So funktioniert Partizipation: Ein ehemaliger Vorlesungssaal an der TU München… (Klicken für mehr Bilder)
Letztes Jahr saß ich im Vortrag eines Architekten, der feststellte, dass sich seit seiner eigenen Studienzeit, die schon etwas in der Vergangenheit liegt, baulich nichts im Foyer und Eingangsbereich seiner damaligen Universität verändert hat. Natürlich muss es das nicht um des Umbaus willen, aber wenn die Räume nicht gut sind und seit Jahrzehnten nicht gut genutzt werden?
Wieso denken wir nicht auch mal an die eigenen Reihen, anstatt immer fremde Gebäude für die Projektarbeit zu entwerfen oder umzubauen? Wo gibt es Positivbeispiele, wo gibt es studentische Partizipation am Fachbereich?
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Was tun mit einem ungenutzten Hörsaal?
Das diesjährige Semesterprojekt eines Kommilitonen von mir tat genau das – ungenutzte Chancen entdecken und unsere Profession in den eigenen vier Wänden anwenden. Ein ehemals als Vorlesungssaal genutzter Raum an der TU München durfte aufgrund von fehlenden Absturzsicherungen so nicht weitergenutzt werden. Die Studierenden erkannten das unausgeschöpfte Potenzial und bauten den seit einem Semester leerstehenden Raum unter dem Motto „Campus kann mehr“ um.
Multifunktionaler Raum dank neuer Einbauten
Eine Konstruktion aus OSB-Platten und Konstruktionsvollholz fasst nun zwei Höhendifferenzen zusammen und generiert eine größere, bespielbare Fläche. Der Raum kann nun multifunktional genutzt werden, was eine Interventionswoche für die Universitätsfamilie unter Beweis stellte: ob temporäre Fahrradwerkstatt, Seminarraum oder Konzertsaal für eine Jazz Jam Session. Dank Partizipation soll der Raum künftig als Studio und offener Lernbereich für Studierende dienen, an denen es bislang an der Uni fehlt. Aus der Resonanz kristallisierte sich vor allem ein Punkt heraus: Raum für den interdisziplinären Austausch am Fachbereich ist wichtig und er wird angenommen.
Das Café Nachhoelzer entstand aus derselben Motivation: … (Klicken für mehr Bilder)
Café Nachhoelzer: wieder Treffpunkt statt Stuhllager
Angetrieben von dieser Motivation, ebendiesen Raum zu schaffen und zugleich Leerstand zu beleben, entwickelte sich auch ein anderes interessantes Projekt der Partizipation an der TUM: das Café Nachhoelzer. Die Dachterrasse und das Café im Vorhoelzer Forum waren in ganz München bekannte und wertvolle Orte, die während und nach der Pandemie ersatzlos geschlossen wurden und seither das vielleicht schönste Stuhllager Münchens waren.
Die studentische Initiative, die mittlerweile eine Zwischennutzung erreicht hat, startete im Juni 2023 in Form eines mobilen Café-Wagens, der am ganzen Campus Bewusstsein für die Situation schuf. Seit Juli haben etliche Ehrenamtliche den Ort wiederbelebt und er ist wieder das, was er ursprünglich war: studentischer Treffpunkt und wichtiger Austauschort.
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TU Delft: Nach Großbrand schneller Umzug
Ein Großbrand an der Fakultät Bouwkunde der TU Delft im Jahr 2008 zwang den Fachbereich, schnell neue Räumlichkeiten für Studierende und Lehrende zu finden. Am anderen Campusende in der Julianalaan wurde man fündig: Ein zu dieser Zeit ungenutzter Backsteinbau, der 1915 für die Chemiefakultät erbaut wurde und seither unter anderem Sitz einer niederländischen Bank war. Dieser Bau sollte das neue Zuhause für die Fakultät werden.
Fünf Architekturbüros verwirklichten die Vision von Offenheit und Interaktion, die man dort bis dahin schmerzlich vermisste. Auf großen Freiflächen arbeiten nun Absolvent:innen neben Professor:innen, Forscher:innen neben Erstsemestern. Baulich konnten dank der hohen Räume Zwischengeschosse eingezogen werden. Türen ließ man weitestgehend weg, um so viel Durchmischung wie möglich zu generieren.
Uni Siegen: Architekturfakultät in alter Druckerei
Neue Arten des Lernens und Lehrens will man auch in Siegen verwirklichen. Aus dem ehemaligen Druckhaus der Siegener Zeitung soll die neue Architekturfakultät der Universität werden. Startschuss für das Projekt war eine einwöchige Summer School – Partizipation, bei der Studierende zusammen mit Lehrenden und Architekt:innen Konzepte entwickelten.
Unter dem Leitbild „Reset, Reshape, Reuse“ ist es das Ziel, sowohl eine innovative Architektur für neue Formen des universitären Zusammenlebens zu schaffen als auch im Umgang mit dem Bestandsbau neu zu agieren. Im Frühjahr wird der Siegerentwurf gekürt, dann beginnt der Planungsprozess.
Johanna Lentzkow absolvierte ihren Bachelor an der Hochschule Darmstadt und setzt nun ihr Architekturstudium an der Technischen Universität in München fort.
Die Nachwuchs-Kolumnen des DAB schreibt ein junges Team, weitere Autor:innen sind Fabian P. Dahinten, Luisa Richter und Lorenz Hahnheiser.
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