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Wann verjährt oder verfällt ein Urlaubs­anspruch?

Verfällt der Anspruch, wenn der Urlaub nicht im laufenden Kalenderjahr genommen wird? Das Bundesarbeitsgericht hat dazu eine wegweisende Entscheidung getroffen: Es kommt auf das Verhalten des Arbeitgebers an

28.03.20235 Min. Kommentar schreiben

Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Wann verjähren Urlaubs­ansprüche?“ im Deutschen Architektenblatt 04.2023 erschienen.

Von Anne Schneider

Der gesetzliche Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers erlischt grundsätzlich, wenn er nicht im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen wird. Nur aus dringenden betrieblichen Gründen oder aus persönlichen Gründen des Arbeitnehmers kann der Anspruch bis zum 31. März des Folgejahres übertragen werden, so steht es in § 7 Abs. 3 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG).

Abeitgeber hat Hinweispflicht auf Urlaubsanspruch

Dies setzt jedoch voraus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig (sodass er ihn auch noch nehmen kann) auffordert, seinen Urlaub zu nehmen, und ihn explizit darauf hinweist, dass dieser Urlaub anderenfalls zum Ende des Kalenderjahres beziehungsweise Übertragungszeitraumes verfallen wird. Gibt der Arbeitgeber diesen Hinweis nicht, so tritt der für das laufende Kalenderjahr bestehende Urlaubsanspruch jenem hinzu, der für das Folgejahr entsteht. Der Arbeitnehmer kann den „alten“ Urlaub dann also „mitnehmen“.

Verjährt ein Urlaubsanspruch nach drei Jahren?

Fraglich ist, wie lange Arbeitnehmer einen Anspruch auf Übertragung des Urlaubs haben und unter welchen Voraussetzungen sich Arbeitgeber gegebenenfalls darauf berufen können, dass der Urlaubsanspruch verjährt ist, der Arbeitnehmer den Urlaub also nicht mehr nehmen kann.

Wenn nicht eine längere oder kürzere Frist geregelt ist, unterliegt im Zivilrecht jeder Anspruch der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren. Die Frist beginnt mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in dem der Anspruch entstanden (und auch bekannt geworden) ist. Doch wie lässt sich dieser Grundsatz auf einen nach Bundesurlaubsgesetz übertragenen Urlaubsanspruch anwenden? Diese Frage hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung vorgelegt, da es eine europäische Richtlinie zum Thema Arbeitszeit gibt, die beachtet werden muss.

Klage auf Auszahlung

Hintergrund ist folgender Fall: Eine Arbeitnehmerin klagte gegen ihren früheren Arbeitgeber auf Abgeltung der nicht in den Vorjahren genommenen Urlaubstage, also auf Auszahlung der Urlaubstage in Geld. Die Arbeitnehmerin war von 1996 bis 2017 bei dem Arbeitgeber beschäftigt. Laut Arbeitsvertrag hatte sie einen Anspruch auf 24 Urlaubstage pro Kalenderjahr, den sie jedoch aufgrund des hohen Arbeitsaufwandes in den Jahren 2013 bis 2017 nicht ausschöpfte.

Obgleich dem Arbeitgeber dieser Umstand bekannt war, forderte er sie weder auf, Urlaub zu nehmen, noch wies er sie darauf hin, dass nicht beantragter Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres (beziehungsweise Übertragungszeitraums) verfallen wird. Die Arbeitnehmerin war mangels eines solchen Hinweises der Auffassung, dass ihr Urlaubsanspruch nicht erloschen sei. Der Arbeitgeber vertrat die Meinung, der Urlaubsanspruch sei gemäß der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren bereits verjährt.

Der EuGH entschied anhand der Arbeitszeitrichtlinie, dass es für die Verjährung des Urlaubsanspruchs beziehungsweise des damit korrelierenden Anspruchs auf Abgeltung des Jahresurlaubs bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses darauf ankomme, ob der Arbeitgeber seinen Hinweispflichten genügt habe und der Arbeitnehmerin so ermöglicht habe, ihren Urlaubsanspruch rechtzeitig geltend zu machen.

Keine Verjährung ohne Hinweis

Zwar dienten die Verjährungsvorschriften der Rechtssicherheit, hierauf dürfe sich der Arbeitgeber aber nicht berufen, wenn er versäumt habe, den Arbeitnehmer aufzuklären. In dieser Konstellation müsse die Rechtssicherheit hinter dem Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer, bezahlten Jahresurlaub in Anspruch nehmen zu können, zurücktreten.

Auf dieser Grundlage entschied nun das BAG, dass die dreijährige Verjährungsfrist nicht bereits zwingend mit dem Schluss des laufenden Urlaubsjahres, sondern erst mit Ablauf des Jahres beginnt, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen nach dem BUrlG aufgeklärt hat und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat (Urteil vom 20. Dezember 2022, Az.: 9 AZR 266/20).

Für den konkreten Fall bedeutete dies, dass die Urlaubsansprüche der klagenden Arbeitnehmerin weder am Ende des Kalenderjahres noch am 31. März des Folgejahres noch nach drei Jahren verfielen. Es bestand also ein Anrecht auf die nicht genommenen Urlaubstage aus den Jahren 2013 bis 2017.

Urlaubsanspruch kann verfallen aber nicht verjähren

Mit dieser Entscheidung des BAG werden die Rechte der Arbeitnehmer gestärkt. Nachdem der EuGH bereits entschieden hatte, dass Urlaubsansprüche ohne einen Hinweis des Arbeitgebers nicht verfallen, blieb den Arbeitgebern zumindest die Möglichkeit, sich auf Verjährung zu berufen, um einer „Ansammlung“ von Urlaubsansprüchen zu begegnen.

Mit dem BAG-Urteil wird Arbeitgebern diese Möglichkeit genommen. Die Entscheidung führt letzten Endes dazu, dass die Verjährungsregelungen faktisch keine Anwendung auf Urlaubsansprüche finden. Erfüllt der Arbeitgeber seine Hinweispflichten, verfallen die Urlaubsansprüche gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG, sodass es auf eine Verjährung gar nicht mehr ankommt. Erfüllt der Arbeitgeber seine Hinweispflichten nicht, finden weder Befristung noch Verjährung Anwendung: Urlaubstage sammeln sich dann unbegrenzt an.

Arbeitnehmer wie Arbeitgeber sind gleichermaßen dazu angehalten, die Hinweispflichten des Arbeitgebers in den Blick zu nehmen. Anzuraten ist Arbeitgebern eine Verschriftlichung getroffener Aufforderungen und Hinweise, die im Streitfall als Nachweis dienen können. 

Anne Schneider ist Rechtsreferendarin am Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht und der Hamburgischen Architektenkammer zur Ausbildung in der Verwaltungspflichtstation zugeteilt.

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