Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Zwischen Kommunikation und Entwurf“ im Deutschen Architektenblatt 07.2023 erschienen.
Von Fabian P. Dahinten
Visualisierungen sind als Kommunikationsmittel im Architekturdiskurs omnipräsent – einerseits. Andererseits steht nicht das digitale Architekturbild selbst im Fokus, sondern das Projekt, für das es begeistern soll. Mit Imaginationen des (noch) nicht Gebauten richtet sich die Fachwelt nach außen, um bei der Auftragsvergabe zu punkten, politische Entscheidungen zu beeinflussen oder die Öffentlichkeit zu überzeugen.
Beeinflussen Visualisierungen die Architektur?
Doch welchen Einfluss hat das digitale Bild im Umkehrschluss auf das Entwerfen und Visualisieren von Architektur? Wie hat sich die Darstellung von noch nicht gebauter Architektur im Wandel vom analogen zum digitalen Zeitalter verändert? Und inwiefern kann vielleicht sogar von einer medienspezifischen Prägung der Architektur durch die digitalen Entwurfs- und Darstellungswerkzeuge die Rede sein?
Das dreijährige Forschungsprojekt „Architecture Transformed“ hat sich explizit mit diesen Fragen beschäftigt (siehe Kasten). Dafür haben die Forscherinnen und Forscher Ausgaben der Zeitschriften Bauwelt und Arch+ aus den letzten 40 Jahren ausgewertet. Von über 2.100 Bildern haben sie 50 ausgesucht, die stellvertretend für eine Entwicklung beziehungsweise einen Trend stehen.
Digitale Bilder von Hand ergänzt
Das erste rein digitale Bild zu einem realen Projekt erschien in der Arch+ im Jahr 1988. Zuvor gab es bereits Darstellungen mit digitalen Techniken, die man jedoch immer noch mit analogen Techniken kombinierte, indem zum Beispiel über die Konturen mit der Hand skizziert wurde. Mit zunehmender Entwicklung der Darstellungstechniken zogen auch Lichtstimmungen, Wetter und Geschichten in die Darstellungen ein.
Visualisierungen werden eigenständig
Zunächst versuchten die digitalen Bilder, die analogen nachzuahmen, dann wurden sie freier und bekamen eine eigene künstlerische Handschrift. Insbesondere der Fotorealismus versuchte, immer näher an die Realität heranzukommen. Die Forschenden machen wellenförmige Trends aus, bei denen auf die Blütephase der Abschwung folgte: Als die fotorealistischen Renderings immer besser gelangen, wurden die Bilder wieder abstrakter.
Zwischen Fokussierung und Täuschung
„Deutlich wird die kontinuierliche Veränderung in der Technik und parallel im Stil der Darstellungen“, so Hubert Locher, Initiator des Projektes und Professor für Kunstgeschichte an der Philipps-Universität Marburg. In den analogen 1980er-Jahren herrschte die Axonometrie als Darstellungsmethode vor. Während sie Betrachtenden noch einen ganzheitlichen Überblick ermöglicht, entwickelte sich der Trend über die Collage hin zur Perspektive.
Dafür entschieden sich die Architekten meist für einen bestimmten, dem menschlichen Sichtfeld ähnlichen Blickwinkel. Dadurch bleiben andere Seiten des porträtierten Gebäudes außerhalb des Fokus – ein schmaler Grat zwischen gewollter Fokussierung und möglicher Täuschung.
Renderings erlauben Beteiligung
Mittlerweile zeigt sich gegenüber Visualisierungen ein Misstrauen – etwa in Wettbewerben, die mitunter Rendering-Verbote aussprechen, um die Jury – oder auch später die Öffentlichkeit – nicht zu blenden.
Doch das Schwert ist zweischneidig, senken leicht verständliche Darstellungen von Architektur doch zugleich für Laien die Hürden, mitzusprechen. Das bietet Chancen für partizipativere Entwurfsverfahren und kann die Akzeptanz von Architektur in der Gesellschaft nachhaltig erhöhen.
Visualisierungen für das Marketing
Gleichzeitig erfüllen digitale Bilder für die Architekturschaffenden selbst inzwischen auch einen Zweck, der weit vor dem „Verkauf“ des eigenen Entwurfs ansetzt. Da heute annähernd jedes CAD-Programm eine dreidimensionale Ansicht mitliefert, lassen sich Räume durch ein 3D-Modell auf dem Bildschirm schon während des Prozesses aus einer völlig neuen Perspektive kreieren oder in einer VR-Brille bewerten und direkt anpassen.
Diese Wechselwirkung zwischen Entwurf und Darstellung im Prozess hat unmittelbare Auswirkungen auf die Qualität der Architektur – tendenziell zum Positiven.
Nun wirft KI neue Fragen für den Entwurf auf
Und schon steht mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz ein weiteres Feld an, das mit großer Geschwindigkeit immer mehr beackert wird. KI eröffnet nicht nur Architekturschaffenden neue Spielräume, digitale Bilder zu erzeugen. Von ihr können auch Laien ein digitales Bild nach den eigenen Vorgaben erzeugen lassen.
Das wirft neue Fragen auf: Welche Vorgaben muss ich machen, um das gewünschte Ergebnis von einer KI zu bekommen? Wer bewertet die architektonische Qualität solch eines Bildes – und wie? Ein Umbruch steht an, den wir aktiv begleiten und gestalten müssen.
Fabian P. Dahinten ist DAB-Nachwuchsautor und Sprecher der Nachwuchsmitglieder der Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen
Architecture Transformed: 1980 bis 2020!
Die Veröffentlichung des Forschungsprojektes bietet auf 154 Seiten einordnende Essays und eine Reihe von exemplarischen Renderings und Visualisierungen aus Architekturzeitschriften sowie dem Schinkel-Wettbewerb. Sie kann hier kostenfrei als PDF heruntergeladen werden.
Ich kann mich noch an meine Zeit als Studentin an der TU in Cottbus erinnern, als Prof. Lengyel den alten Prof abgelöst und den Lehrstuhl übernommen hat. Damals, als er sozusagen Rhino und Co. auf niegelnagelneuen iMacs etabliert und somit das Ende der Zeichenschiene endgültig besiegelt hat. Wie man spätestens anhand dieser Publikation sehen kann, ist die digitale Architekturvisualisierung zentral geworden und die Handzeichnungen (leider, auch als Basis) immer seltener. Man benötigt nun Begabung und Können auf einem anderem Feld. Ich bin gespannt, wie sich die Architekturvisualisierung weiterentwickelt, denn verwöhnt aber auch an der Nase herumgeführt sind wir ja heutzutage schon. Wer kennt sie nicht, unechte schöne Models, gerenderte leckere Burger („Serviervorschlag“) oder nun auch „hier könnten Sie wohnen“.
Es ist ein langer Weg seit den Anfängen in den frühen 80ern mit POV RAY bis heute mit „Echtzeit Renderprogrammen“. Die Frage, welche sich immer stellt ist: Was will man mit einer Visualisierung erreichen! Verkaufen, Ideen transportieren oder einfach nur Kontrolle von Konstruktionen. Fotorealismus ist nicht immer zielführend. Eine einfache Skizze kann da oft mehr helfen. Nur Skizzieren muss man trainieren.