Das britische Künstlerkollektiv „the queer architect“ … (Klicken für mehr Bilder)
Ich bin schwul und liebe Architektur. Diese zwei Dinge haben erstmal nicht viel miteinander zu tun – doch nur auf den ersten Blick. Fehlt es an Sichtbarkeit von Themen rund um LGBT+ im Architekturdiskurs? Und was wäre der Mehrwert davon? Um Antworten auf diese Fragen zu finden, besuchte ich die Vernissage der Ausstellung „Das Coming Out der Architektur“ in Mannheim. Der junge Baukulturverein MOFA holte die Ausstellung nach ihrer ersten Station in Stuttgart nach Mannheim und organisierte dazu ein vielfältiges Begleitprogramm. In der Ausstellung selbst (vom 4.2. bis 18.2. in München) werden Werke des britischen Künstlerkollektives „the queer architect“ gezeigt, mit denen ich über ihre Arbeit gesprochen habe.
Architektur-Ikonen in schwulem Kontext
Die anonyme Künstler:innengruppe fügt durch Fotomontagen Architektur-Ikonen mit queeren, teils provokanten Motiven zu einer Art aktivistischer Kunst über LGBT+ zusammen. Während übliche Architekturfotografien bewusst die Gebäude in den Fokus rücken, stehlen auf den gezeigten Motiven meist junge durchtrainierte Stereotype von schwulen Männern den „Meisterbauten“ die Show. Die Art und Weise wie Architektur und Queerness zusammenkommen, ist vielfältig (im Gegensatz zur überwiegenden Modelauswahl, die etwas mehr Diversität vertragen könnte).
Das britische Künstlerkollektiv vermisst queere Themen, und dadurch die queere Sichtbarkeit, im Architekturdiskurs, zum Beispiel in Hochschulen, Magazinen oder Ausstellungen. Mit Ihrer Arbeit möchten sie für eine stärkere Sichtbarkeit sorgen. Mit Erfolg, denn sie erhalten viel positives Feedback aus der ganzen Welt, durch das sie sich in ihrer Arbeit bestärkt und motiviert fühlen.
Wozu braucht es einen Diskurs über LGBT+ in der Architektur?
„Es geht um Sichtbarkeit von queeren Menschen in der Architekturbranche, die nach wie vor maskulin geprägt ist“ so Uwe Bresan, der mit Wolfgang Voigt zusammen kürzlich das Buch „Schwule Architekten – Gay Architects, verschwiegene Biografien vom 18. bis zum 20. Jahrhundert“ veröffentlicht hat.
Rolemodels, also Vorbilder, machen auch in der Architekturbranche Menschen aus der queeren Community Mut sich am Arbeitsplatz und im beruflichen Umfeld frei von Ängsten zu entfalten und sich akzeptiert zu fühlen. Doch die gibt es kaum. Welche bekannte queere Architektin oder welche queere Architekt fällt dir spontan ein? Mir fällt keine einzige Person ein, die in Deutschland oder international bekannt ist. Etwas worüber ich in der Vergangenheit noch nie nachgedacht hatte und was die fehlende Sichtbarkeit von LGBT+, selbst bei mir als schwulem Mann, deutlich aufzeigt.
Gibt es noch Diskriminierung von queeren Personen?
„Was ist das denn für eine schwule Ansicht?“ So lautete das Feedback eines meiner männlichen Professoren während meines Studiums in einer Korrektur vor der gesamten Entwurfsgruppe. Er wollte mit seiner mehr als unglücklichen Wortwahl eigentlich ausdrücken, dass die Ansichtszeichnung meines Entwurfes zu schwach, zu schlecht sei. Es war nicht nur ein unkonstruktives Feedback, es war auch homophob und diskriminierend vor versammelter Mannschaft.
Umfrage zur Sichtbarkeit von LGBT+ Personen in der Architektur
Dass dies kein Einzelfall ist, zeigt eine englische Umfrage zu LGBT+ Sichtbarkeit aus dem Jahr 2017. Demnach bekamen 39 Prozent der Befragten homophobe oder transphobe Beleidigungen am Arbeitsplatz in der Architektur zu hören. Sodass schließlich laut der Umfrage nur 73 Prozent der Personen am Arbeitsplatz geoutet seien. Die kreative Schaffenskraft sollte doch lieber in die Arbeit fließen, statt in die ständige Überlegung, wie man den Schein einer anderen Identität aufrechterhalten kann. Vermutlich werden die Werte der Umfrage in Deutschland ähnlich sein, doch hier gibt es nach meinem Wissen noch nicht mal eine solche Erhebung.
In meiner nächsten Kolumne geht es mit dem Thema LGBT+ weiter. Darin verrate ich euch nicht nur meine Reaktion auf die „schwule Ansicht“, sondern ihr erfahrt auch, wieso es queere Menschen oft schwerer haben und was wir für eine offenere Architekturwelt brauchen.
Fabian P. Dahinten studierte Architektur an der Hochschule Darmstadt, engagiert sich bei der Nachwuchsorganisation nexture+ und ist Sprecher der Nachwuchsmitglieder der Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen.
Die Nachwuchs-Kolumnen des DAB schreibt ein junges Team, weitere Autor:innen sind Johanna Lentzkow, Lorenz Hahnheiser und Johanna Naara Ziebart.
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