gliedern. Holz spielt bereits in den Sockelzonen der Treppenlandschaft eine Rolle. Das entwertet die Homogenität des „Goldstücks“ ein wenig, doch soll es die Kids vor dem bei Sonne heiß werdenden Kupferblech schützen.

Sporthalle mit begehbarem Dach und goldener Fassade
Über mehrere Ebenen setzt sich der Schulhof auf das Dach der Sporthalle fort. Auch per Aufzug gelangt man auf das Dach.

Wohlüberlegte Details durchziehen denn auch die im Passivhaus-Standard errichtete Sporthalle. Die Ortbetonkonstruktion zeichnet im Inneren die Dachlandschaft nach. Um diese Schrägen trotz 26 Zentimetern Dämmung außen begehbar zu machen, verankern Edelstahlstifte die Beton-Bodenplatten des angehobenen Schulhofs in der Konstruktion. Innen verkleiden fein gearbeitete, gelochte Holzpaneele die Betonoberflächen als Anprallschutz. Gemeinsam mit der Lochgips-Akustikdecke sorgen sie dafür, dass die Halle nicht „hallt“. Die Deckenstrahlplatten sind in diese Abhängung eingefügt. Auch die Raff­stores als Blend- und Sichtschutz verschwinden darin. Zum nächtlichen Lüften lassen sich die Fensterflügel öffnen. Die Außenbeleuchtung wurde elegant in die Gebäudehülle integriert.

Das alles überzeugte offenbar auch den Bauherrn: Gerade hat Trapez Architektur mit der Mühlbergschule einen weiteren Schulbau in Sachsenhausen fertiggestellt.


„Sporthallen wie aus dem Kaufladen“

Nicht die Heimeligkeit des verwinkelten Unikats, sondern eine klare modulare Struktur war das Ziel unseres zweiten, des Berliner Beispiels. Denn das Ergebnis des 2017 von der Senatsbauverwaltung ausgelobten Wettbewerbs für eine Typensporthalle sollte an bis zu zwölf Standorten errichtet werden können – Berlin war für seinen Investitionsstau im Schulsektor lange Zeit berüchtigt und hatte endlich eine Milliarde für eine Schulbauoffensive bereitgestellt. Das Team von scholl architekten partnerschaft scholl.balbach.walker aus Stuttgart gewann die Konkurrenz und hat bislang schon fünf von insgesamt neun Hallen übergeben.

Sporthalle bei Nacht beleuchtet
2017 lobte die Berliner Senatsbauverwaltung einen Wettbewerb für eine Typensporthalle für 12 Standorte aus. Hier die Halle am Lily-Braun-Gymnasium.

Sporthallen im Drei-Monats-Takt

Die in Berlin weitgehend eigenständigen Stadtbezirke konnten die Typenhallen gleichsam „wie aus dem Kaufladen“ beim Senat bestellen. So drückt es Partner Michael Walker aus, der seit Planungsbeginn im Zwei-Wochen-Rhythmus nach Berlin pendelt. Sein Büro ist Generalplaner für die Projekte, und die Hallen werden seit Februar 2020 im Drei-Monats-Takt nacheinander errichtet. Ist der Rohbau der Typensporthalle (TSH) an einem Ort fertig, zieht das Team weiter. Ein Generalunternehmer steuert die Abläufe.

Schnelle Baustelle dank serieller Bauweise

Da die „TSH“ überwiegend aus Holz besteht und auch sonst fast nur Fertigelemente verwendet werden, kann im Winter durchgearbeitet werden. Der Ingenieurholzbau braucht jeweils nur elf Wochen – bereits nach einer Woche ist, dank vorgefertigter beschichteter Dachelemente, die Baustelle regendicht. Auch die Konstruktion der Nebenräume ist aus Massivholz. „Zur Effizienz trägt bei, dass stets das gleiche Planungsteam die Bauten betreut“, sagt Michael Walker.

Sporthalle mit Holzdecke
Im Inneren der Sporthallen wird die Holzkonstruktion sichtbar.

Modulares Konzept unabhängig vom Standort

„Die meiste Arbeit macht die Anpassung an die Standorte“, erläutert er. Denn für den Wettbewerb gab es zwar sehr hohe Anforderungen, doch keine Angaben zu den Standorten. Anzubieten waren eine Drei-Feld-Halle mit Spielfeldabmessung 22 mal 45 Meter und Galerie für 60 Zuschauer sowie eine wettkampftaugliche Drei-Feld-Halle mit Spielfeldabmessung 27 mal 45 Meter und einer ansteigenden Tribüne für 199 Zuschauer. Ohne Kenntnis eines Standortes musste ein modulares Konzept gefunden werden, das sich flexibel an verschiedenste Situationen anpassen lässt. Das gelang dem Stuttgarter Team mit einer abstrakten, „ehrlichen“ Anlage. Vom „Archetyp einer Sporthalle“ sprach die Wettbewerbsjury.

Archetyp einer Sporthalle

Alle Hallen gliedern sich in die drei Teile Halle, Sportlerbereich und Besucherbereich (mit einem Mehrzweckraum). Im Unterschied zum anderen ersten Preis der Konkurrenz sind die Funktionen nicht gestapelt, sondern ablesbar, alle Baukörper eingeschossig gehalten. Das führt in Querschnitt und Ansicht zur charakteristisch abgestuften Form, der „Hutform“ (Walker).

Dieses Layout braucht entsprechend mehr Fläche. 47 mal 46 Meter Grundfläche misst so die größte Halle, die bisher nur im Olympiapark realisiert wurde. Gerade dort, im Kontrast zum Bestand mit seinem klaren Risalit, erweist sich die strenge Abstraktheit der Baukörpergliederung als Stärke. Doch hat man die Halle hier rittlings in einen Hang eingraben und extra einen Sockel errichten müssen. Die zur Verfügung stehenden Flächen habe man überall „ausgemostet“, sagt der Schwabe Michael Walker.

Sporthalle mit Holzfassade
Die Typensporthalle mit ihrer gestaffelten „Hutform“ passten die Architekten bisher an neun Standorte in Berlin an.

Vorgefertigte Fassade aus Nadelholz

Prägend für den Hauptbaukörper sind die langen Fensterbänder aus hochformatig zwischen die Stützen gesetzten, knapp fünf Meter hohen, rahmenlosen Gläsern. Im Kontrast dazu stehen die fensterlosen Stirnseiten, die wie die niedrigen Seitentrakte mit sägerauem, voroxidiertem Nadelholz verschalt wurden – auch diese Elemente wurden großformatig vorgefertigt und auf der Baustelle nur noch montiert. Die Hallenfenster dämpfen und streuen durch ein eingelegtes Gespinst das Sonnenlicht und machen einen gesonderten Blendschutz überflüssig – eine wichtige Einsparung. Ob große oder kleine Version, mit gespiegeltem Layout oder nicht, alle Hallen sind bis ins Detail gleich und unterscheiden sich nur in der Spannweite der Deckenträger, die mal 26, mal 33,60 Meter beträgt.

Reduzierte Kosten und Honorare

Für die erste, 2021 fertiggestellte Halle in Spandau werden Baukosten von neun Millionen Euro genannt, was im Rahmen der Vorgaben blieb. Insgesamt, so rechnet der vom Generalunternehmer beauftragte Holzbauer vor, werden in den neun Hallen 1.060 Kubikmeter Brettschichtholz und 5.500 Quadratmeter Holz-Glas-Fassaden verbaut. Das dürfte in der Praxis erhebliche Kostenvorteile bei der Ausschreibung gebracht haben. Auch beim Planerhonorar bringt die Wiederholung Einsparungen, denn nach HOAI staffelt sich die Vergütung dann ab. Gut möglich, dass, wo alle Welt von einer Renaissance der Serie spricht, das Beispiel Schule macht.

Renaissance der Serie?

Gerade im Hallenbau ist das Thema ja durchaus nicht neu: In den Sechzigern entstanden zum Beispiel die legendären Rundsporthallen, von denen noch einige stehen, vor allem in Südwestdeutschland. Sie scheinen dort immer noch wie Ufos gelandet. Unverwüstlich aber auch die vielen anonymen Waschbetonkisten, die gewiss vielen Kindern die Freude am Sport schon am Eingang austrieben. Es gab also genügend Gründe, individueller für den Ort zu planen.

„Serie hat gar nichts mit Qualitätsverlust zu tun“, findet indes Michael Walker. „Man muss nicht alles neu erfinden.“ Die Typensporthallen stünden teilweise zwar wie Besucher in ihrem Kontext, doch „jede Halle ist für sich Baukunst, ob ich sie wiederhole oder nicht“. Wichtig scheint ihm die solide Arbeit: „Wir waren resistent gegen voreilige Einsparungen.“

So lässt sich an unseren Beispielen die Spannweite aktueller Ansätze im Sporthallenbau ablesen: Während im städtischen Bestand individuelle Lösungen gefragt sind, hat der Serienbau den Platzvorteil vor allem auf der „grünen Wiese“. Baukunst sollte bei beidem das Ziel sein.

 

Weitere Beiträge finden Sie auch gesammelt in unserem Schwerpunkt Sportlich.

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