Von Johanna Naara Ziebart
Zum krönenden Abschluss meiner Zeit in Detmold bin ich noch mal zum Hermannsdenkmal hoch spaziert. Auf dem Weg durch die Natur wurde ich schon von weitem von einem knallgelben Schild angestrahlt: „Dieses Landschaftsschutzgebiet ist in Gefahr!!!“. Catchy Überschrift, meine Aufmerksamkeit haben sie schon mal. Laut des gelben Schildes soll kurz unter dem Hermannsdenkmal ein weiteres „Allgemeines Siedlungsgebiet“ (ASB) entstehen. Dank des fetten Pfeils auf dem Schild weiß man auch genau wo: genau daneben.
Das Schild wurde von der Initiative „Kein ASB Unter der Grotenburg“ aufgestellt. Diese Initiative ist gegen das neue Siedlungsgebiet denn sie sind für den Erhalt der Naherholung, des Lebensraumes vieler Tiere, des vielfältigen Landschaftsbildes, der Verbindung von Natur- und Landschaftsschutzgebieten, der wasserspeichernden Funktion und des Frischluftkorridors zur Kühlung der Stadt und gegen die Versiegelung von weiteren Flächen.
Privilegierte Forderung
Eigentlich eine schöne Aktion und ein nobles Ziel, finde ich. Die Argumente sind verständlich und wahrscheinlich auch zutreffend. Was mich aber an dem Schild stört, ist, dass es in genauso einem Siedlungsgebiet steht. Auch dieses Siedlungsgebiet hat Lebensräume zerstört und Naherholungsflächen genommen. Auch diese Einfamilienhaussiedlung hat versiegelte Flächen, auch dieses Neubaugebiet war mal eine grüne Wiese. Das Schild steht auf einem Grundstück, das für ein Einfamilienhaus unverhältnismäßig viele asphaltierte Parkplätze hat (nur so nebenbei).
Solange man selbst am Feldrand mit der Natur um die Ecke wohnt, ist es selbstverständlich scheiße, wenn einem die Aussicht genommen wird, wenn man 500 Meter weiter mit dem Hund gehen muss, damit der ins nächste Naherholungsgebiet kacken kann. Denn Naherholung gibt es in diesem Teil von Detmold nicht wenig, direkt im Teutoburger Wald gelegen, kann man hier stundenlang durch die Natur marschieren. Wenn man aus der Stadt zum Hermann läuft, so wie ich, ist es eigentlich egal, ob ich noch durch ein weiteres Neubaugebiet laufen muss, um zur Natur zu kommen.
Brauchen wir noch Neubaugebiete?
Generell bin ich auch der Meinung, dass wir keine weiteren Siedlungsgebiete mehr brauchen. Wir haben genug Flächen versiegelt und wenn ich durch die Straßen laufe und wieder irgendwo ein Neubaugebiet aus dem Boden sprießt, werde ich auch sauer. Mein Heimatdorf in Niedersachsen ist mittlerweile so hässlich vollgebaut, dass ich dahin nie zurückziehen würde. Die Neubaugebiete haben immer kleinere Grundstücke, die Häuser werden immer größer, die Autos immer mehr.
Laufen die alle mit Scheuklappen durch die Gegend? Wie kann man ruhigen Gewissens ein Haus bauen und zwei Autos in die Garage stellen? Wie kann eine Stadt ruhigen Gewissens ein neues Siedlungsgebiet planen, wenn Wohnungen in der Stadt leer stehen? In Detmold darf man einfach ein Haus in der Fußgängerzone kaufen, die Ladenfläche vergrößern und damit die oben liegenden Wohnungen unvermietbar machen. Dagegen sollte es ein Gesetzt geben. Vielleicht kann das ja Teil einer Umbauordnung sein.
Johanna Naara Ziebart studiert Innenarchitektur an der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe in Detmold und setzt sich auch bei nexture+ für Innenarchitektur ein.
Die Nachwuchs-Kolumnen des DAB schreibt ein junges Team, weitere Autor:innen sind Fabian P. Dahinten, Johanna Lentzkow und Lorenz Hahnheiser.
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