In Köln zauberte der Architekt Christopher Schroeer-Heiermann in ein sechs Meter tiefes Wohnhaus mit einer 18 Meter langen Brandwand unerwartet helle Zimmer. (Klicken für mehr Bilder)
Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Ins rechte Licht gesetzt“ im Deutschen Architektenblatt 10.2023 erschienen.
- Hier geht es direkt zum zweiten Projekt: Umbau des Klosters Hammelburg zur Musikakademie
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Wohnhaus in Köln: Tageslicht tief ins Gebäude
Wie lässt sich ein zweigeschossiges, sehr ungünstig geschnittenes Gebäude mit einer Tiefe von knapp sechs Metern und einer rund 18 Meter langen längsseitigen Brandwand zum Nachbarn so gestalten, dass jedes Zimmer möglichst zu jeder Tageszeit ausreichend Zugang zu natürlichem Licht hat? Diese Frage war für den Kölner Architekten Christopher Schroeer-Heiermann Ausgangspunkt seiner Planungen bei der Umgestaltung eines 3-Parteien-Wohnhauses im Stadtteil Sürth.
Den Anfang machte er mit einer Umorganisation der Räume. „Wir haben zunächst innerhalb des Gebäudes die Erschließung ins Gebäudeinnere verlegt, sodass möglichst viel direktes Tageslicht durch die Fenster in der Fassade in die Nutzungsbereiche gelangt“, erzählt der Architekt. Im Obergeschoss ließ er dann ein Fenster verbreitern und ein neues hinzufügen. Auch im Erdgeschoss kam ein Fenster hinzu, zwei teils zugemauerte Fensteröffnungen wurden wieder geöffnet, ein Vorbau entfernt, eine Glastür und zwei bodentiefe Festverglasungen eingebaut.
Tageslicht durch neue Oberlichter und Durchbrüche
Nach demselben Prinzip ging Christopher Schroeer-Heiermann auch bei den Dachflächen vor: Zusätzlich zu den drei vorhandenen Oberlichtern wurden vier weitere aus der Dachhaut geschnitten. Damit nicht nur die jeweils direkt hinter den Lichteintrittsöffnungen liegenden Räume von diesen profitieren, ließ der Architekt zahlreiche Wände und Decken durchbrechen. So gelangt beispielsweise von einem der Oberlichter im Dach natürliches Licht durch einen Lichtschacht im Dachgeschoss in ein Treppenhaus, das das Erdgeschoss mit dem Obergeschoss verbindet.
Ein innen liegender Raum im Erdgeschoss, der über kein eigenes Fenster verfügt, bekommt Tageslicht mittels eines Durchbruchs in der Wand zum Nebenraum. „Es war sehr hilfreich, die baulichen Veränderungen und die Lichtwirkung mit einem Arbeitsmodell zu simulieren. Darüber hinaus arbeite ich viel mit Freihandperspektiven“, beschreibt Schroeer-Heiermann seine Herangehensweise. Zu dieser gehört manchmal auch eine gehörige Portion Mut. An einer Stelle brach er im Gebäude auf gut Glück eine Öffnung in die Decke, um den Lichteinfall zu testen – und war dann doch froh, dass der Test aufging und er den Durchbruch dort belassen konnte.
Hindernisse für das Tageslicht beseitigen
In den Räumen minimierte er alles, was dem Lichtdurchfluss im Weg stand. So wurde auf manch eine Zwischentür verzichtet, andere mögliche Lichthindernisse sind durch die Materialwahl semi-transparent, etwa die Treppen aus Lochblech mit ihren puristischen Stabgeländern. Die mit Kalkputz und mineralischer weißer Wandfarbe versehenen Wände unterstreichen das luftig-helle Ambiente, sind aber auch funktional wichtig, wie der Architekt erläutert: „Die neuen Oberlichter sind so platziert, dass sie bündig mit mindestens einer Wandfläche abschließen. Diese wirkt dann als Reflexionsfläche.“ Dabei wirken das viele Weiß und die Raumelemente dank vielfältiger Stufen und Absätze alles andere als langweilig.
Reflexion und Schattenwurf einplanen
Mal trifft beispielsweise eine teilweise abgehängte Decke, hinter der sich Installationen verbergen, in der Raummitte auf einen neu eingezogenen Kamin. An ihn schließt sich ein Kabelführungsschacht mit geringerer Tiefe an. Kamin und Schacht sind im unteren Bereich an zwei Seiten von einem Sockel ummantelt, der so eine funktionale Ablage bildet. Mal liegt ein I-Träger aus Stahl offen, und mal säumt eine vertiefte Fasche eine Türöffnung. An all diesen Kanten schafft das natürliche Licht Schatten, die sich im Tagesverlauf verändern und den Räumen Lebendigkeit und Tiefe verleihen.
Bei Dunkelheit löst Kunstlicht das natürliche Licht ab. „Nicht die Lichtquellen sind wichtig, sondern das Licht an sich“, so die Philosophie des Planers. Deshalb sind die wenigen Pendel- oder Wandleuchten im Bereich der Oberlichter so angebracht, dass man sie von den Wohnräumen aus kaum sieht. Auch den direkten Blick auf die Oberlichter gibt es nur von wenigen Stellen im Gebäude aus.
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Im ehemaligen Kloster von Hammelburg wurde aus einem düsteren Speicher ein anregender Übungsraum. (Klicken für mehr Bilder)
Musikakademie Kloster Hammelburg: Inszenierung mit Licht
Viele der Zutaten von Schroeer-Heiermanns Konzept – Veränderungen im Grundriss, vergrößerte und zusätzliche Öffnungen der Gebäudehülle, Wanddurchbrüche und ganz viel Weiß – nutzte auch Christian Brückner vom Büro Brückner & Brückner Architekten (Tirschenreuth/Würzburg) beim Umbau eines ehemaligen Franziskanerklosters in Hammelburg in eine Musikakademie.
Als Herzstück der Akademie konzipierte er mit seinem Team im ehemals nach oben offenen Kreuzgarten einen zentralen Raum zum Ankommen, Feiern und Musizieren. Dazu wurden zunächst die Arkaden des einstigen Kreuzgangs geöffnet, dann der Kreuzgang-Gedanke auf das darüberliegende Geschoss übertragen. „Im Obergeschoss durften wir in das historische Gebäude eingreifen: Wir haben den Erschließungsflur vis-à-vis gespiegelt, sodass er nun nicht mehr an der Außenwand, sondern an der Wand zum Kreuzgarten entlangläuft und sich – genau wie darunter der ehemalige Kreuzgang – zum zentralen Raum des Gebäudes öffnet“, beschreibt Christian Brückner. Der neu entstandene Begegnungssaal dehnt sich nun über beide Geschosse aus, bis zu einem Glasdach, das den gesamten Hof überspannt.
Kunstlicht unauffällig integriert
Die große gläserne Fläche wird einzig durch den First in Längsrichtung und die Konstruktionsbalken gegliedert. Die durchgängig vom First bis zur Traufe verlaufenden Glasplatten bilden ein leicht geneigtes Satteldach, um die natürliche Reinigungskraft des Regens zu nutzen. Um den Charakter des „Draußenseins“ zu bewahren, ist das Glasdach im Bereich der Traufe ins Bestandsmauerwerk eingebunden. Der spezielle Akustikputz der Wände fühlt sich an wie Außenputz.
Die Quellen für Kunstlicht sind in diesem Raum zwar nicht unsichtbar, aber weit zurückgenommen. „Statt vom Glasdach Leuchten abzupendeln, haben wir die statische Dachkonstruktion als Lichtkonstruktion genutzt und diese mit LED-Leisten ausgestattet“, sagt der Architekt. Zusammen mit dem Kunstlicht, das aus den benachbarten Fluren durch die Wandöffnungen in den ehemaligen Kreuzgarten gelangt, genüge das auch nachts, um den Lichthof ausreichend zu beleuchten.
First für Tageslicht geöffnet
Fast genauso eindrucksvoll wie der zentrale Saal der Musikakademie sind die beiden großen Übungsräume im zuvor leer stehenden Dachgeschoss des Gebäudes. Sie sind mit modularen Oberlichtern zu beiden Seiten entlang des Dachfirstes wirkungsvoll in Szene gesetzt. „Wir fanden – zumindest in Teilen – eine historische Dachkonstruktion vor, die wir nicht nur erhalten, sondern auch zeigen wollten“, erzählt Christian Brückner. „Wir wollten die Musizierenden jedoch nicht in einen düsteren Speicher mit Kinoambiente schicken.“
Dort, wo die mittelalterliche Dachkonstruktion erhalten war, wurde die Decke nach oben zum Dach bis in den First geöffnet, die geweißten Zerrbalken liegen nun offen, dazwischen sind Kunstlichtleisten angeordnet. Im anderen Teil des Gebäudes entstand als zeitgemäßer Gegenspieler ein zweiter, etwas kleinerer Übungsraum unter einem komplett neu aufgesetzten Dachstuhl ohne Zerrbalken. Hier sind Leuchtleisten bündig in die mikroperforierte eichenfurnierte Bretterverschalung der gedämmten Wand integriert – wie verlängerte Strahlen des Lichtes, das durch die Dachfenster hereindringt.
Arbeit mit hellen Farben und Flächen
Nicht nur im Begegnungssaal und den beiden Übungsräumen, sondern auch in der gesamten Anlage dominieren helle Farben von Weiß über Creme bis Beige, Kalkputzwände, Natursteinböden und Eichendielen. „Wir wollen auf keinen Fall die Seele dieses Ortes verlieren. Insofern war es uns wichtig, den klösterlichen Ursprung zu bewahren. Dazu bot es sich an, mit den vorhandenen Elementen und Materialien weiterzubauen und auch das Neue ins rechte Licht zu rücken“, erklärt Christian Brückner.
Die großzügigen Flächen und hellen Farben erinnern jedoch nicht nur an die Schlichtheit des klösterlichen Lebens. Sie sind in Hammelburg – genau wie im 3-Parteien-Haus in Köln – eine Facette der Inszenierung der Architektur mit natürlichem und künstlichem Licht.
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