Der Architekturberuf wird sich verändern. Nicht nur pandemische Effekte, sondern auch die grüne Bauwende, neue Arbeitswelten, die Kommerzialisierung freiberuflicher Leistungen, demografische und weltwirtschaftliche Einflüsse stellen uns vor neue Herausforderungen. Noch nie gab es in Deutschland so wenig junge Leute wie heute. Der Trend zur „Silver Society“ – rund fünf Millionen Erwerbstätige in Deutschland gehen in den kommenden elf Jahren in Rente – betrifft besonders den Architekturbereich: Das Durchschnittsalter der selbstständig tätigen Kammermitglieder liegt bei 53 Jahren. Zur Verrentung der Baby-Boomer-Generation kommen perspektivisch abnehmende Absolventenzahlen der Hochschulen hinzu. Beides verschärft den Fachkräftemangel. Auch die Digitalisierung wird Berufsbild, Strukturen, Ausbildungsschwerpunkte sowie künftige Anforderungen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Architekturbüros, Bauverwaltung und Kammern verändern.
Größere Architekturbüros, mehr Angestellte
Steigende Nachhaltigkeitsanforderungen verändern das Planungs- und Baugeschehen, die Bauherrenschaft verändert sich und damit wandelt sich auch das Berufsbild der Architektenschaft. Steigende Investitionskosten in die Digitalisierung erschweren die Wirtschaftlichkeit kleiner Büros. Komplexer werdende Bauprojekte führen dazu, dass kleine Architekturbüros, die für die Branche typisch und notwendig sind, arbeitsteilig kooperieren oder sich zusammenschließen müssen, um den wachsenden Anforderungen gerecht zu werden. Neue Akteursgruppen treten als Käufer von Architekturbüros auf den Plan. Die Folge: Die durchschnittliche Bürogröße steigt und der Anteil der Angestellten unter den Kammermitgliedern dominiert immer mehr.
Selbstverwaltung sichern
Wie können wir die Angebote einer Kammermitgliedschaft an diese Entwicklungen anpassen und den Wert der Kammern sichtbarer machen? Die neue BAK-Projektgruppe „Kammer der Zukunft“ wird sich mit diesen Fragen befassen, mit tatkräftiger Unterstützung der Länderkammern. Es geht darum, Themenfelder zu sortieren, prioritäre Fragestellungen herauszuarbeiten und Handlungsempfehlungen für die Kammern zu geben. Um die richtigen Weichen zu stellen, für die zukunftssichere Aufstellung der Kammern bis ins Jahr 2030 und die Bewahrung des Rechts auf Selbstverwaltung unseres Berufsstands.
Gesellschaftliche Megatrends verändern den Beruf
Bereits das Zukunftsinstitut hat zwölf Megatrends identifiziert, denen nicht nur unser Berufsstand, sondern alle Branchen unterworfen sind. Dazu zählen neben der Urbanisierung und der Neo-Ökologie unter anderem auch die Themen Gesundheit, Gender Shift, Mobilität und Konnektivität sowie New Work. Wird der langfristige Trend der Globalisierung durch eine Phase der Deglobalisierung und Regionalisierung abgelöst?
Höhere Inflation und steigende Materialpreise, mehr Regionalisierung, teurere Energie und weniger Auswahl an Arbeitskräften – aus all dem kann man den Schluss ziehen: Das Berufsbild der Architektinnen und Planer ist nie statisch, sondern es wandelt sich angesichts langfristiger Megatrends. Diese äußeren Einflüsse bewirken auch Aufgabenverschiebungen bei den Architektenkammern. Der begonnene Prozess wird den anstehenden Strategiewandel unter die Lupe nehmen und klären, wie sich die Kammern auf all diese Zukunftsthemen einstellen werden.
Die Selbstverwaltung, neue Standesregeln, Qualitätssicherung und gesellschaftliche Verantwortung werden auch in der Kammer der Zukunft Hauptthemen sein. Entscheidend ist, die richtigen Fragen zu stellen, auch wenn nicht gleich die Antworten auf der Hand liegen – getreu dem Motto von Abraham Lincoln: „Die beste Art, die Zukunft vorauszusagen, ist, sie selbst zu gestalten.“
Evelin Lux, BAK-Vizepräsidentin
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