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Beschleunigte Außen­entwicklung ist unzulässig

Der 2017 ins Baugesetzbuch eingeführte § 13 b sollte durch eine Außenentwicklung ohne Umweltprüfung nicht zuletzt den Wohnungsbau beschleunigen. Doch das Bundesverwaltungsgericht hat diese Regelung nun gekippt. Was folgt daraus für abgeschlossene und laufende Bebauungsplan-Verfahren?

28.09.20237 Min. Kommentar schreiben

Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Das Aus für die beschleunigte Außen­entwicklung?“ im Deutschen Architektenblatt 10.2023 erschienen?

Von Anke Bombach und Julian Zinn

Mit dem „Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt vom 4. Mai 2017“ wurde § 13 b ins Baugesetzbuch (BauGB) aufgenommen. Hintergrund war eine europäische Richtlinie, die für kleine Gebiete auf lokaler Ebene nur dann eine Umweltprüfung vorsah, wenn diese voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben. Die Mitgliedstaaten konnten bei der Umsetzung durch eine Artfestlegung von Plänen bestimmen, ob dies der Fall ist.

Beschleunigte Außenentwicklung stieß auf Kritik

Schon mit Einführung des § 13 b BauGB im Jahr 2017 war fraglich, ob sich die Regelung mit EU-Recht verträgt, da man mit diesem Instrument im Außenbereich ohne Umweltbericht und ohne Ausgleich des Eingriffs Wohnbauflächen bis zu 10.000 Quadratmetern Grundfläche planen konnte – ein Umstand, den die Architektenkammern sowohl unter Aspekten der Baukultur als auch des Flächenverbrauchs und des Klimaschutzes kritisierten.

Mit Urteil vom 18. Juli 2023 hat das Bundesverwaltungsgericht nun entschieden, dass Freiflächen außerhalb des Siedlungsbereichs einer Gemeinde nicht im beschleunigten Verfahren nach § 13 b S. 1 BauGB ohne Umweltprüfung überplant werden dürfen (Az.: 4 CN 3.22). § 13 b BauGB verstoße gegen EU-Recht und könne daher nicht zur Anwendung kommen. 

Beschleunigte Außenentwicklung ohne Umweltprüfung ist beachtlicher Fehler

Architekten und Stadtplaner sehen sich nun im Rahmen ihrer Aufklärungs- und Beratungspflichten mit den Fragen von Gemeinden oder Bauherren konfrontiert, wie mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere im Hinblick auf laufende gemeindliche Planungsverfahren oder betreute Bauvorhaben umzugehen ist.

Bis die vollständige, schriftliche Urteilsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts vorliegt, ist die Tragweite der Entscheidung noch nicht gänzlich absehbar; dies gilt auch für eine mögliche Reaktion des Gesetzgebers. Vorerst gilt aber, dass § 13 b BauGB aufgrund der Unvereinbarkeit mit EU-Recht nicht angewendet werden kann.

Die Unterlassung einer Umweltprüfung infolge der rechtswidrigen Durchführung eines beschleunigten Verfahrens nach § 13 b BauGB stellt nach § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BauGB einen beachtlichen Fehler im Bauleitplanverfahren dar. In Normenkontrollklageverfahren führt dieser zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans und damit zu dessen Aufhebung, wenn der Fehler innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung des Bebauungsplanes schriftlich gegenüber der Gemeinde unter Darlegung des die Verletzung begründenden Sachverhalts geltend gemacht worden ist (vgl. § 215 BauGB).

Konsequenzen für Bebauungspläne

  • Noch laufende Planungen nach § 13 b BauGB sind zwingend in das Regelverfahren zu überführen. Es ist in solchen Fällen zu empfehlen, eine Umweltprüfung und die Ausweisung gegebenenfalls erforderlicher Ausgleichsmaßnahmen nachzuholen. Der Umweltbericht und dazugehörige Unterlagen sind erneut öffentlich auszulegen. Zudem ist im Zuge der erneuten Auslegung auch die Überführung in das Regelverfahren zu beschließen. Überdies können nun genehmigungspflichtige Änderungen des Flächennutzungsplans (vgl. § 10 Abs. 2 BauGB) erforderlich werden, da auch der Verstoß gegen das Entwicklungsgebot nach § 8 Abs. 2. 1 BauGB zu einem beachtlichen Fehler des Bebauungsplans führen kann (im Zuge des Verfahrens nach § 13 b BauGB war nur die rein redaktionelle Berichtigung erforderlich, die nicht der Genehmigung unterlag).
  • Bereits abgeschlossene Verfahren, die sich aber noch innerhalb der Jahresfrist des § 215 BauGB befinden (nach Ablauf der Jahresfrist werden Fehler nach § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BauGB unbeachtlich und können nicht mehr gerügt werden), können mittels eines ergänzenden Verfahrens nach § 214 Abs. 4 BauGB geheilt werden. Auch hier wären die vorgenannten, aufgrund der Beschleunigungsvorschriften des § 13 b BauGB bisher unterbliebenen Schritte nachzuholen.
  • Für bereits abgeschlossene Verfahren, die sich nicht mehr innerhalb der Jahresfrist des § 215 BauGB befinden, sind die Verfahrensfehler (insbesondere das Fehlen von Umweltprüfung und Umweltbericht) unbeachtlich geworden. Zu beachten ist aber, dass die fehlende Umweltprüfung und eine infolgedessen unzutreffende oder unzureichende Auseinandersetzung mit den einschlägigen Umweltbelangen zu einem sogenannten Ewigkeitsfehler des Bebauungsplans führen kann. Ein solcher Fehler in der Abwägung der betroffenen Belange wird nicht binnen Jahresfrist unbeachtlich, sondern kann auch zukünftig seitens der Verwaltungsgerichte aufgegriffen werden (dies aber nur in ganz bestimmten Konstellationen, die in aller Regel keine Auswirkung auf die generelle Wirksamkeit des Plans insgesamt haben, und nicht im Wege einer Normenkontrolle). 

Bebauungspläne nicht automatisch unwirksam

Zusammenfassend bedeutet dies, dass Bebauungspläne, deren Bekanntmachung weniger als ein Jahr zurückliegt, aufgrund des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts erfolgreich durch eine Normenkontrollklage angegriffen werden könnten. Ältere Bebauungspläne können einerseits aufgrund des Fristablaufs (hier gilt die Jahresfrist ab Bekanntmachung) nicht mehr mit der Normenkontrollklage angegriffen werden und andererseits dürften die Fehler im Aufstellungsverfahren nach § 215 BauGB (ebenfalls binnen Jahresfrist) unbeachtlich geworden sein.

Eine automatische Unwirksamkeit von Bebauungsplänen durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts gibt es nicht. Ein Bebauungsplan kann nur im Zuge einer Normenkontrollklage oder durch die planende Gemeinde selbst aufgehoben werden. Wenn dies nicht der Fall ist, bleibt der Bebauungsplan (trotz eventuell vorliegender Rechtswidrigkeit) dennoch in Kraft. Ob die Baugenehmigungsbehörden unwirksame Bebauungspläne aufheben lassen oder im Zuge des Genehmigungsverfahrens nicht anwenden können, ist in der Rechtsprechung und der juristischen Fachliteratur umstritten.  

Folgen des Urteils für Gebäude

Im Rahmen von Bauantragsverfahren sowie der Errichtung von Gebäuden im Genehmigungsfreistellungsverfahren können sich im Zuge der Beratung und Überplanung von Grundstücken, die im Bereich eines nach § 13 b BauGB aufgestellten Bebauungsplanes liegen, maßgeblich die folgenden Themen und Fragestellungen ergeben:

Im Genehmigungsfreistellungsverfahren bereits errichtete Gebäude genießen Bestandsschutz. Ein Einschreiten der Bauaufsichtsbehörden würde für diese Gebäude ausscheiden. In Hinblick auf bereits begonnene, aber noch nicht abgeschlossene Bauvorhaben ist die Frage des Bestandsschutzes jedoch umstritten. Im Falle der gerichtlichen Aufhebung eines Bebauungsplans nach Beginn, aber vor Abschluss eines Bauvorhabens würde sich demnach eine nicht unbeachtliche Rechtsunsicherheit für den Bauherrn ergeben, auf die der Auftraggeber hinzuweisen ist. Es könnte in solchen Konstellationen sinnvoll sein, unter Einbindung der Gemeinde ein förmliches Genehmigungsverfahren durchzuführen (vgl. zu dieser Möglichkeit etwa Art. 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 Bayerische Bauordnung).

Erteilte Baugenehmigungen können im Rahmen der gesetzlichen Geltungsdauer weiterhin ausgenutzt werden. Möglich wäre seitens der Baugenehmigungsbehörden nur die (ausgleichspflichtige) Rücknahme von entsprechenden Bescheiden nach gerichtlicher Aufhebung des Bebauungsplans. Dies dürfte aber in der Praxis kaum relevant werden. Auf Basis einer Baugenehmigung errichtete Gebäude besitzen Bestandsschutz.

Aktuelle Handlungsempfehlungen für Planungen im Außenbereich

Solange die vollständige Urteilsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts nicht vorliegt, sollte bei allen Planungs- und Investitionsentscheidungen Vorsicht walten gelassen und im Rahmen der Beratung durch Architekten und Stadtplaner auf mögliche Risiken hingewiesen werden. Besonderes Augenmerk gilt dabei noch laufenden Planungsverfahren oder solchen Bebauungsplänen, die die Jahresfrist noch nicht überschritten haben, sowie Bauvorhaben, die (noch) auf Basis eines solchen Bebauungsplans beantragt oder im Freistellungsverfahren errichtet werden sollen. Unklar ist zudem, ob und wie eine Reaktion des Gesetzgebers erfolgen wird. Auch eine seitens des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen angekündigte Handlungsempfehlung für betroffene Gemeinden liegt bislang noch nicht vor.

Bei alledem sollte aber eines nicht übersehen werden: Eine gut beratene Gemeinde wird auch ohne § 13 b BauGB in der Lage sein, eine abwägungsgerechte Planungsentscheidung zugunsten eines Wohnbauprojekts im Außenbereich zu treffen. Die mit der Erstellung des Umweltberichts und der Festlegung des Eingriff-Ausgleichs verbundene zeitliche Verzögerung kann bei einem stringenten und im Übrigen fehlerfreien Verfahren durchaus kompensiert werden.

Anke Bombach ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Verwaltungsrecht bei Prof. Hauth & Partner Rechtsanwälte in München. ­Julian Zinn ist Rechtsanwalt bei Prof. Hauth & Partner Rechtsanwälte

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