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Nachhaltiges Bauen: Eigenverant­wortung statt Zertifizierung

Seit April müssen geförderte Neubauten mit dem „Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude“ zertifiziert werden. Doch die zuständigen Zertifizierungsstellen stoßen schon jetzt an ihre Kapazitätsgrenzen. Die BAK schlägt daher ein schlankeres Verfahren vor, um nachhaltiges Bauen wirklich in die Breite zu bringen

25.10.20224 Min. Kommentar schreiben

Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Förderung der Eigenverant­wortung“ im Deutschen Architektenblatt 11.2022 erschienen.

Von Markus Müller

Im Jahr 2021 lag die Zahl nachhaltigkeitszertifizierter Projekte in Deutschland bei knapp 2.000. Im selben Jahr sind laut Statistischem Bundesamt rund 280.000 neue Wohnungen entstanden. Künftig sollen nach Willen der Bundesregierung jährlich sogar 400.000 Wohnungen entstehen. Es gibt also eine große Diskrepanz zwischen Neubau-Masse und Nachhaltigkeits-Klasse.

NH-Klasse und Zertifizierung mit QNG-Siegel

Seit April 2022 hat sich in Sachen Nachhaltigkeit einiges getan: Nachdem hier jahrzehntelang auf das Prinzip Freiwilligkeit gesetzt wurde, ist es für Neubauten inzwischen zwingende Voraussetzung, die sogenannte Nachhaltigkeitsklasse (NH-Klasse) zu erreichen, um gefördert zu werden.

Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude QNG
So sieht das „Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude“ QNG aus

Was nachhaltig ist, definiert das „Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude“ (QNG). Doch die Anzahl an Gebäuden, die zertifiziert wird, ist mit 2.000 eben sehr gering. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die für Neubauten jährlich zur Verfügung stehende eine Milliarde Euro vollständig abgerufen wird, würde das bestenfalls zu einer niedrigen fünfstelligen Zahl von Projekten mit einer Zertifizierung führen.

Nachhaltigkeit muss vom Spitzen- zum Breitensport werden

Nachhaltigkeit darf künftig nicht nur eine kleine Gruppe von Leuchtturmprojekten betreffen. Nachhaltigkeit muss in die Breite des Bauens gebracht und für alle Neubauten zum Standard werden. Mit dem jetzigen Nachweisweg der Nachhaltigkeitszertifizierung ist das jedoch nicht umsetzbar. Denn für die große Masse der Gebäude ist dieser Weg schlichtweg zu aufwendig und zu kostspielig. Ganz abgesehen davon stoßen die hierfür zuständigen Zertifizierungsstellen jetzt schon an ihre Kapazitätsgrenzen.

Gefragt ist also ein Prozedere, das schlanker ist als die Zertifizierung, das aber der Komplexität des Themas trotzdem gerecht wird und in die Breite getragen werden kann. Deshalb hat die BAK den Vorschlag formuliert, für das Gros der Projekte als Nachweisweg eine „Nachhaltigkeits-Erfüllungserklärung“ einzuführen. Das Prinzip kennen wir von der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG). Auch hier bestätigen Expertinnen und Experten eigenverantwortlich die Konformität zu den geltenden Anforderungen.

Unterschrift statt Zertifizierung

Eine zentrale Rolle bei der Aufgabe, Nachhaltigkeit in die Breite zu bringen, spielt unser Berufsstand. Denn Nachhaltigkeit ist mehr als Energieeffizienz und CO2-Reduzierung. Es geht um sorgfältige, an guten Kriterien ausgerichtete Planungsprozesse, beste Nutzbarkeit für alle, klimaresilienten Komfort, Schadstoff-Freiheit und vieles mehr. Also klassische Planungsaufgaben, für deren Lösung wir Architektinnen, Innenarchitekten, Landschaftsarchitektinnen und Stadtplaner ausgebildet sind. Es liegt in unserem Interesse, dass Fragen der Nachhaltigkeit im Bauwesen im Normalfall von uns verantwortlich bearbeitet und nicht ausschließlich durch externe Sachverständige im Projekt bewertet werden.

Der BAK-Vorschlag baut auf dieser zentralen Rolle unseres Berufsstands auf und setzt auf das Prinzip Eigenverantwortung. Konkret heißt das, dass diejenigen Kammermitglieder zur Ausstellung der NH-Erfüllungserklärung berechtigt sein sollen, die eine nach bundesweit einheitlichen Kriterien angebotene Fortbildung durchlaufen haben und in einem Fachregister „Nachhaltigkeit“ der Architektenkammern der Länder eingetragen sind. Der entsprechende Fortbildungsrahmen wird aktuell durch die BAK in enger Abstimmung mit den Länderarchitektenkammern und deren Fortbildungseinrichtungen erarbeitet.

Jetzt geht es darum, dass unser Vorschlag zur Einführung der NH-Erfüllungserklärung und die mit dem Fachregister „Nachhaltigkeit“ verknüpfte Ausstellungsberechtigung von der Bundesregierung übernommen und umgesetzt wird. Wir setzen darauf, dass die Regierung es mit Nachhaltigkeit im Gebäudebereich ernst meint. Nachhaltigkeit, die bezahlbar und umsetzbar ist und bei der unser Berufsstand als zentraler Akteur gefragt ist.

Markus Müller ist Präsident der Architektenkammer Baden-Württemberg und Vorsitzender des BAK-Ausschusses Nachhaltigkeit


Know-how zu BEG und QNG

Informations- und Weiterbildungs­angebote zum Thema QNG bieten die Fortbildungsakademien der Länderarchitektenkammern an. Hier finden Sie die aktuellen Termine.

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