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Freiberuflichkeit: persönlich, unabhängig, eigenverantwortlich

Die Form der Berufsausübung und das Selbstbild haben sich grundlegend gewandelt. Das System der Freiberuflichkeit muss dabei gestärkt werden

28.04.20233 Min. Kommentar schreiben
Präsident der Architektenkammer Mecklenburg-Vorpommern Christoph Meyn
Christoph Meyn, Präsident der Architektenkammer Mecklenburg-Vorpommern

Mitte März 2023 saß ich mit einem Zahnarzt und einem Steuerberater zum Thema Nachwuchs in den freien Berufen in einem Expertengespräch beim Wirtschaftsausschuss im Plenarsaal des Schweriner Landtags. Gemeinsam mit meinen Mitstreitern (beide auch Präsident beziehungsweise Geschäftsführer ihrer Landeskammern in Mecklenburg-Vorpommern) unternahm ich den – nicht ganz trivialen – Versuch, den Parlamentarierinnen und Parlamentariern die Besonderheiten der freiberuflichen Berufsausübung näherzubringen.

Mehr Studienplätze für freie Berufe

Wir erklärten, warum es gerade für die Politik in einem Flächenland wie Mecklenburg-Vorpommern, die mehr Eigenverantwortung einfordert, eine wirklich gute Sache sei, sich gemeinsam mit uns für eine substanzielle Stärkung der Ausbildung von Freiberuflern einzusetzen, indem man die Studienplätze in den entsprechenden Studiengängen der Hochschulen des Landes signifikant aufstockt.

Freiberufler allgemein erbringen in der Fläche und direkt bei den Menschen persönlich, unabhängig und eigenverantwortlich gemeinwohlorientierte Dienstleistungen höherer Art zu deren Schutz und entlasten damit den Staat!

System der Freiberuflichkeit nicht mehr bewusst

Was von uns als selbstverständlich vorausgesetzt wurde, war jedoch wohl ganz überwiegend erklärungsbedürftig, wie wir den mehr oder minder interessiert fragenden Blicken unserer Gesprächspartnerinnen und -partner entnehmen konnten.

Keineswegs können wir nämlich – und das hat mir dieser Nachmittag wieder einmal vor Augen geführt – noch voraussetzen, dass das in Deutschland einzigartige und eigentlich sehr moderne und schutzwürdige System der Freiberuflichkeit, dem die Kammern als Körperschaften ja ursächlich entspringen, noch allgemein bekannt und in den Köpfen positiv konnotiert verankert ist. Und jetzt kommt das nach meinem Empfinden durchaus ärgerliche Problem: Das gilt nicht einmal selbstverständlich und in ganzer Breite für unsere eigenen Leute!

Zahl der Angestellten steigt

Warum ist das so? Wann und wo sind wir hier, in jedem Fall kommunikativ und höchstwahrscheinlich sogar inhaltlich, falsch „abgebogen“? Oder haben wir uns als Berufsstand – die Kammern ausdrücklich eingeschlossen – vielleicht bisher einfach nicht schnell genug mit den sich wandelnden gesellschaftlichen Strukturen entwickelt? Offensichtlich haben sich die Form der Berufsausübung und das Selbstbild bei Architektinnen, Innenarchitekten, Landschaftsarchitektinnen und Stadtplanern ziemlich grundlegend gewandelt, wie uns unter anderem die wachsende Zahl der angestellt oder im öffentlichen Dienst beschäftigten Berufsträger in ganz Deutschland zeigt.

Parallel dazu werden „gestaltende Planungsleistungen“ längst nicht mehr nur in Architekturbüros erbracht. Die klassisch freischaffende Berufsausübung weicht Stück für Stück einem, diplomatisch formuliert, eher unternehmerischen Bild von Planung. Wie begegnet ein Beruf, der sich explizit auf die fachlich unabhängige Expertise Einzelner fokussiert, dieser Entwicklung?

Freiberuflichkeit verinnerlichen

Hier werden wir als Berufsstand relativ kurzfristig Antworten geben und neue Perspektiven eröffnen müssen. Wie gewährleisten wir weiterhin sicher, dass abhängig beschäftigte Architektinnen und Architekten freiberuflich im Sinne des freiberuflichen Wertekanons persönlich, unabhängig und eigenverantwortlich arbeiten können? Wie fordern wir künftig das Gleiche – oder ­etwas Vergleichbares – von den Unternehmen ein, die in Deutschland Architektenleistungen erbringen? Und wie vermitteln wir den Menschen, dass die Arbeit von Freiberuflern weiterhin von besonderer Bedeutung für die Gesellschaft ist?

Zuerst müssen wir es aber schaffen, dass wir uns selbst kraftvoll als das begreifen, was wir sind. Und wir sind eben nicht irgendwer – wir sind FREIBERUFLER!

Christoph Meyn, Präsident der Architek­tenkammer Mecklenburg-Vorpommern

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