Von Nicole Reiß und Philip Steden
Der Vergleich der Bruttojahresgehälter angestellt tätiger weiblicher und männlicher Kammermitglieder ergibt eine unbereinigte Gehaltslücke von 28 Prozent. Dies zeigt eine Sonderauswertung der 2022 von der BAK durchgeführten Mitgliederbefragung abhängig Beschäftigter (Strukturbefragung), die eine Aktualisierung der grundlegenden Gender-Pay-Gap-Studie für das Jahr 2019 darstellt. Damit hat der unbereinigte Gender-Pay-Gap im Berichtsjahr 2021 leicht zugenommen (2019: 26 Prozent).
Frauen arbeiten oft dort, wo wenig gezahlt wird
Wie bereits die Analyse der 2019er-Daten zeigte, lässt eine solche undifferenzierte Betrachtung jedoch wichtige lohnrelevante Unterschiede in der Art der Berufsausübung von Frauen und Männern außer Acht.
Damals wie heute wird deutlich, dass weibliche Kammermitglieder immer da überdurchschnittlich häufig anzutreffen sind, wo die im Vergleich geringeren Gehälter gezahlt werden:
- in Teilzeitstellen statt in Vollzeitstellen,
- in Architektur- und Planungsbüros statt in der gewerblichen Wirtschaft,
- in kleinen statt in großen Büros,
- in weisungsgebundenen statt in leitenden Positionen.
Bereinigter Gender-Pay-Gap
Bei Berücksichtigung dieser Unterschiede, das heißt bei einem Vergleich nur solcher Personen, die die gleichen lohnrelevanten Merkmale aufweisen, schrumpft die Gehaltslücke von 27,8 Prozent auf 8,1 Prozent (sogenannter bereinigter Gender-Pay-Gap).
Dies entspricht etwa dem vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung errechneten, branchenübergreifenden Niveau. Auch dieser bereinigte Gender-Pay-Gap hat von 2019 bis 2021 leicht zugenommen (Vergleichswert 2019: 7,3 Prozent).
Geschlechterverhältnis insgesamt ausgeglichen
Die letztjährige Strukturbefragung der Architektenkammern der Länder unter Federführung der BAK ging noch einmal vertiefend der Frage nach, ob weibliche Kammermitglieder tatsächlich seltener in leitenden und damit gut bezahlten Positionen tätig sind als ihre männlichen Kollegen und wenn ja, warum.
Der erste Teil der Frage ist eindeutig zu bejahen. Während das Geschlechterverhältnis unter allen in Architektur- und Planungsbüros tätigen Personen mit unmittelbarem Projektbezug ausgeglichen ist, liegt der Frauenanteil an den Beschäftigten mit Führungsverantwortung im Schnitt nur bei 30 Prozent.
Warum Architektinnen weniger Führungspositionen haben
- Frauen sind häufiger teilzeittätig als Männer. Das schmälert ihre Aussichten auf eine Führungsposition, da es sich bei leitenden Positionen vorwiegend um Vollzeitstellen handelt.
- Frauen verfügen im Schnitt über weniger Berufserfahrung als ihre männlichen Kollegen. Das liegt zum einen daran, dass weibliche Kammermitglieder jünger sind als männliche. Zum anderen unterbrechen Frauen ihre berufliche Tätigkeit häufiger, zum Beispiel für Kindererziehungszeiten. Da die Vergabe von Führungspositionen häufig an ein gewisses Maß an Berufserfahrung geknüpft ist, haben Frauen im Vergleich geringere Chancen.
- Frauen sind überdurchschnittlich häufig in kleinen Büros tätig, in denen es keine Führungspositionen gibt. Sie haben also seltener Zugang zu Stellen mit Leitungsfunktion als Männer.
Doch nicht nur äußere Gegebenheiten sorgen dafür, dass Frauen seltener in Führungspositionen gelangen.
- Frauen bewerben sich auch seltener um entsprechende Stellen als ihre Kollegen. Begründet wird dies vor allem damit, dass eine Stelle mit Führungsverantwortung zu zeitaufwändig und mit zu viel Verantwortung verbunden sei.
- Frauen haben zudem häufiger als Männer Zweifel, ob ihre berufspraktische Erfahrung beziehungsweise ihre fachlichen Qualifikationen für eine Führungsrolle ausreichen und verzichten deshalb auf eine Bewerbung.
Keine Anzeichen finden sich in den Daten, dass Frauen bei der Bewerbung benachteiligt werden. Bewerben sich vollzeittätige Frauen um eine Führungsposition in Architekturberufen, so sind sie dabei genauso erfolgreich wie ihre vollzeittätigen männlichen Kollegen.
Frauen sind weniger zufrieden mit ihrem Gehalt
Unklar bleibt, worin das bereinigte Gehaltsgefälle von 8,1 Prozent begründet liegt. Verhandeln Frauen weniger hart beim Gehalt als Männer? Gibt es weitere Differenzierungsmerkmale innerhalb der Führungskräfte?
Fest steht: Die Gehaltsunterschiede zwischen Frauen und Männern schlagen sich in einer geringeren Gehaltszufriedenheit weiblicher Kammermitglieder nieder. So liegt die durchschnittliche Gehaltszufriedenheit von Frauen bei 2,6, die von Männern dagegen bei 2,3 (Skala von 1 = „sehr zufrieden“ bis 5 = „gar nicht zufrieden“).
Die Gegenüberstellung der faktischen Gehälter und der subjektiven Gehaltszufriedenheit zeigt, dass die Kammermitglieder mit den geringsten Stundenlöhnen zugleich die geringste Gehaltszufriedenheit aufweisen. Besonders häufig sind dies weisungsgebunden in kleinen Architekturbüros arbeitende Architektinnen (durchschnittliche Gehaltszufriedenheit: 3,0). Die subjektiv empfundene Zufriedenheit mit dem eigenen Gehalt entspringt also offenbar einer durchaus realistischen Einschätzung der Gehälter der Kollegenschaft.
Faire Bezahlung macht zufriedener
Büroinhaberinnen und -inhaber sollten daher eine faire Bezahlung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Blick behalten. Sie wirkt sich messbar auf die Gehaltszufriedenheit aus und ist somit auch ein wichtiges Mittel zur Personalbindung. Dass nach Einbeziehung vieler Einflussfaktoren auf das Gehalt nach wie vor eine Gehaltslücke besteht und diese mit 8,1 Prozent zwischen 2019 und 2021 sogar leicht gewachsen ist, regt zum Nachdenken über die Vergütungspraxis an und lädt zur Bearbeitung weiterer Forschungsfragen ein.
Nicole Reiß ist Geschäftsführerin des Sozial- und Marktforschungsinstituts Reiß & Hommerich. Dr. Philip Steden leitet bei der Bundesarchitektenkammer das Referat für nationale und internationale Wirtschaftspolitik.
Die Sonderauswertung der BAK zu geschlechtsspezifischen Gehaltsunterschieden steht als kostenloses PDF zur Verfügung.
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