Wie steht es nach dem Studium um die Karrierechancen? Diese Frage beschäftigt viele schon im Studium. Mir ging es ebenso. Für mich stand schon früh fest, dass ich mich über kurz oder lang selbstständig machen möchte. Die große Frage war jedoch: „Wie werde ich als Architekt selbstständig?“
Ich bin dabei kein Einzelfall laut einer Umfrage von nexture+ möchten über 50 Prozent der Jungen in den Disziplinen Landschaftsarchitektur, Stadtplanung, Innenarchitektur und Architektur ihre Karrierechancen nutzen, indem sie sich selbstständig machen. Über 90 Prozent haben schon mit dem Gedanken gespielt. Auf die Frage „Möchtest du dich selbstständig machen?“ antworten 28 Prozent mit „Auf jeden Fall“, weitere 28 Prozent mit „Eher ja“ und nur 18 Prozent mit „Eher nein“.
Ernüchternd: Braucht man Vitamin B?
Ernüchternd für mich sind die zwei aussichtsreichsten Möglichkeiten, die die Jungen sehen, um ihren Traum von der Selbstständigkeit zu erreichen. Zum einen ist es die Zuarbeit als freie:r Mitarbeiter:in oder als kleines Büro für etablierte Büros. Zum anderen sind es Bauaufgaben im persönlichen Umfeld. Hier zählt der persönliche Kontakt, der Auftraggeber:innen motiviert, Unerfahrenen ein ganzes Projekt zu überlassen. Dieser Weg setzt finanzstarke Familien und Freundeskreise voraus.
Können also nur junge Architekt:innen mit solch guten Beziehungen sich mit eigenen Projekten selbstständig machen? Sie haben zumindest die besseren Karrierechancen. Doch der Weg, den schon viele in der Vergangenheit gegangen sind – und bei dem das fachliche Können zählt – sind Architekturwettbewerbe. Diese sehen die Jungen an dritter Stelle bei der Frage, welche Wege am aussichtsreichsten sind. Architekturwettbewerbe liegen in der Umfrage gleichauf mit einem weiteren Weg: sich mit ganz kleinen Projekten wie Garagen- oder Terrassenanbau langsam hochzuarbeiten.
Zwischen Startbahn und Kaltakquise
Meinhard von Gerkan und Volkwin Marg gewannen 1965 mit einem anonymen Beitrag den Architekturwettbewerb für den Flughafen Berlin-Tegel, ohne jemals zuvor ein Bauwerk realisiert zu haben. Ist solch ein Traum, vom selbstständig werden durch einen Wettbewerbsgewinn, heute nur noch Geschichte?
Laut der Umfrage von nexture+ trauen die Jungen dieser Art von Karrierechancen nicht mehr so recht. Auch die befragten Selbstständigen haben ihren Durchbruch in erster Linie durch Bauvorhaben aus dem persönlichen Umfeld (38 Prozent) und durch Zuarbeit zu etablierten Büros (38 Prozent) geschafft. Selbst die Kaltakquise, also Projekte mit Eigeninitiative, liegen mit 23 Prozent vor den lediglich 18 Prozent der Bürogründungen durch Wettbewerbe (bei der Frage war eine Mehrfachauswahl möglich).
Generationenwechsel eröffnet Karrierechancen
Eine Option, die für Karrierechancen an Bedeutung zunimmt, ist die Übernahme, oder der Einkauf in ein bestehendes Büro. Diese Möglichkeit funktioniert für die bisherigen Büroinhaber:innen am besten, wenn man Nachfolger:innen im eigenen Büro findet und früh aufbaut. Zu hohe finanzielle Erwartungen der Ausscheidenden und das Fehlen einer langfristigen Vorbereitung führen oft zu der Annahme, dass die Jungen Angst vor der Verantwortung hätten.
Doch dieser Weg kann trotzdem gut funktionieren, was viele Beispiele zeigen. Aber hier bräuchte es noch etwas mehr Beratung und Vernetzung seitens der Architektenkammern, damit auch interessierte Nachfolger:innen und Seniorchef:innen zueinander finden, die sich bisher nicht kannten.
Welche Wege es in die Selbstständigkeit gibt, zeigt auch diese Nachwuchs-Kolumne auf. Ob Architekturwettbewerbe als Startbahn für Karrierechancen in der Selbstständigkeit heute noch geeignet sind, und was Junge engagierte Nachwuchstalente beachten sollten, wird in meiner nächsten Kolumne Thema sein.
Fabian P. Dahinten ist Architekt, studierte Architektur an der Hochschule Darmstadt, engagiert sich bei der Nachwuchsorganisation nexture+ und ist Sprecher der Nachwuchsmitglieder der Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen.
Die Nachwuchs-Kolumnen des DAB schreibt ein junges Team, weitere Autor:innen sind Johanna Lentzkow, Lorenz Hahnheiser und Luisa Richter.
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