Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Ambitioniert und halbherzig“ im Deutschen Architektenblatt 03.2023 erschienen.
Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis sich EU-Kommission, Mitgliedstaaten und EU-Parlament auf einen gemeinsamen Text der neuen Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden, kurz EPBD, geeinigt haben. Einige wollen ihn abschwächen, andere noch umfassendere Ziele verankern.
Ambitionierte EU-Klimaziele
Dabei ist der Kommissionsvorschlag ziemlich ambitioniert. Ab 2030 sollen in Europa nur noch Gebäude errichtet werden dürfen, die im Betrieb keine Treibhausgase mehr verursachen. Für Bestandsgebäude werden energetische Mindest-Effizienz-Standards (MEPS) festgelegt. Die Mitgliedstaaten werden verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die energetisch schlechtesten 15 Prozent ihres Gebäudebestands bis spätestens 2030 saniert sind. Für öffentliche Gebäude soll beides schon drei Jahre früher gelten.
Mehr Fokus auf den Lebenszyklus
In einem etwas halbherzigen, aber immerhin ersten Schritt hin zur Lebenszyklusbetrachtung soll bei Neubauten künftig das Treibhauspotenzial über die gesamte Lebenszeit verpflichtender Teil des Energieausweises werden. Der Senkung grauer Emissionen mehr Gewicht beizumessen, fordern wir schon lange, denn derzeit machen der Bau und die Herstellung von Materialien und Ausrüstungen ein gutes Drittel der gesamten Emissionen aus.
Leider bleibt auch in der neuen EPBD der oft eher fragwürdige Parameter des Primärenergiebedarfs entscheidend für die Effizienzbeurteilung. Die Lebenszyklusdaten müssen zwar ausgewiesen werden, Standards und Grenzwerte sind allerdings nicht definiert.
Mehr Angebot an Daten und Produkten
Gleichwohl führt kein Weg an einem Umbau der Bauwirtschaft hin zu einem zirkulären System und möglichst CO2-neutraler Produktion vorbei. Um aber in unseren Planungen Alternativen abwägen und die beste Lösung bestimmen zu können, braucht es frei zugängliche, einheitliche Datenbanken, leicht handhabbare Berechnungsmethoden und ein deutlich breiteres Angebot von Recyclingprodukten.
Worst first: Sanierungspflicht für die Schlechtesten
Größter Streitpunkt ist das Thema „Sanierungspflicht“. In Deutschland stehen rund 21 Millionen Gebäude. Welche sind die schlechtesten? Die Bundesregierung hat zum 1. Januar 2023 einen sogenannten WPB-Bonus (Worst-Performing-Building) in die Sanierungsförderung aufgenommen und dabei auch definiert, was ein WPB, also ein energetisch schlechtes Gebäude ist. Aber schon die hierfür notwendige Datenerhebung dürfte eine Herausforderung sein. Und wie viel Förderung braucht es, damit die Kosten der Modernisierung nicht die Ärmsten treffen, indem die Mieten noch mehr steigen?
Die „Worst-First“-Strategie mag vernünftig sein, weil damit die größten Effekte erzielt werden können und ein Impuls für die längst überfällige Erhöhung der Sanierungsquote gesetzt wird. Dennoch ist die Rasenmäher-Methode nie besonders zielgenau. Ökonomisch sinnvoll ist immer eine Verknüpfung mit ohnehin fälligen Renovierungszyklen.
EU-Klimaziele ohne Qualitätsanspruch?
Im gesamtgesellschaftlichen Sinne werthaltig ist die Aktion erst dann, wenn sie mit echten Qualitätssteigerungen nicht nur einzelner Gebäude, sondern ganzer Quartiere einhergeht, wenn eine bessere Adaptierbarkeit an künftige Entwicklungen möglich ist, wenn robuste, dauerhafte Lösungen im Vordergrund stehen und unsere gebaute Umwelt lebenswerter und schöner wird.
Das verlangt eine sorgfältige, ganzheitliche Planung, die nur wir leisten können. Der Wert dieser Planung muss in die Köpfe der Politik, die Qualifikationsanforderungen etwa für die Erstellung von Sanierungsplänen definiert und Rahmenbedingungen für eine angemessene Honorierung setzen muss. Und es muss in die Köpfe von Investoren und Bauherrinnen, dass sie durch gute Planung viel mehr gewinnen als die Einsparung von Energie.
Ralf Niebergall, Vizepräsident der Bundesarchitektenkammer
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