Die Torfremise in Schechen (Bayern) von Ziegert Roswag Seiler Architekten Ingenieure.... (Klicken für mehr Bilder)
-
von Christoph Gunßer
Bald ein halbes Jahrhundert reichen die Bemühungen um eine ökologischere Architektur zurück. Vieles, was heute unter dem Eindruck von Klimawandel und Energieknappheit alternativlos erscheint, entwickelten Öko-Pioniere bereits nach der ersten Energiekrise der Siebziger; dieses Wissen stand spätestens in den achtziger Jahren zur breiten Anwendung bereit. Doch billige fossile Energie ließ das nachhaltige Bauen in der Nische verharren und befeuerte erst einmal den weiteren Verbrauch von Ressourcen ohne Rücksicht auf deren Endlichkeit. Verzicht, heute eleganter „Suffizienz“ genannt, war weiter tabu, die Technik sollte es letztlich richten.
Treffend beginnen die Herausgeberinnen dieses Buch mit einem Zitat von Ivan Illich von 1979: „Wenn eine Gesellschaft sich hingegen für einen hohen Energieverbrauch entscheidet, werden ihre sozialen Beziehungen notwendig von der Technokratie beherrscht und – gleichgültig, ob kapitalistisch oder sozialistisch etikettiert – gleichermaßen unerträglich werden.“
Die verlorenen Jahrzehnte des ökologischen Bauens
Um die bald dominierenden Ökotechniken (zum Beispiel die nach neuen Energiesparverordnungen fast unausweichliche kontrollierte Lüftung in Gebäuden) entbrannte schon in den neunziger Jahren eine heftige Debatte, die bis heute anhält. Den Architekten schien damit eine ganzheitliche Herangehensweise verloren zu gehen – ein immer größerer Anteil der Budgets verschwand in diese haustechnischen Apparate, während die Architektur nur noch „kompakt“ zu sein hatte.
Die vorgesehene Effizienz wird indes „im Betrieb im Normalfall nicht erreicht“, schreibt Thomas Auer, Professor für klimagerechtes Bauen an der TU München, in seinem Buchbeitrag. Die immer komplexeren Systeme erwiesen sich als störanfällig, der versprochene Nutzerkomfort werde nicht erfüllt, die Ersparnis zudem vielfach vom Rebound-Effekt (einem erhöhten Verbrauch), Wartungs- und Reparaturkosten wieder aufgefressen.
Bewährtes Wissen mit neuem kombinieren
Mittlerweile gibt es deshalb eine vielfältige Gegenströmung zum Hightech-Ansatz: Die Lowtech-Architektur setzt auf eine Robustheit, die einerseits von traditionellen Bauweisen lernt, andererseits sie auf industriegesellschaftliche Zwänge hin adaptiert. Recht bekannt für diesen kreativen Crossover sind neben Florian Nagler auch Anna Heringer und Eike Roswag-Klinge, die beide im Buch zu Wort kommen.
Lobpreis für den Lehmbau
Anna Heringer preist im Interview den Lehmbau und sieht großen Handlungsbedarf bei den Bauvorschriften und Normen, um diesem zu weiterer Verbreitung zu verhelfen. Er sei nun mal arbeitsintensiv, doch es sei eine gute, urmenschliche Arbeit. In den Industrienationen sei Arbeit zu teuer und Energie zu billig, was dem Konkurrenten des Lehms, dem Zement, einen ungerechtfertigten Vorteil verschaffe. Ähnlich der dezentralen Infrastruktur für Beton plädiert sie für lokale Lehmfabriken, wie es bereits eine in Schlins in Vorarlberg gibt, wo Fertigteile erstellt werden. Eike Roswag-Klinge erläutert u. a. seine behutsame Neunutzung einer alten Torfremise in Oberbayern.
Beispiele für Lowtech-Architektur
Ein Kapitel ist schließlich den Gebäudebewertungssystemen gewidmet und wie Lowtech in deren Kontext eingeordnet wird. Die Systeme seien allerdings vorrangig Marketing-Instrumente, um Bauherren zu gewinnen, meint die Herausgeberin und Autorin Edeltraut Haselsteiner. Natürlich werden auch zahlreiche regenerative Baumaterialien vorgestellt und analysiert, vom Strohballen bis zum Pilz.
Ausführlich bis in die Werkplanung gezeigt werden am Schluss zehn realisierte Projekte, teils bereits aus der Zeitschrift Detail bekannt. Diese werden zwar nicht unabhängig bewertet, aber mit einem Polaritätsprofil den Lowtech-Schwerpunkten zugeordnet Vom Haus ohne Heizung über einen intelligent umgebauten Bürobau bis zum feingliedrigen Stadtteilzentrum reicht das Spektrum, ehe dem Leser noch Strategien für Planung und Entwurf mit auf den Weg gegeben werden.
Etwas zu textlastig
Obwohl auch in den allgemeinen Kapiteln treffend mit kurz erläuterten Beispielen illustriert (viele aus Österreich, da die Herausgeberin in Wien wirkt), ist das Buch nach meinem Geschmack insgesamt etwas zu textlastig; vor allem ist dieser dann auch noch sehr klein gesetzt. Trotzdem bietet das Buch einen kundigen Überblick der vielversprechenden Lowtech-Richtung, die immer mehr Anhänger gewinnt – nicht nur wegen der sich gerade zuspitzenden Krise der fossilen Energieversorgung, sondern weil die Gebäude auch einfach ästhetisch ansprechend, nachvollziehbar konstruiert und auf eigene Weise komfortabel sind.
Edeltraud Haselsteiner (Hg.)
Robuste Architektur. Lowtech Design
Edition Detail, 2022
200 Seiten, 59,90 Euro
War dieser Artikel hilfreich?
Weitere Artikel zu: